Kolonialismus

Kolonialismus
Deutscher Kolonialherr in Togo (ca. 1885), damals deutsche Kolonie, nach dem Ersten Weltkrieg französisches Mandatsgebiet.

Als Kolonialismus bezeichnet man eine Herrschaftsbeziehung zwischen Kollektiven, in der die zentralen Entscheidungen über das Leben der Kolonisierten durch eine kulturell verschiedene und nicht anpassungswillige Minderheit von Kolonialherren unter hauptsächlicher Bezugnahme auf deren Interessen beschlossen werden. In der Neuzeit kommen noch sendungsideologische Rechtfertigungsdoktrinen seitens der Kolonialherren hinzu, die von ihrer eigenen kulturellen Höherwertigkeit überzeugt sind.[1]

Als Kolonialzeit bezeichnet man heutzutage gemeinhin die Epoche des neuzeitlichen Kolonialismus, der mit dem Übergreifen von Portugal und Kastilien/Spanien auf Afrika und Südamerika gegen Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts einsetzte und bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahre 1945 andauerte, obwohl es zu allen Zeiten Kolonialzeiten gab (vgl. die römische Kolonialzeit, arabische Kolonialzeit etc.). Eine Zuspitzung erfuhr die Ideologie und Praxis des Kolonialismus durch den Imperialismus.

Der Begriff ist zu unterscheiden von der Kolonisation, einem Phänomen, das sich, genau so wie der Kolonialismus, in allen Weltgegenden in verschiedenen Zeiträumen nachweisen lässt, von den Hethitern über die Inkas bis zu den Briten.

Inhaltsverzeichnis

Begriffserklärung

Nach dem Afrikahistoriker Philip Curtin ist Kolonialismus die „Beherrschung durch ein Volk aus einer anderen Kultur.“[2] Allerdings wird nicht jede Fremdherrschaft als illegitim aufgefasst. So wurde die osmanische Herrschaft über Ägypten zwischen 1517 und 1798 durchaus von großen Teilen der einheimischen, arabischsprechenden Bevölkerung anerkannt. Die Fremdheit der Sprache war weniger entscheidend, als der gemeinsame Glaube und der damit einhergehenden Verbindlichkeit islamischer Regeln von gerechter Regierung[3] Der koptischen Urbevölkerung konnte es einerlei sein, welche fremde Macht über sie herrscht – für sie waren die ursprünglichen Mamluken-Herrscher genau so illegitim, wie die Osmanen.</ref> Daher muss man den beiden Elementen der Herrschaft und der kulturellen Fremdheit noch weitere hinzufügen um die Eigenart des modernen, neuzeitlichen Kolonialismus klar darzustellen.

Elemente

Es handelt sich nicht um ein herkömmliches Herr-Knecht-Verhältnis, sondern die Kolonialherren beraubten die ganze Gesellschaft einer eigenständigen Entwicklung. Diese wurde nun fremdgesteuert auf die primär wirtschaftlichen Interessen der neuen Herrscher hin umgepolt.

Ein weiteres Charakeristikum bildet der weltgeschichtlich seltene Wille der kolonialen Herrscher, sich auch auf die unterworfenen Gesellschaften zuzubewegen. Man erwartete von den Beherrschten eine fast totale Akkulturation an die Normen und Gebräuche Europas. Im 19. Jahrhundert wurde diese einseitigen Anpassungsforderungen durch die angeblich unüberwindliche rassische und kulturelle Höherwertigkeit der weißen Rasse gerechtfertigt. Somit kam es durch die europäische Expansion nie zu einer Kultursynthese, wie sie etwa die griechische Kolonisation im Hellenismus vollbrachte.

