Ynés Yupanqui

Ynés Yupanqui

Ynés Yupanqui wurde als Quispe Çiça (* um 1520; † um 1570 in Ciudad de los Reyes, dem heutigen Lima) geboren und war eine Tochter des letzten unumstrittenen Inka-Königs Huayna Cápac. Sie wurde von Atahualpa, ihrem Halbbruder, als dieser in Gefangenschaft der Spanier saß, an Francisco Pizarro übergeben, um die Konquistadoren zu beschwichtigen. Doña Ynés Yupanqui, wie sie fortan genannt wurde, bekam zwei Kinder von Pizarro. Weil Pizarro sie nicht heiratete, wurde sie mit einem seiner Pagen vermählt, mit Francisco de Ampuero. Mit diesem lebte sie im frühen kolonialen Lima. Durch ihre Herkunft und Abstammung, sowie durch die Nähe zur spanischen Oberschicht wurde sie zur vielleicht bedeutendsten Frau des frühen Kolonialreiches in Peru.

Inhaltsverzeichnis

Vater und Mutter

Der Vater von Quispe Çiça war Huayna Capac. Der König hatte wie üblich mehrere Frauen, traditionellerweise eine Hauptfrau, die seine Schwester war. Die anderen Frauen waren meistens ebenfalls Verwandte oder wurden aus politischen Gründen ausgewählt, und Vertreterinnen des hohen Adels aus den Provinzen. Das traf auch auf Condorgaucho zu, die Tochter und Erbin des lokalen Machthabers der Provinz Huaylas und Mutter von Quispe Çiça. Mit all diesen Frauen hatte Huayna Capac um die 30 Kinder.

Als der Erbfolgekrieg zwischen Atahualpa und Huáscar ausbrach, verließ Condorgaucho das Gefolge des verstorbenen Königs Huayna Capacs, dessen Söhne sich um die Macht stritten und zog in ihre Heimatprovinz Huaylas zurück. Dort zog sie ihre Tochter auf und wurde zur Nachfolgerin ihres Vaters als Herrscherin über die Provinz, deren Bevölkerung etwa 60’000 Personen ausmachte. In Cusco wäre sie ohne großen Einfluss geblieben als eine unter vielen in der panaca, der Nachkommenschaft, des verstorbenen Königs. Von weiteren Unruhen im Rahmen des Erbfolgekriegs, aber auch aufgrund der spanischen Kolonisierungsbemühungen blieb sie weitgehend verschont, da sie aus geschickten taktischen Gründen sich bereits zu Beginn auf die Seiten der Neuankömmlinge stellte.

Die Übergabe an Francisco Pizarro

Francisco Pizarro

Francisco Pizarro stammt Trujillo in der Provinz Extremadura in Spanien. Sein Vater gehörte dem niedrigen Adel an, war also ein Hidalgo. Seine Mutter war jedoch eine Magd des Grundbesitzers, seine Eltern demnach nicht verheiratet, er war ein illegitimes Kind. Dennoch konnte er den Anspruch auf seine Zugehörigkeit zum Adel stellen. Während seiner ersten Jahre auf dem neuen Kontinent konnte er sich nach und nach in der Hierarchie der Eroberer herauf arbeiten und wurde zu einem innovativen und ehrgeizigen Konquistador. Letztlich wurde er mit Hilfe von Financiers und mit List zum Entdecker und Eroberer des Inka-Reiches. Von der Krone erhielt er das Recht, dieses Land als Gouverneur zu verwalten.

Atahualpa in Haft

Die Spanier hatten um 1532 den Sieger des Inka-internen Erbfolgekrieges, Atahualpa, in Gewahrsam. Aus seinem Arrest soll er weiterhin einige Regierungsgeschäfte getätigt haben. Um die Spanier zu beschwichtigen, versprach er diesen einerseits das legendäre Zimmer voll Gold, andererseits versuchte er sie an die einheimische Elite zu binden, indem er u.a. Pizarro seine Schwester Quispe Çiça zur Frau anbot. Zum Zeitpunkt der Übergabe war Quispe Çiça schätzungsweise 14-15 Jahre alt, während Pizarro 55 Jahre alt war. Mehr ist aber zu diesem Ereignis nicht bekannt.

