Qualitätsselektion

Qualitätsselektion

Die Qualitätsselektion ist ein erweitertes Konzept der soziobiologischen Theorie der Verwandtenselektion von William D. Hamilton[1]. Im Rahmen der Gesamtfitness-Theorie erklärt sie die Ausbreitung von altruistischem Verhalten in der Evolutionstheorie. Je besser ein verwandtes Individuum im Vergleich zum Ausgangs-Individuum an die Umwelt angepasst ist, desto höher ist der Drang zum altruistischen Verhalten zugunsten des überlebenstüchtigeren, aber verwandten Lebewesens.

Inhaltsverzeichnis

Mathematische Formel

Da durch die Überlebenstüchtigkeit bzw. Qualität der genetischen Erbinformation die Wahrscheinlichkeit auf Überleben und Reproduktion dieses Gens in Bezug auf Existenz in der Nachfolgenden Generation erhöht wird, erklärt sich durch die Gesamtfitness der Nutzen am Altruismus an überlebensfähigeren, aber verwandten Genen. Die hinzukommende Variable ist q, definiert aus dem Verhältnis der Überlebenstüchtigkeit des Nutzen-tragenden Individuums zur Überlebenstüchtigkeit des Kosten-tragenden Individuums

 {q = {q_b\over q_c}}

Die neue Formel der Qualitätsselektion besagt also nun, dass sich altruistisches Verhalten dann erfolgreich in Populationen ausbreitet, wenn das Verhältnis der Überlebenstüchtigkeit des Nutzen-tragenden Individuums zur Überlebenstüchtigkeit des Kosten-tragenden Individuums multipliziert mit dem Verwandtschaftsgrad und dem Nutzen für das begünstigte Individuum größer ist, als die entstehenden Kosten für das Kosten-tragende Individuum

q * r * B > C

Sind die Kosten (C) einer altruistischen Handlung gleich dem Nutzen (B) für das begünstigte Individuum, was beispielsweise bei der Weitergabe eines Guts (Kosten = Nutzen) der Fall ist, kürzen sich B und C:

 {q * r > 1} \Leftrightarrow {q > {1 \over r}}

Langfristiger Altruismus

Sie ist die erste Formel, welche den Drang zu langfristigem Altruismus evolutionsbiologisch darstellt, da bei einer altruistischen Handlung die Kosten meist dem entstehenden Nutzen entsprechen, wie beispielsweise bei der Weitergabe eines Guts. Entstehen bei einer Handlung weniger Kosten, als Nutzen, kann diese Handlung auch als Egoismus ausgelegt werden, da sie reziprok zurückgezahlt werden kann und somit in der Summe keine Kosten entstehen[2]. Die Formel der Verwandtenselektion kann keinen Altruismus beschreiben, bei dem B (Nutzen) gleich C (Kosten) sind[3], da der Verwandtschaftsgrad (r) niemals über 100% betragen kann.

Auswirkung auf die Spieltheorie

Da die Qualitätsselektion die erste Theorie ist, welche den evolutiv bedingten Drang zur dauerhaften Weitergabe eines Guts bzw. Ressource erklären kann, gibt sie die der Spieltheorie die neue Sichtweise eines Spiels, in welchem ein Spieler nicht versucht egoistisch zu gewinnen, sondern auch das primäre Ziel haben könnte zu verlieren.

Empirische Belege

Belohnungssystem

Die Qualitätsselektion liefert eine neue Auslegung für das Konzept des Belohnungssystems im Nucleus accumbens und die resultierende psychische und physische Leistungssteigerung[4] bei erhöhtem Spiegel an Botenstoffen Dopamin und/oder Serotonin. Denn eine erfolgreich bestandene Aufgabe eines Individuums kann nicht nur Euphorie auslösen[5], sondern bestätigt auch die Überlebenstüchtigkeit eines Individuums, womit durch Euphorie der Lebenswille erhöht wird. Generell soll durch diesen Altruismus das Unterlassen eines hohen Neurotransmitterspiegels im Gehirn erklärt werden, da ein niedriger Neurotransmitterspiegel im Gehirn keinerlei Vorteile besitzt, im Gegensatz zu hohen Neurotransmitterspiegeln, welche sich positiv auf die Stimmung, Gesundheit und Selbstwertgefühl auswirken. Ein niedriger Neurotransmitterspiegel hingegen ist die primäre Ursache von Depressionen[6], Burnout-Syndrom[7] und soll auch einen Zusammenhang mit Krebs haben[8].

Handicap-Prinzip

Die Qualitätsselektion liefert außerdem eine plausible Erklärung für die theoretische Existenz des Handicap-Prinzips, entwickelt vom israelischen Biologen Amotz Zahavi. Denn das Leisten eines Handicaps bestätigt die Überlebenstüchtigkeit eines Individuums im Gegensatz zu Individuen, welche sich jenes Handicap nicht leisten können. Mit dem Altruismus, der sich von der Formel der Qualitätsselektion ableitet, wird die Leistung eines Handicaps von Artgenossen belohnt.

Eugenik

Obwohl die Theorie die theoretische Existenz unterschiedlich qualitativer Gene voraussetzt, stellt sie sich entgegen der im Nationalsozialismus geführten Eugenik, da sie im Gegensatz zu den Nationalsozialisten der Haut,- Haar-, Augenfarbe, Religions- und Staatsangehörigkeit keinen Wert zuschreibt, sowie psychische und physische Krankheiten nicht zwingend als erblich bedingt ansieht.

Einzelnachweise

  1. http://frenzzel.de/
  2. "Eine Voraussetzung für die biologisch-evolutionäre Ausbildung jeden altruistischen Verhaltens jedoch, dass der Gesamtnutzen des altruistischen Verhaltens positiv ist." http://de.wikipedia.org/wiki/Reziproker_Altruismus#Beschreibung_und_Voraussetzungen
  3. "Dieser Altruismus ist nur dann erfolgreich und breitet sich in Populationen aus, wenn der Nutzen für die Genweitergabe, den das altruistische Verhalten zeigt, größer ist als die Kosten, die dafür aufgebracht werden" http://de.wikipedia.org/wiki/Verwandtenselektion#Gesamtfitness
  4. "Diese Botenstoffe bestimmen maßgeblich unsere Stimmung und Leistungsfähigkeit" http://www.angst-depressionen.com/Orthomolekulare_Medizin/Neurotransmitter/Neurotransmitter_Nervensystem.html
  5. "War die Belohnung vorhersehbar, weil der Affe mit der Zeit das richtige vom falschen Bild unterscheiden konnte, gab es ebenfalls keine Ausschüttung von Dopamin" http://www.drogen-aufklaerung.de/das-belohnungssystem-des-gehirns
  6. http://www.depression-therapie-forschung.de/horm-sero-mela.html"Ursache für Depressionen ist eine Stoffwechselstörung im Gehirn. Depressive haben vor allem ein Defizit an Serotonin. Serotonin ist ein Botenstoff im Gehirn (Neurotransmitter), der den Informationsaustausch zwischen den Gehirnzellen (Neuronen) ermöglicht. Ein Mangel an Serotonin verursacht eine Depressionserkrankung."
  7. http://www.kath.de/lexikon/praevention_gesundheit/burn_out.php
  8. http://www.dkfz.de/de/presse/ijc/2008/ijc_pm_08_15.html

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