Man sprach auch von the white man’s burden, den kulturell „zurückgebliebenen“ Völkern die „Zivilisation“ zu bringen. Dies beinhaltet neben der Überzeugung von der eigenen Überlegenheit noch zusätzlich das Sendungsbedürfnis diese anderen auch durch aggressiv-expansionistisches Vorgehen aufzuzwingen. Das ereignete sich seit dem 19. Jahrhundert in der vor allem von Preußen aus geführten Diskussion um die Notwendigkeit von Grenzkolonisation gegenüber den benachbarten Slawen, in der dann über Österreich auch der Südosten bis ans Schwarze Meer in ein „großdeutsches“ Blickfeld geriet (siehe dazu Deutscher Grenzkolonialismus). Bereits die frühesten spanischen und englischen Kolonialtheoretiker stilisierten die Eroberungen zu einer Heiden-Missionierung im Rahmen eines göttlichen Heilsplans oder der „Zivilisierung“ der „Barbaren“. Auch der spätere US-amerikanische und japanische Kolonialismus bedienten sich solcher sendungsideologischen Rhetorik. Andere traditionale Kulturen, wie z. B. auch die chinesische Hochkultur, waren selbstverständlich auch von ihrer Höherwertigkeit überzeugt, gingen aber nicht dazu über, sie ihren Nachbarn aufzuzwängen.

Unterscheidung zum Imperialismus

Mit Imperialismus bezeichnet man alle Aktivitäten, die dem Aufbau transkontinentaler Imperien dienen sollen. Dazu gehört neben der erklärten Absicht auch die Macht die eigenen Nationalinteressen immer wieder imperial zu bestimmen und im internationalen System immer wieder zur Geltung zu bringen. Dabei geht er über Kolonialpolitik durch seine Betonung als Weltpolitik hinaus, in der Kolonien nicht nur Zweck an sich sind, sondern auch austauschbare Machtressourcen im globalen Machtkampf.

Darüber hinaus haben imperiale Mächte (wie z. B. das britische Empire des 19. und 20. Jahrhunderts) einen wirtschaftlichen und politischen Einfluss weit über ihre direkten Kolonien hinaus gehabt. Dies erwies sich zum Teil als effektivere Beherrschungsmethode und für die wirtschaftlichen Folgen des peripheren Staates spielte der offizielle Status ohnehin keine Rolle.

Da Imperialismus die Fähigkeit zur globalen Interessenwahrnehmung und Erschließung großer Wirtschaftsräume beinhaltet, kann man nur unter Vorbehalt von z. B. einem „spanischen Imperialismus“ sprechen. In der Neuzeit sind nur Großbritannien und die USA überhaupt je voll entwickelte Imperialmächte gewesen (wenn auch die USA ohne Kolonialimperium). Frankreich, das Deutsche Reich, Russland und Japan waren entweder nicht über längere Zeit weltweit präsent oder wirtschaftlich zu schwach für die Durchdringung entfernter Märkte (die Sowjetunion).

Triebkräfte und Voraussetzungen der Entdeckungsfahrten

Schaut man zunächst oberflächlich auf die Jahreszahlen der wichtigsten Entdeckungsfahrten, so scheint die koloniale Phase, beginnend mit der spanischen, feudalen Kolonisation Amerikas ab 1520, fast ohne Vorlauf angefangen zu haben. Bartolomeu Dias eröffnete mit der Umsegelung des Kaps der guten Hoffnung 1488 den Weg in den Indischen Ozean, was Vasco da Gama ermöglichte, 1498 Indien per Schiff zu erreichen. Von ihrem indischen Stützpunkt Goa aus gelang es den Portugiesen 1509 Malakka zu erreichen und unter Afonso de Albuquerque 1511 zu erobern. Die Atlantiküberquerung durch Kolumbus 1492 führte zur Entdeckung Amerikas.

Tatsächlich waren eine Reihe wissenschaftlich-technischer Errungenschaften und bestimmte sozioökonomische Umstände dafür verantwortlich, dass die weltgeschichtlich außerordentlich bedeutsame Expansion europäischer Mächte gerade zu dieser Zeit begann. Monokausale Erklärungen, die nur auf einen Tatbestand wie die Erschwerung des Orienthandels durch die islamischen Eroberungen (Konstantinopel 1453) oder die langsam beginnende Herausbildung einer kapitalistischen Wirtschaftsweise (erste volle Entfaltung im England des 17./18. Jahrhunderts) abheben, vernachlässigen häufig die große Vielfalt an Voraussetzungen, die für den spezifischen Ablauf der europäischen Expansion verantwortlich sind.