Heiratserwartungen Quispe Çiças

Für eine Frau mit dem Status von Quispe Ciça war es bereits von Anfang an festgeschrieben, dass sie mit einem nahen Verwandten, oder zumindest aus politischen Überlegungen mit einem lokalen Machthaber verheiratet würde. Daher war die Tat ihres Bruders auch keine große Zäsur in ihrem Selbstverständnis.

Die Beziehung zu Francisco Pizarro

Kinder

Ynés bekam zwei Kinder von Pizarro, wobei über die Tochter Francisca einiges bekannt ist. Aus gewissen Zeugenaussagen aus dem Bekanntenkreis der Pizarros könnte man vermuten, dass der Vater stolz und erfreut über seine Tochter war. Interessant ist die Parallele zwischen der Beziehung der Eltern von Pizarro (ein Hidalgo und eine Magd, die nicht verheiratet waren) und seiner Beziehung zu Ynés, ebenfalls unverheiratet und ebenfalls mit großen kulturellen Differenzen.

Der Status als Geliebte

Ein Problem war sicherlich der Unterschied in der Heiratspolitik der beiden Kulturen. Die Vermählung mit Quispe Ciça hätte aus Sicht Atahualpas vermutlich eine versöhnende Rolle spielen sollen. Pizarro konnte sich aber nicht dazu überwinden, die Inka-Schwester zu heiraten und nahm sie daher als Geliebte zu sich auf. Fortan nannte sich Quispe Ciça Doña Ynés Yupanqui. Als Inka-Adlige konnte sie ihren Adelstitel behalten.

Der Besitz und die Encomiendas Pizarros

Da die spanische Krone veranlasst hatte, dass für die Kinder Huayna Capacs gesorgt werden müsse, wurde Quispe Ciça, und damit Pizarro mit einer Encomienda ausgestattet. Pizarro wählte sich zusätzlich noch eine persönliche encomienda, nämlich die Provinz Huaylas, in der Condorgaucho, die Mutter von Ynés, herrschte, und die den Spaniern loyal gegenüberstand. Dies illustriert auch, wie Spanier, welche Inka-Frauen zu Partnerinnen hatten, sich nicht nur die Befriedigung ihrer sexuellen Gelüste, sondern vor allem auch ein gewisses Prestige unter der einheimischen Bevölkerung, sowie Zugang zu verborgenen Reichtümern oder Landbesitzen erhofften. Aus dem Testament Pizarros kennt man ein wenig dessen Besitzverhältnisse. Es wird auch ersichtlich, dass er in einem riesigen Haushalt gelebt haben muss, denn zu seinem Gefolge gehörten neben der Dienerschaft auch Männer, die sich um die Geschäfte Pizarros kümmerten. Auch Ynés, die im selben Haushalt lebte, hatte ihre eigene Dienerschaft und pflegte eigene Kontakte, vor allem zu ihrer Mutter in der Provinz Huaylas.

Die Trennung

Ironischerweise verliebte sich Pizarro in eine andere Frau, bei der es sich ebenfalls um eine Inka-Prinzessin handelte, Angelina Cuxivimay Ocllo. Mit dieser heiratete er denn auch und stand vor dem Problem, was nun mit Ynés, die sehr jung war, geschehen sollte.

Die Beziehung zu Francisco de Ampuero

Francisco de Ampuero

Wie Pizarro auch, stammte auch Francisco de Ampuero aus der Schicht der Hidalgos und ging nach Amerika u.a. daher, weil der Hauptteil des Familienerbes an seinen Bruder ging. Er war etwa im selben Alter wie Ynes, also etwa 16 und wurde zunächst Page im Haus von Francisco Pizarro, was einem normalen Schritt im Leben eines jungen Edelmannes war. Da de Ampuero mit einem königlichen Gnadenerlass ins neu gegründete Lima kam, eignete er sich gut, um das Problem mit Ynes Yupanqui zu lösen.

