Rehabilitation in der Unfallchirurgie

Rehabilitation in der Unfallchirurgie

Zentrale Aufgabe der Rehabilitation in der Unfallchirurgie ist die Wiederherstellung oder wesentliche Besserung der funktionalen Gesundheit nach einem Unfall. Grundlage dieser Definition ist das biopsychosoziale Modell der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das in der internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) dargelegt ist. Unfallfolgen werden stark von persönlichen Faktoren und Umweltbedingungen (sogenannten Kontextfaktoren) beeinflusst und müssen deshalb mit im Fokus der Rehabilitationsbemühungen stehen.

Inhaltsverzeichnis

Rehabilitationsziele

Die Wiedereingliederung ins soziale und berufliche Umfeld ist oberstes Ziel der Rehabilitation und stellt bei Unfallverletzten eine besondere Herausforderung dar. Die Auswahl konkreter Rehabilitationsmaßnahmen und Festlegung realistischer Ziele erfordert die Kenntnis, welche Folgen sowohl auf körperlichem als auch auf psychischem und sozialem Gebiet Unfälle haben können. Das Wissen, welche Parameter diese Folgen beeinflussen können, ist entscheidend für die Planung, Organisation und Durchführung der Rehabilitation nach Verletzungen. Damit unterscheidet sich die Rehabilitation Unfallverletzter deutlich von der orthopädischen Rehabilitation nach geplanten Operationen, wie beispielsweise der Implantation eines künstlichen Hüft- oder Kniegelenks. Die Zielsetzung von Rehabilitationsmaßnahmen muss individuell vom Arzt festgelegt werden. Die aktive Beteiligung des Verletzten am Rehabilitationsprozess und an der Festlegung der Therapieziele ist für den Erfolg der Rehabilitation entscheidend.

Indikationsstellung

Bei einer entsprechenden Schwere der Verletzung und drohenden langfristigen Beeinträchtigungen der Aktivität und Teilhabe ist eine Rehabilitationsmaßnahme indiziert. Darüber hinaus werden vorausgesetzt

  • ein bestehender Rehabilitationsbedarf,
  • eine vorliegende Rehabilitationsfähigkeit,
  • eine ausreichende Motivation oder eine erkennbare Motivierbarkeit, sowie
  • eine positive Rehabilitationsprognose.

Rehabilitationsformen

Die medizinische Rehabilitation in der Unfallchirurgie wird eingeteilt in:

  • Frührehabilitation
  • Postakutrehabilitation
  • Weiterführender Rehabilitation

Frührehabilitation ist die frühestmöglich einsetzende kombinierte akut- und rehabilitationsmedizinische Behandlung von Patienten, insbesondere nach Polytrauma. Sie erfolgt im Rahmen der akutmedizinischen Behandlung bereits im Traumazentrum unter Beteiligung vieler verschiedener therapeutischer Berufsgruppen und ist von der postakuten bzw. weiterführenden Rehabilitation abzugrenzen. Der Patient muss bei Verlegung in die Rehabilitationseinrichtung frühmobilisiert sein (d. h. in der Lage, sich zu waschen, ohne fremde Hilfe zu essen, sich auf Stationsebene zu bewegen), ausreichend belastbar sowie motiviert und in der Lage sein, aktiv bei der Rehabilitation mitzuarbeiten.

Die Postakutrehabilitation schließt sich unmittelbar an eine Akutkrankenhausbehandlung an oder steht zumindest im engen zeitlichen Zusammenhang zu ihr. Da Unfallfolgen neben den körperlichen Verletzungen häufig auch auf psychischem und sozialem Gebiet vorliegen, ist eine intensive Betreuung durch verschiedene Berufsgruppen erforderlich. Darin unterscheidet sich die Rehabilitation in der Unfallchirurgie von einer einfachen physiotherapeutischen Nach- oder Weiterbehandlung nach Operationen.

Im Anschluss an die Postakutphase können spezielle weiterführende Rehabilitationsmaßnahmen erforderlich werden, beispielsweise die medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (MBO-Reha), die multimodale Schmerztherapie oder die Rehabilitation bei psychiatrischen, psychologischen und psychosomatischen Prozessen wie reaktive Depression oder posttraumatischen Belastungsstörungen.