Über die Bedeutung dieser in der Menschheitsgeschichte einmaligen, weltweiten transozeanischen Expansion waren sich bereits die Zeitgenossen bewusst. Das amerikanische Gold und Silber stärkte die Staatsgewalten in Europa gegenüber den konkurrierenden adligen Lokalmächten, die im Mittelalter die spätere Souveränität der Staaten bzw. der Könige verhinderten. Selbst die spätere industrielle Revolution in England ist maßgeblich durch die wirtschaftlichen Folgen der Expansion vorangetrieben worden. So brachten vor allem die westindischen Zuckerpflanzer und die Liverpooler Sklavenhändler die Geldmittel auf, die zum Ausbau der englischen Industrie benötigt wurden. So urteilte denn auch Adam Smith in seinen Werk „Wealth of Nations“ von 1776:

„Die Entdeckung Amerikas und die Fahrt nach Ostindien um das Kap der guten Hoffnung sind zwei der größten und bedeutendsten Ereignisse, von denen die Menschheitsgeschichte zu berichten weiß.“

Wissenschaftliche und technische Vorbedingungen

Die Idee der Weltentdeckung entstand bereits in der Antike. Und schon die Pythagoreer in Unteritalien erkannten die Kugelgestalt der Erde, was sich schnell in der griechischen Antike ausbreitete. Bereits im Altertum hatte sich damit die Vorstellung gebildet, dass man durch eine Westfahrt über den Atlantik, Asien erreichen könne. Trotz unterschiedlicher Entfernungsvorstellungen, hatte Eratosthenes (um 200 v. Chr.) den tatsächlichen Erdumfang ziemlich genau berechnet. Allerdings war im europäischen Mittelalter vor allem das astronomische Lehrbuch des Ptolemäus bekannt (Almagest), das einen viel zu niedrigen Wert angab. Kolumbus fühlte sich dadurch ermutigt, den scheinbar nicht allzu weiten Weg bis nach Asien meistern zu können. Des Weiteren hatte die mittelalterliche Vorstellung von der Unwirtlichkeit der Regionen im fernen Norden und Süden, auch gestützt auf die Autorität des Aristoteles, von Expeditionen in diese Erdteile abgehalten. Erst die Entdeckungsfahrten der portugiesischen Seefahrer entlang der afrikanischen Atlantikküste im 15. Jahrhundert, ließen zunehmend Zweifel an diesem vorherrschenden Meinungsbild aufkommen. Besonders die Expeditionen Heinrich des Seefahrers zur Suche nach direkten Wegen zu den afrikanischen Goldvorräten und Sklaven, unter Umgehung der muslimischen Händler Nordafrikas, und die in der Renaissance sinkende Autorität des Aristoteles, beendeten die europäischen Hemmungen endgültig.

Die bereits im Altertum entwickelte Kartografie reichte für die Orientierung über größere Entfernungen jedoch noch nicht aus. Erst mit den Karten von Gerhard Mercator um 1569 wurde das Problem der Projektion der Kugelfläche auf Plankarten zufriedenstellend gelöst. Das Kartenmaterial zuvor wich so erheblich von der Wirklichkeit ab, dass ihr Gebrauch sehr fragwürdig war. Dennoch hatte die Fortentwicklung der Kartographie, bereits vor ihrer Nützlichkeit für größere Dimensionen, wesentliche Anregungen für die Entdeckungsfahrten gegeben.

