- Theophagie
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Theophagie (aus griech. θεός, Gottheit und φαγεῖν, verzehren) ist ein Begriff aus der Religionswissenschaft und bezeichnet die Einverleibung einer Gottheit über die Aufnahme von Speisen oder Getränken. Zu unterscheiden ist üblicherweise die Hierophagie (aus griech. ἱερός, heilig), ein bloßes sakrales Mahl. Der Religionswissenschaftler Åke V. Ström hat darüber hinaus die Unterscheidung Kommunio (leibliche Teilhabe durch die Mahlzeit an der Gottheit selber) und Konvivium (Einnahme einer Mahlzeit in der Gemeinschaft mit einer Gottheit) geprägt. Er macht damit deutlich, dass über die Theophagie vor allem im religionswissenschaftlichen Nachdenken über die christliche Eucharistie die Rede ist. (Vgl. auch die Artikel über Kommunion und Erstkommunion).
Gleichwohl ist die Theophagie keineswegs auf das christliche Abendmahl beschränkt. Wir begegnen in der Religionsgeschichte dem babylonischen Opferkuchen, der die Göttin Ištar darstellte und wahrscheinlich gemeinschaftlich eingenommen wurde. Wir finden im altgriechischen Dionysoskult nicht nur den Genuss von Wein, sondern auch von rohem Fleisch, dessen Herkunftstiere, Böcke oder Stiere, mit göttlichen Attributen besungen werden. Der mythische Pentheus wurde zum menschlichen Opfer, das zuerst von Bacchantinnen zerrissen und verzehrt wurde. An seinem Todesort verehrte man anschließend noch jahrhundertelang den Gott Dionysos. Im Islam und im Judentum gibt es die Pflicht zum Schächten, also zum Ausblutenlassen von Tieren während der Schlachtung. Vorgeschrieben ist das Schächten ursprünglich auch für das Christentum ApG 15, 29. Diese Regeln lassen erkennen, dass dem Blut eine besondere, transzendente Bedeutung zugemessen wurde, die als heidnisch galt und die man darum vermeiden wollte.
Ein bekanntes Beispiel für die essende Anteilnahme an Gott findet sich heute in der Peyote Religion unter den Indianern Nordamerikas. Allerdings nimmt dieser Glauben neben der Fortsetzung indianischer Traditionen zugleich bewusst Bezug auf Jesus und das Abendmahl. Die Anthropophagie, also die »Menschenfresserei« ist zumindest in Papua-Neuguinea noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts beobachtet worden. Wo sie rituelle Züge trägt, sind die Grenzen zur Theophagie mindestens fließend.
Literatur
- F. Bammel: Das heilige Mahl im Glauben der Völker. Eine religionsphänomenologische Untersuchung, Gütersloh 1950
- Å. Hultkrantz: Conditions for the Spread of the in Peyote Cult North America, in: New Religions (hgg. von H. Biezais), Uppsala 1975, 70-83
- F. Lübkers Reallexikon des klassischen Altertums (hgg. von J. Geffcken und E. Ziebarth) Leipzig, Berlin 1914
- Å. V. Ström: Prinzipienfragen und Grundbegriffe, in: Die Religionen der Völker (hgg. von H. Ringgren und Å. V. Ström), Stuttgart 1959, S. 1-32
- Ders.: Abendmahl I, Das Sakrale Mahl in der Religionen der Welt, in: TRE, Band I, Berlin, New York 1977, S. 43-47
- G. Widengren: Religionsphänomenologie, Berlin 1969
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