Umerziehungslager Kae'chŏn

Umerziehungslager Kae'chŏn
Koreanische Schreibweise
koreanisches Alphabet: 개천 제1호 교화소
chinesische Schriftzeichen: 价川 第一號 敎化所
Revidierte Romanisierung: Gaecheon Je1ho Gyohwaso
McCune-Reischauer: Kae'chŏn Che1ho Kyohwaso

Das Umerziehungslager Kae'chŏn (auch Kaechon oder Gaecheon) ist ein Gefängnis in Nordkorea. Der offizielle Name ist Kyo-hwa-so (Umerziehungslager) Nr. 1. Es ist nicht zu verwechseln mit dem Internierungslager Kaech'ŏn (Kwan-li-so Nr. 14), das sich etwa 20 Kilometer südöstlich davon befindet.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Das Lager liegt im Kreis Kae'chŏn, Provinz P'yŏngan-namdo in Nordkorea. Es befindet sich am Rande der Stadt Kae'chŏn, etwa 2,5 Kilometer östlich des Stadtzentrums, hinter einem Hügel.[1]

Beschreibung

Das Umerziehungslager Kae'chŏn ist ein etwa 90.000 Quadratmeter großer Komplex umgeben von vier Meter hohen Mauern.[2] Unter den etwa 4000 männlichen und knapp 2000 weiblichen Gefangenen (Stand 1992), befinden sich sowohl politisch Gefangene Regierungskritiker, als auch anderweitig mit dem nordkoreanischen Gesetz in Konflikt geratene Personen. Prinzipiell sollen die Gefangenen nach Umerziehung durch Arbeit und Verbüßung der Haftstrafe wieder entlassen werden, viele Insassen überleben die Gefangenschaft jedoch nicht. Ji Hae-nam schätzt, dass während ihrer Haftzeit von gut zwei Jahren etwa 20 Prozent der Gefangenen starben.[3]

Arbeitsbedingungen

Die Gefangenen werden täglich etwa 18 Stunden lang zur Zwangsarbeit mit hohen Produktionsvorgaben verpflichtet. Dazu existiert innerhalb des Lagers eine Schuhfabrik, eine Leder- und Gummifabrik, eine Fabrik zur Herstellung von Kleidung, eine Schneiderei und andere Betriebe.[4] Das Nichterreichen der Produktionsvorgaben kann mit Gewalt geahndet werden, was häufig zu Unfällen und körperlichen Verkrüppelungen führt.[5]

Menschenrechtssituation

Die Gefangenen des Lagers haben keine Rechte und sind der Willkür der Wachen ausgeliefert (siehe Menschenrechtssituation in Nordkorea#Das System der Straflager). Mangelhafte Hygiene und Ernährung führen in dem Lager verstärkt zu Krankheiten wie Paratyphus.

Die Gefangenen schlafen laut Augenzeugenberichten mit bis zu 80 oder 90 Personen in etwa 30 Quadratmeter großen Räumen. Etwa 300 Inhaftierte müssen sich eine Toilette teilen. Toilettenbesuche seien nur zeitweise gestattet. Eine Dusche stehe mehrere Monate lang nicht zur Verfügung.[4]

Als Essensration stehen jedem Gefangenen dreimal täglich 100 Gramm Maismehl und eine Suppe zu. Bei Regelverstöße führen zur Kürzung der Essensrationen. Lee Soon-ok berichtete, wie sich Gefangene auf Grund der mangelhaften Nahrungsausgabe mit Ratten ernährten.[4]

Im Lager existieren 78 Strafzellen mit einer Breite von 60 Zentimetern und einer Höhe von 110 Zentimetern, in denen die Gefangene bei Verstößen mehrere Tage lang eingesperrt werden. Schläge, Tritte und Peitschenhiebe gehören ebenso zum Strafvollzug. Lee Soon-ok wurde während ihrer Haftzeit gefoltert, indem ihr bis zur Bewusstlosigkeit Wasser eingeflößt wurde. In der Eisengießerei sah die Augenzeugin, wie sechs Christen mit flüssigem Eisen übergossen und getötet wurden, weil sie sich weigerten, ihren Glauben zu verleugnen und zur Chuch’e-Ideologie zu konvertieren.[6]

Schwangere Gefangene werden zu Abtreibungen durch Injektionen gezwungen. Trotzdem lebend geborene Babys werden gleich nach der Geburt getötet.[7]

Immer wieder (achtmal im Jahr 1988) gibt es Hinrichtungen durch Erschießen vor den Augen der Gefangenen im Gefängnishof.[8]

Gefangene (Augenzeugen)

  • Lee Soon-ok (1987–1992 in Kaechon) wurde wegen angeblicher Veruntreuung von Staatseigentum inhaftiert, weil sie sich weigerte Material für einen Vorgesetzten abzuzweigen. Sie wurde zu 13 Jahren Haft verurteilt, aber wegen guter Führung vorzeitig entlassen.[9]
  • Ji Hae-nam (1993–1995 in Kaechon) wurde inhaftiert wegen Störung der sozialistischen Ordnung, weil sie einen südkoreanischen Schlager gesungen hatte und denunziert wurde. Sie wurde zu 3 Jahren Haft verurteilt, aber vorzeitig nach 2 Jahren und 2 Monaten begnadigt.[10]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Google Maps: Die Stadt Kae'chŏn und das Umerziehungslager, Stand: 12. August 2009
  2. The Hidden Gulag – Satellite imagery of the North Korean Gulag: Kyo-hwa-so No. 1 Kae'chŏn Overview (Seite 118). The Committee for Human Rights in North Korea, abgerufen am 11. Januar 2011 (englisch).
  3. The Hidden Gulag: Kyo-hwa-so prison-labor facilities (Abschnitt: Testimony Kyo-hwa-so No. 1 „Kaechon“) (Seite 44 - 49). The Committee for Human Rights in North Korea, abgerufen am 11. Januar 2011 (englisch).
  4. a b c Augenzeugenbericht: Der nordkoreanische Gulag, Süddeutsche Zeitung, 12. Juni 2009
  5. The Hidden Gulag: Kyo-hwa-so prison-labor facilities (Abschnitt: Testimony Kyo-hwa-so No. 1 „Kaechon“) (Seite 44 - 49). The Committee for Human Rights in North Korea, abgerufen am 11. Januar 2011 (englisch).
  6. United States Senate Hearings: Testimony of Ms. Soon Ok Lee, 21. Juni 2002. Justizausschuss des Senats der Vereinigten Staaten, abgerufen am 21. September 2011 (englisch).
  7. United States Senate Hearings: Testimony of Ms. Soon Ok Lee, 21. Juni 2002. Justizausschuss des Senats der Vereinigten Staaten, abgerufen am 21. September 2011 (englisch).
  8. Artikel „Augenzeugenbericht: Der nordkoreanische Gulag“, Süddeutsche Zeitung, 12. Juni 2009
  9. United States Senate Hearings: Testimony of Ms. Soon Ok Lee, 21. Juni 2002. Justizausschuss des Senats der Vereinigten Staaten, abgerufen am 21. September 2011 (englisch).
  10. The Hidden Gulag: Kyo-hwa-so prison-labor facilities (Abschnitt: Testimony Kyo-hwa-so No. 1 „Kaechon“) (Seite 44 - 49). The Committee for Human Rights in North Korea, abgerufen am 11. Januar 2011 (englisch).
39.708276125.923276

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