Persisches Astrolabium aus dem 18. Jahrhundert

Im 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts waren für die Hochseeschifffahrt die astronomischen Kenntnisse zur Standortbestimmung, auch ohne Küstensicht, viel wichtiger als ihr Kartenmaterial. Als „himmlischer Wegweiser“ dienten Sternenkataloge, wie sie bereits die Astronomen Alexandrias entworfen hatten. Die Beobachtung per Auge war aber zu ungenau, und so bedurfte es der Entwicklung spezieller Instrumente zur exakteren Standortbestimmung. Während das frühe Mittelalter gegenüber der Antike einen deutlichen Rückfall in die Unwissenheit bedeutet hatte (die Kirchenväter bekämpften beispielsweise die Vorstellung der Kugelgestalt der Erde aufs Heftigste), wurde das griechische Erbe in der arabischen Kulturwelt aufbewahrt. Durch den Kontakt mit den Arabern, besonders über Spanien (Kalifat von Córdoba, später Taifa-Königreiche), gelangte dieses Wissen schließlich wieder nach Europa. Aber auch persische und indische Erkenntnisse, sowie auf dem Gebiete der Astronomie auch erhebliche Eigenleistungen der arabischen Welt, gelangten so zu Beginn der Neuzeit nach Europa. So ermöglichten die Toledaner Tafeln des spanisch-arabischen Astronomen Al-Zarqali aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts, die genaue Bestimmung der täglichen Stellung der Himmelskörper (Fixsterne), die zusammen mit der Messung der Sonnenhöhe und der bekannten Sonnendeklination des betreffenden Tages, die rechnerische Ermittlung des Breitengrades ermöglichten. Portugiesische Seefahrer des 15. Jahrhunderts nutzten diese astronomische Nautik und auch Kolumbus war sie zumindest bekannt.

Besonders die Instrumentenverbesserung des Astrolabiums und des Quadranten zur Messung der Gestirnshöhe, und die Erfindung des Jakobstabes zur Winkelmessung, wurden von den Arabern übernommen und von europäischen Gelehrten weiterentwickelt. Auch verbesserte astronomische Almanache, wie die Alfonsinischen Tafeln (um 1259), der Almanach Perpetum (um 1475) und die Ephemeriden (1475), waren wesentliche Beiträge der abendländischen Denker. Auch der Kompass, von China übernommen und dort schon um 1080 in Verwendung, wurde um 1200 in Europa bekannt und verbessert, und war hier bereits spätestens um 1270 in Gebrauch. Auch die Abweichung des magnetischen Nordpols vom tatsächlichen war wahrscheinlich schon vor der Entdeckung Amerikas bekannt.

Karavelle Espirito Santo Brazil

Die wichtigste technische Entwicklung waren aber hochseetaugliche Schiffe. Während die Galeere der Mittelmeervölker für längere Ozeanfahrten untauglich war, wurde das für die raue See durchaus geeignete, schlanke und leichte Wikingerboot, zu Beginn des 13. Jahrhunderts von der mächtigen und schweren, im Ostseeraum entwickelten, Kogge verdrängt. Durch baskische Piraten in Norditalien bekannt gemacht, wurde die Kogge dort um 1400 zu einem größeren Rundschiff fortentwickelt und löste das "Mittelmeerschiff" Galeere ab. Im 15. Jahrhundert entstand im Atlantikraum, besonders an den Küsten Portugals und Kastiliens, ein kleines, längliches Schiff mit 50 bis 100 Tonnen: die Karavelle. Diese war aufgrund ihrer verschiedenen Mastgrößen für starke wie schwache Winde geeignet. Und durch das von der Kogge übernommene Ruder (Pinne), viel stärker in Gewalt des Steuermanns als vorherige Schiffe. B. Gille spricht angesichts dieser spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Entwicklungen im Schiffbau, von einem zweifellos bereits damals existierendem "technischen Kosmopolitismus".

Sozio-ökonomische Motive

Bis zum 11. Jahrhundert beherrschten Byzantiner und Sarazenen das Mittelmeer. Die Bekämpfung der Sarazenengefahr, die ausgiebig Seeräuberei betrieben, durch Pisa und Genua, beendete deren Vorherrschaft. Später übten sich die Italiener selber in Seeräuberei, besonders an den Küsten Kleinasiens. Es wurden häufig Kapergesellschaften zur Finanzierung solcher Unternehmungen gegründet und oft konnte gar nicht zwischen Handelsmissionen und Piraterie getrennt werden. Auch für die Bewohner Andalusiens bildete die Kaperei maurischer Schiffe und die Landung an afrikanischen Küsten, bei denen man raubte und Gefangene zu Sklaven machte, ein einträgliches Geschäft. Durch die Zurückdrängung arabisch-syrischer Händler im Rahmen der Kreuzzüge, konnten nun auch die italienischen Stadtstaaten mit der Levante und dem Orient unmittelbar Handel treiben. Besonders das europäische Bevölkerungswachstum seit etwa 1000 (Höchststand um 1300, vor der Krise des 14. Jahrhunderts) kurbelte diesen Fernhandel an.