Die Verheiratung

So verheiratete Pizarro die beiden, was für Ynés einen erheblichen gesellschaftlichen Abstieg bedeuten musste, während es für de Ampuero ein enormer Prestigegewinn war. Von Pizarro bekam Ynés eine Mitgift, über die sie frei verfügen konnte, ohne dass ihr neuer Mann ihr dabei etwas absprechen konnte. Durch die Heirat wurde Ynés zunächst von ihren Kindern getrennt, wobei sie vermutlich den Kontakt zu ihrer Tochter Francisca Pizarro nicht verlor.

Der Haushalt und der Aufstieg de Ampueros

Ynés hatte noch immer ihren eigenen Bedienstetenstab, während Francisco de Ampuero versuchte Reichtum anzuhäufen, indem er seine Encomienda nahe Lima verwaltete, die immerhin aus etwa 40 Dörfern mit etwa 8000 Menschen bestand, und die unter anderem Arbeitskräfte auch für den Bau des Stadthauses zur Verfügung zu stellen hatte. Auch sonst war de Ampuero sehr ehrgeizig und geschäftstüchtig, er war auch 35 Jahre lang im Stadtrat engagiert und gehörte unumstritten zur kolonialen Führungsschicht. Vielleicht kommt dieser Aufstieg auch daher, weil er im Ansehen weit hinter seiner Frau zurückblieb und dies auszugleichen versuchte.

Kampf um die Provinz Huaylas

Allgemein gelten Gerichtsakten und Zeugenbefragungen als die ausgiebigsten Quellen für die frühkoloniale Zeit. Ynés selbst wurde oft über die Zugehörigkeit und über Verdienste von adligen Inka-Angehörigen befragt. Ein besonders lange dauernder Gerichtsfall war der Streit um die Encomienda Huaylas, die Francisco Pizarro in seinem Testament seiner Tochter Francisca vermachte, die ja die Enkelin von Condorgaucho war. De Ampuero kämpfte dafür, dass Hualays statt an Francisca an seine Frau Ynés überschrieben wurde. Er forderte auch Ersatz und einen Anteil am Erbe von Huayna Capac. Nichts davon wurde ihm oder seiner Frau zugesprochen.

Ehestreit

Aus den Gerichtsakten geht zudem hervor, dass es im Hause de Ampuero zu nicht unerheblichen Streitereien zwischen den Partnern gekommen ist. Ynés hatte sich demnach an eine Magierin gewendet und von dieser verlangt, dass sie ihr Mann nicht mehr schlecht behandeln soll und nicht mehr streiten soll. Ob Gewalt im Spiel war wird nicht explizit erwähnt, wird aber als wahrscheinlich angesehen. Sie sagte dabei, er habe ihr ein schlechtes Leben bereitet und wolle nicht, dass sie irgendwo hingehe. Danach versuchte sie ihren Mann mittels der Magierin zu vergiften. Ein Zeichen des Unmutes auf beiden Seiten ist auch die Tatsache, dass de Ampuero in seinem Testament Ynés für unfähig erklärt, ihre Kinder zu erziehen, was etwas mit ihrer Vorstellung von Freiraum zu tun haben könnte, dies ist allerdings reine Spekulation. Auf einer Reise nach Spanien begleitete De Ampuero die beiden Töchter von Ynés, also Francisca und Ysabel, die danach in Spanien blieben und ihre Mutter nie wieder sahen.