Strukturvoraussetzungen

Um eine bestmögliche Reintegration ins Alltags- und Berufsleben zu erreichen, ist ein umfassender biopsychosozialer Behandlungsansatz in der unfallchirurgischen Rehabilitation notwendig. Dies erfordert den Einsatz verschiedener spezialisierter Berufsgruppen, wie Physio- und Ergotherapeuten, Pflegekräfte, Sozialdienst etc. unter der Leitung eines Rehabilitationsmediziners, der eng mit dem Unfallchirurgen zusammen arbeitet. Der Unfallverletzte steht dabei im Mittelpunkt eines vielfältig vernetzten Rehaprozesses. Entscheidend für Polytraumapatienten ist die frühe Konsultation von Rehabilitationsspezialisten mit unfallchirurgischer Erfahrung, die auf die erforderliche Infrastruktur in speziellen Traumarehabilitationszentren zurückgreifen können.

Literatur

  • Gemeinsame Arbeitsgruppe DRG (gAG-DRG) der Bundesarbeitsgemeinschaft der Akutkrankenhäuser mit Abteilungen für Fachübergreifende Frührehabilitation des Berufsverbandes der Rehabilitationsärzte und der Deutschen Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation: Positionspapier zur fächerübergreifenden Frührehabiliation. (PDF, 190 KB)
  • S. Simmel, V. Bühren: Polytrauma überlebt – und was kommt dann? Die Rehabilitation Schwerstverletzter. Unfallchirurg 2009 (112):965-974 doi:10.1007/s00113-009-1686-y
  • C. Gutenbrunner, J.-J. Glaesener: Rehabilitation. In: Rehabilitation, Physikalische Medizin und Naturheilverfahren. Heidelberg 2007. S. 113ff. ISBN 978-3540334118

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Unfallchirurgie — Die Unfallchirurgie befasst sich mit den operativen und konservativen Verfahren zur Wiederherstellung und Erhaltung der durch Unfälle beschädigten Strukturen (Organsystem und Bewegungsapparat) des Menschen. Verletzungen betreffen in erster Linie… …   Deutsch Wikipedia

  • Rehabilitation — Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern. Rehabilitation oder Rehabilitierung (mittellat.: rehabilitatio, „Wiederherstellung“) bezeichnet die Bestrebung oder ihren …   Deutsch Wikipedia

  • Unfallchirurgie — Ụn|fall|chir|ur|gie auch: Ụn|fall|chi|rur|gie 〈[ çir ] f. 19; unz.〉 Chirurgie der durch Unfälle hervorgerufenen Verletzungen * * * Ụn|fall|chi|r|ur|gie, die: auf die operative Behandlung von Verletzungen bei Unfällen spezialisiertes Teilgebiet… …   Universal-Lexikon

  • Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften — Logo der AWMF Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), gegründet November 1962 in Frankfurt am Main, seit 2007 eingetragener Verein (e.V.), ist der deutsche Dachverband von 152 wissenschaftlichen… …   Deutsch Wikipedia

  • Komplexe Stationäre Rehabilitation — Die Komplexe stationäre Rehabilitation (KSR) ist im Rahmen des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens eine Sonderform der berufsgenossenschaftlichen stationären Behandlung. Die Unfallversicherungsträger haben den gesetzlichen Auftrag (SGB VII… …   Deutsch Wikipedia

  • Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften — Rechtsform Eingetragener Verein …   Deutsch Wikipedia

  • Klinikum Links der Weser — Vorlage:Infobox Krankenhaus/Logo fehltVorlage:Infobox Krankenhaus/Ärzte fehlt Klinikum Links der Weser gGmbH Trägerschaft Gesundheit Nord Ort Bremen Obervieland Bundesland Bremen …   Deutsch Wikipedia

  • Ralf-Loddenkemper-Preis — Der Ralf Loddenkemper Preis ist ein Medizinpreis für außergewöhnliche Fortschritte auf dem Gebiet der Unfallchirurgie, insbesondere der Traumatologie im Kindes und Jugendalter. Er wird seit 2001 jährlich von der Ralf Loddenkemper Stiftung im… …   Deutsch Wikipedia

  • Lachman-Test — Der Lachman Test Der Lachman Test ist, zusammen mit dem so genannten vorderen Schubladentest, eine Untersuchungsmethode, die in der Unfallchirurgie und der Orthopädie zur Feststellung eines Kreuzbandrisses des Kniegelenkes angewendet wird. I …   Deutsch Wikipedia

  • Kreuzbandriss — Klassifikation nach ICD 10 S83.50 Nicht näher bezeichnetes Kreuzband Inkl.: Kreuzbandriss o.n.A. S83.53 Riss des vorderen Kreuzbandes Inkl.: Partieller oder kompletter R …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”