Der Zugang zu den in ganz Europa begehrten Luxusgütern des Orients (Teppiche, Gewürze, Farbstoffe, u.a.) konnte nur über arabische Zwischenhändler erfolgen. So kontrollierte Ägypten den Handel mit arabischen und indischen Gütern. Zwar waren europäische Händler willkommen, aber die Weiterreise für Fremde über Kairo hinaus war verboten. Die sogenannte "lateinische" Handelsstraße oder auch "Mongolenweg", die diese „muslimische Blockade“ umging, war seit dem Ende des 14. Jahrhunderts versperrt. Bereits durch den Zusammenbruch des riesigen, von Dschingis-Khan begründeten, mongolischen Reiches, insbesondere durch die Eroberungen Timur Lenks, und die nationale Revolution der Ming-Dynastie in China, verschlossen diese Handelsstraße für italienische Kaufmannskarawanen. Das Vordringen der Osmanen im 15. Jahrhundert erschwerte den Asienhandel der Italiener zusätzlich. Der Orient war für Europa damit verschlossen.

Sklavenhandel

Darstellung eines Sklavenschiffs (19. Jahrhundert)

Dafür bot sich den Italienern in der Levante mit dem Sklavenhandel ein sehr einträgliches Geschäft. Da sich seit dem hohen Mittelalter die Vorstellung durchsetzte, dass Christen nicht zu Sklaven gemacht werden dürften und die Christianisierung immer weiter voranschritt, waren Sklaven bald eine sehr knappe „Ware“ in Europa. Der Sklavenhandel mit der Levante lässt diesen ab dem 13. Jahrhundert wieder aufleben. Zunächst lieferten die muslimischen Händler diese vor allem von der Krim, ab dem 15. Jahrhundert besonders aus dem Balkan, wo die Osmanen Christen als Kriegsgefangene verschleppten und an europäische, v.a. italienische Händler verkauften. Katalanische Sklavenhändler verschleppten hingegen ihre Opfer meist aus Kleinasien. Die Eroberung Konstantinopels 1453 durch die Osmanen führte dann aber zum Rückgang der Sklavenlieferungen aus der Levante und hatte Preissteigerungen in Italien zur Folge. Europa orientierte sich dann um auf Sklaven aus Schwarzafrika, zunächst von muslimischen Handelskarawanen an die nordafrikanische Küste gebracht, später dann durch atlantische Entdeckungsfahrten direkt aus dem tropischen Afrika „importiert“.

Nun waren allerdings nicht mehr die norditalienischen Städte führend im Sklavenhandel, sondern spanische, besonders katalanische und andalusische Küstenorte. Die Königreiche Kastilien und Aragon hatten schon Gefangene der Reconquista als Sklaven behandelt, und Raubzüge ins Maurenreich Granada waren schon vor dem 15. Jahrhundert üblich. Auch hatte man dort von Beginn an die Finanzierung der Kolonisation auch durch Sklavenhandel bewerkstelligt, da das Königshaus nicht genug Geld für diese hatte und anfangs wenig Reichtümer aus den Kolonien zu holen waren. Den durchführenden Unternehmern wurde oft etwa ein Fünftel der Einnahmen zugesichert, weshalb diese an solchen schnellen Gewinnmöglichkeiten großes Interesse hatten. Gerechtfertigt wurde dies allgemein mit der angeblich beabsichtigten Missionierung der Verschleppten. So bot beispielsweise auch Kolumbus an, Spanien so viele Sklaven zu schicken wie es wünsche, um die Kosten seiner Entdeckungsfahrt wieder einzuspielen. Doch schon 1500 wurde durch Spanien der Transport von Sklaven nach Europa untersagt, und 1542 die Versklavung von amerikanischen Ureinwohnern überhaupt verboten. Dies war allerdings bereits eine Folge der, durch Brutalität, aber auch Krankheiten und besonders die den Indios auferlegten unerbittlichen Arbeitsbedingungen der Europäer, stark dezimierten amerikanischen Urbevölkerung. Diese konnte damit nicht mehr genügend Arbeitskräfte für den sich entwickelnden Gold- und Silberminenabbau und die Plantagenwirtschaft stellen. Daher wurden nun viele Schwarzafrikaner als Sklaven nach Amerika verbracht, die in den Bergwerken und Plantagen für die amerikanische Urbevölkerung „einspringen“ mussten.