Streit um die Mitgift

Als weiterer Höhepunkt des Streites muss der unrechtmässige Verkauf von Ynés’ Mitgift genannt werden. Mit Hilfe ihrer Söhne hat sich Ynés vor Gericht auch erfolgreich dagegen gewehrt, denn sie hatte das alleinige Verfügungsrecht über diesen Besitz. Doch nichtsdestotrotz verkaufte Francisco ihre Güter weiter und ignorierte Gesetz und Gericht, indem er argumentierte, dass er mit dem Erlös den Haushalt finanziere. In diesem Streit erhielt Ynés zunehmend Unterstützung von ihrem Sohn und ihren Schwiegerverwandten. Zu dieser Zeit, ca. 1564, war sie etwa 40 Jahre alt. Danach ist nicht mehr über sie bekannt, außer dass ihr Mann, der sie ein wenig überlebte, neben ihr bestattet wurde.

Ynés im Schmelztiegel Kulturen

Kontakt mit Verwandten

Anscheinend konnten sich zur Zeit der Inkas die adligen Frauen relativ frei bewegen und eigene gesellschaftliche Kontakte pflegen, beispielsweise mit Familienangehörigen. Trotz der Polygamie herrschten also keine Harem-artigen Verhältnisse. Die formellen Anlässe wurden von Männern und Frauen gemeinsam, aber auch getrennt durchgeführt. Solche Aussagen sind jedoch mit Vorsicht zu genießen, da über die Inka Zeit selbst lediglich Vermutungen angestellt werden können. Aus verschiedenen Zeugenaussagen ist ableitbar, dass Ynés Yupanqui regen Kontakt mit Verwandten und Bekannten aus dem Inka-Adel pflegte und diese in ihrem Haus beherbergte, wenn sie bspw. aus Cusco kamen und in Lima etwas zu erledigen hatten. Auch der letzte unabhängige Inka-Chef Sayri-Tupac wohnte wahrscheinlich bei ihr, als er zu Friedensverhandlungen nach Lima kam. Gemäß spanischem Ideal gingen vornehme Frauen zu Messen, hielten sich sonst aber immer in den eigenen Vier Wänden auf.

Gerücht um eine Konkurrentin

Doña Ynés war die rangmäßig höchste Frau Limas, was mit einem erheblichen Ansehen einher ging. Es gibt eine Episode, die in mehreren Quellen erfasst ist, die besagt, dass eines Tages, als eine Schwester von Ynés nach Lima kam, die angeblich die Tochter Huayna Capacs mit dessen Hauptfrau war, diese nun höher im Rang stand als Ynés. Diese wohnte im Haus von Pizarro und wurde anscheinend ermordet. Die Zeitgenossen tratschen über solche Geschehnisse und es gab Stimmen, die den Mord Ynés Yupanqui zuschrieben.

Vermutungen über die Lebensweise Doña Ynés'

Kerstin Nowack versucht die spanisch-indianische Mischkultur nachzuvollziehen. Vermutlich redete Doña Ynés mit ihrer Dienerschaft Quetchua und eventuell auch mit ihren Kindern, die ja allesamt Mestizen waren. Nowack vermutet auch, dass sie separat mit lokalen Zutaten bekocht wurde, während die Spanier schon bald ihre gewohnte europäische Speisekarte einführten. Auch die Kleidung der noblen Damen indianischer Abstammung war dem Inka-Schnitt nachempfunden, allerdings setzten sich bald die angenehmen Stoffe Samt und Seide durch.

Ynés ist nicht repräsentativ

Die Geschichte um Quispe Ciça – Doña Ynés Yupanqui de Ampuero ist sicher nicht stellvertretend für das Schicksal indigener Frauen während der Kolonisation Perus zu betrachten, ja nicht einmal stellvertretend für jenes der adligen Frauen. Aber sie ist vergleichsweise gut dokumentiert und es gibt daher keinen Grund, dass sie nicht erforscht werden sollte. Sie gibt zudem einen Einblick in verschiedenste Facetten der frühen Kolonisierung und vor allem der Geschichte Limas.

Literatur

  • Kerstin Nowack: Lebensformen im Umbruch. Ynés Yupangui zwischen Inkareich und spanischer Kolonialherrschaft in Peru. Shaker, Aachen 2007, ISBN 978-3-8322-5805-4, (Bonner Amerikanistische Studien 43).

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