- Religiöser Wahn
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Religiöser Wahn ist eine spezifische Wahnart, die sich im Wahnerleben mit religiöser Thematik äußert.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Die häufigsten Inhalte des religiösen Wahns sind die Überzeugung mit Gott in direkter Kommunikation zu stehen, oder ein neuer Jesus zu sein, der die Welt erlöst (religiöser Wahn mit Heilsauftrag). Gerade religiöse Wahninhalte erscheinen besonders irreal, irritierend und unsinnig. Die religiöse Wahnthematik muss sich keinesfalls aus religiösem Erleben entwickeln, sondern entsteht eher auf Grund sehr „menschlicher Konflikte“, wie zum Beispiel Eheproblemen.
Diagnostik
Der Betroffene ist egozentrisch auf seinen Wahninhalt fixiert, d. h. sein gesamtes Denken und Handeln speist sich daraus. Gefangen in seinem „Wahn-System“ ist er immun gegenüber kritischer Argumentation. Bezeichnend für den religiösen Wahn ist der Wechsel von Dialog-Formen zu sich ständig wiederholenden Monolog-Strukturen.
Unterscheidung des religiösen Glaubens vom religiösen Wahn
Stellt man den normalen religiösen Glauben dem religiösen Wahn gegenüber, sind einige spezifische Unterschiede festzumachen. Der normale religiöse Glaube erlaubt eine realistische Selbsteinschätzung, beim religiösen Wahn wird diese durch eine überhebliche Selbsteinschätzung überlagert. Daneben ermöglicht der normale religiöse Glaube die innere Distanzierung und Infragestellung religiöser Inhalte, wohingegen im religiösen Wahn fixe Ideen die Gedankenwelt des Betroffenen bestimmen. Auch die Glaubensinhalte, die beim normalen religiösen Glauben denen der jeweiligen religiösen Gemeinschaft entsprechen, sind beim religiösen Wahn ohne jegliche Übereinstimmung und damit nicht überprüfbar.
Auswirkungen auf das soziale Erleben
Der religiöse Wahn führt in der Regel zu einer Entfremdung oder zumindest einer Teilentfremdung des Betroffenen von seiner Umwelt. Dies liegt vor allem daran, dass der Betroffene mit seinen wahnhaften Ideen alleine dasteht, also niemanden hat, der die gleichen Überzeugungen vertritt. Einzig die Möglichkeit, dass der Betroffene in einer fundamentalistischen Gruppierung Anschluss findet, die seine Überzeugung in ihrer Ideologie integriert hat, gibt dem Erkrankten die Chance, sich in einem sozialen Gefüge zu integrieren. Häufig sind die Überzeugungen des Wahnerkrankten aber so anormal, dass sich Vereinsideologie und Einzelüberzeugung nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen.
Therapie
Religiöse Wahnsymptome sind Zeichen einer psychischen Störung, zu finden zum Beispiel bei einer schizophrenen Psychose, jedoch ebenso bei einer Vielzahl anderer psychischer Störungen, wie der Depression oder der Manie. Der religiöse Wahn ist, ebenso wie viele andere Wahnformen, nicht die eigentliche Krankheit, sondern die Erkrankung findet ihren Ausdruck in Wahnideen. Daher erfolgt die Behandlung je nach zu Grunde liegender psychischer Störung unterschiedlich. Zum Einsatz kommen hier verschiedene Arten hochdosierter Neuroleptika in Kombination mit antidepressiver bzw. manischer Medikation.
Literatur
- Wilhelm Arnold, Hans Jürgen Eysenck, Richard Meili: Lexikon der Psychologie. Band 1-3. Freiburg im Breisgau 1971, 1980.
- Helmut Hark: Religiöse Neurosen. Ursachen und Heilung. Stuttgart 1988.
- Christian Henning, Jacob van Belzen (Hrsg.): Verrückt nach Gott. Zum Umgang mit außergewöhnlichen religiösen Phänomenen in Psychologie, Psychotherapie und Theologie. Paderborn 2007.
- Adrian Loretan, Franco Luzatto: Gesellschaftliche Ängste als theologische Herausforderung: Kontext Europa. Europäische Gesellschaft für Katholische Theologie Kongress. Berlin, Hamburg, Münster 2004.
- Rainer Tölle: Wahn: Krankheit, Geschichte, Literatur. Stuttgart 2007 (Auszüge bei googlebooks).
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