Goldhandel

Ferner spielte auch die Suche nach einem direkten Zugang zu dem sagenumwobenen Goldland in Afrika eine Rolle bei den ersten portugiesischen Erkundungsfahrten entlang der westafrikanischen Küste. Wie der Sklavenhandel auch, war dieser zuvor in den Händen muslimischer Händler, die das Gold per Karawane nach den Küsten Nordafrikas brachten und so auch den europäischen Bedarf bedienten. 1456 stellen die Portugiesen eine erste Handelsverbindung zu den afrikanischen Goldzonen her. Ab 1475 wird dieses dann in großen Mengen über Guinea per Tauschhandel mit Schwarzafrika, ohne Umweg über muslimische Händler, per Schiff nach Portugal verbracht. Wegen des teuren Ankaufs von Luxusartikeln des Orients und kostspieligen europäischen Kriegen kommt es dennoch insgesamt auch weiterhin zu Nettogoldabflüsse aus Europa.

Gewürze und Farbstoffe

Cochenillenschildläuse

Neben den beiden wichtigsten Handelswaren Gold und Sklaven trieben auch die europäische Nachfrage nach Gewürzen und Farbstoffen die Entdeckung Afrikas voran. So konnten von der bis 1470 gänzlich erkundeten "Pfefferküste" Paradieskörner (Malagettapfeffer), als Ersatz für den viel teureren, echten Pfeffer aus dem Orient, bezogen werden. Nachdem die portugiesischen Expeditionen Indien erreicht hatten und somit die Möglichkeiten zu günstigerem Import von echtem Pfeffer ausbauten, verlor der Handel mit den Paradieskörnern an Bedeutung. Zum Färben der Textilien dienten Indigo und Brasilholz (über islamische Zwischenhändler aus dem Orient bezogen), und die neuen Farbstoffe Drachenblut, Koschenille, Orseille (von den Atlantikinseln). Dadurch kam es auch im Gewürz- und Farbstoffhandel zu einer deutlichen Marktverlagerung aus dem östlichen Mittelmeer gen Westen.

Getreide und Zuckerrohr

Zuckerrohrplantage auf Madeira

Im 15. Jahrhundert wird die kleinbäuerliche europäische Binnenkolonisation des Mittelalters langsam von der kommerziellen überseeischen Siedlungsexpansion abgelöst. Die Viehzucht boomte in Spanien nach der Reconquista, aber der Ackerbau stagnierte. Bei gleichzeitigem Bevölkerungswachstum bedeutete dies zunehmenden Mangel an Brotgetreide. So war Portugal beispielsweise abhängig von Getreidelieferungen aus Marokko. Nach der Kolonisation von Madeira und den Azoren, dienten diese zunächst als Weizen- und Gerstenlieferanten. Ab etwa 1460 folgte aber die Verdrängung durch den weitaus lukrativeren Zuckerrohranbau. Später führte man diesen auch auf den kanarischen Inseln ein, die daher auch "Zuckerinseln" genannt werden.

Sozio-ökonomische Ausgangslage bei Beginn der europäischen Expansion

Die Kapitalbeschaffung für die kostspieligen Entdeckungsfahrten war erst durch Fortschritte im Geld- und Kreditwesen möglich geworden. Die Entstehungen der ersten Banken in norditalienischen Stadtstaaten vereinfachte die Zusammenführung größerer Geldmengen für die teuren überseeischen Unternehmungen. Da aber die Gewinnaussichten sehr vage waren, übernahm häufig der Staat die Kosten der Seeexpeditionen, um das hohe Risiko zu mindern. Die privaten Unternehmen beteiligten sich meist nur an der Befrachtung der Schiffe mit Lebensmitteln und Tauschwaren und erhielten dafür einen festgelegten Teil des Gewinns aus den Eroberungsfahrten.

Die Krise des 14. Jahrhunderts (Pest, Stadtflucht, und dadurch auch eine Agrarkrise) war auch eine Krise des Adels. Dieser hatte sich, in Folge des allmählichen Niedergangs der feudalen Strukturen, auf Luxusgüter als Zeichen standesgemäßer Lebensführung zum Statuserhalt konzentriert. Durch die anarchischen Zustände im Rahmen der Reconquista konnten sich die Adligen besonders in Kastilien vom spanischen König große Landschenkungen sichern. Auch die regelmäßigen Einfälle ins (noch) verbliebene Maurenland der iberischen Halbinsel waren zu wichtigen Einnahmequellen für diesen geworden. Der Adel beteiligte sich zunehmend auch an wirtschaftlichen Unternehmungen wie dem Thunfischhandel (der ebenso wichtig für die Ernährung und den Handel war, wie die Salzheringe im Norden Europas) und baute dazu eigene Flotten auf. An der Entdeckung der Goldküste Guineas waren daher auch Schiffe des Adels von Anfang an beteiligt. Und auch die Besiedlung der atlantischen Inseln wurde von den großen Vasallen des spanischen Königs begonnen, erst später folgte die Krone selbst.

Dabei schwang von Beginn an, neben den ökonomischen Interessen, auch die christliche Missionsidee bei vielen Beteiligten mit. Die Vorstellung einer „Eroberung im Dienste Gottes“ spielte sowohl in den Kreuzzügen, wie auch in der iberischen Reconquista eine große Rolle. Allerdings hatte die Reconquista schon vor den Kreuzzügen im 8. Jahrhundert begonnen zur Rückeroberung der iberischen Halbinsel von den Mauren. Nachdem diese mit der Eroberung der Algarve 1250 für Portugal, und mit der Eroberung Granadas 1492 für Spanien, abgeschlossen war, entfielen die für den iberischen Adel sehr einträglichen Raubzüge in das Maurenreich. Für diese ständig fortwährenden gegenseitigen militärischen Einfälle (Spanien-Maurenreich) entstanden feste Formen und es bildete sich ein Geschlecht von Kriegern und Abenteurern aus, die "das Genießen des Augenblicks mehr schätzten, als ökonomische Arbeit auf lange Sicht."[4] Auch deshalb hat gerade das andalusische Spanien die zahlreichsten Konquistadoren gestellt, die in den Indianerkriegen in Amerika ihre alten Lebensgewohnheiten weiter pflegen konnten.

Legitimationsversuche

Die koloniale Unterwerfung fremder Gebiete wurde dabei unterschiedlich begründet und legitimiert. So kam als weiteres Motiv der Kolonienbildung später noch hinzu, dass die zunehmende Überbevölkerung Europas, die politische Unterdrückung und die religiöse Verfolgung viele Menschen zur Auswanderung und zur Gründung von Siedlungskolonien veranlasste (wie in Nordamerika). Damit ergaben sich dann auch strategische Gründe, um die bereits bestehenden Besitzungen und die Verkehrsrouten zu ihnen durch Militär- und Handelsstützpunkte abzusichern.

Sklaventransport in Afrika

Nach katholischer Ansicht ist der Papst der Stellvertreter Christi. In dieser Funktion waren Päpste der Meinung, über neu entdeckte Länder verfügen zu können. Als 1455 mit der päpstlichen Bulle Romanus Pontifex den Portugiesen das Patronat für die Missionierung Asiens zugesprochen wurde, erhielten diese auch das Recht, Länder zu erobern sowie Heiden zu versklaven und ihren Besitz zu nehmen.[5] 1493 wurden den Spaniern mit Inter caetera die Rechte an neuen Ländern in Amerika „geschenkt“, denen sie den katholischen Glauben bringen sollten.[6]

Die missionarischen Absichten, das Christentum über die ganze Welt zu tragen, wurden später überlagert von dem vordergründig zivilisatorischen Motiv, die für "zurückgeblieben" und "wild" gehaltenen Völker an den Segnungen der europäischen Kultur teilhaben zu lassen. Von Rudyard Kipling, dem britischen Literaturnobelpreisträger und Autor des Dschungelbuchs, wurde dafür der Begriff the white man’s burden geprägt. Als Rechtfertigung für die Inbesitznahme wurde die Ideologie des Sozialdarwinismus in Verbindung mit der wissenschaftlich inzwischen widerlegten Theorie menschlicher Rassen konstruiert.

Im Fall von Australien und Teilen Amerikas wurde das Land als unbesiedelt deklariert, weil es keine Staaten gab. In anderen Gegenden wurden Staaten militärisch unterworfen, oder über Handelsbeziehungen und Diplomatie vereinnahmt. Siedler der jeweiligen Kolonialmacht nutzen die beschlagnahmte Region und genossen höhere Rechte als die Einheimischen.

In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts schlug dann auch noch das nationalistische Expansionsdenken in imperialistische Rivalität um. Dies führte zu einem Wettlauf um die Eroberung und Beherrschung auch noch der letzten Weltgegenden, die als Verhandlungsmasse im Machtpoker der europäischen Großmächte und als Symbol nationaler Größe zu dienen hatten.

Mehrere dieser Beweggründe wirkten im Verlauf der Kolonialgeschichte häufig zusammen. In der kolonialpolitischen Praxis der europäischen Staaten ging es hingegen hauptsächlich um die Ausbeutung fremder Ressourcen für den eigenen Wohlstand und die Erlangung oder Verteidigung einer vorteilhaften geostrategischen Machtposition. Die Erschließung und Inbesitznahme der Kolonien erfolgte häufig zunächst auf Initiative und Risiko von privaten Gesellschaften, die von ihrem Staat dazu aber mit einem Schutzbrief legitimiert wurden. Der sogenannten Metropole (Mutterstadt) traten sie die Herrschaft meist erst dann ab, wenn sich das wirtschaftliche Engagement nicht mehr lohnte bzw. mit zu hohem Risiko verbunden war.

"Sozialistische Kolonialpolitik"

Stand die Arbeiterbewegung in den Kolonialmächten grundsätzlich gegen den Erwerb von Kolonien und lehnte, wie die SPD in Deutschland, jegliche Kolonialpolitik kategorisch ab, so entwickelte sich um 1900 eine neue Sichtweise auf den Umgang mit Kolonialpolitik. Der Brite George Bernard Shaw formulierte unter dem Eindruck der Burenkriege Thesen, wonach die Burenrepubliken von Großbritannien annektiert werden sollten. Langfristig vertrat Shaw die Ansicht, dass die Goldminen in Transvaal internationalisiert werden sollten, solange diese internationale Staatengemeinschaft aber nicht existiert, sei es angebracht, die Republiken einer demokratisch entwickelten Nation wie Großbritannien anzugliedern. Letztlich auch zum Schutz der schwarzen indigenen Bevölkerung vor den weißen Buren.[7] Shaws Fabian Society vertrat diese Positionen innerhalb der britischen Labour Party. Solche Thesen wurden später auch von Ramsay MacDonald veröffentlicht, z. B. in seinem Werk Labour and the Empire. Einen ähnlichen Hintergrund, nämlich die Idee, Kolonialmächte sollten Demokratie und Fortschritt in unterentwickelte Länder exportieren, vertrat auch Eduard Bernstein. Mit seinem 1899 erschienenem Werk Die Voraussetzungen des Sozialismus begann er eine lange Auseinandersetzung mit der Kolonialpolitik, die nicht frei von Widersprüchen war. Bernstein lehnte die kapitalistische Kolonialpolitik ab, vertrat aber die These, dass auch eine sozialistische Gesellschaft Kolonien haben dürfe, allerdings unter der Prämisse der Entwicklung der Kolonien durch die dann sozialistischen und demokratischen Kolonialstaaten. Hintergrund auch für Bernsteins Denken, war die in seiner Zeit übliche Überzeugung von der Existenz zivilisierter und unzivilisierter Völker, wobei Ersteren die Aufgabe zukommen sollte, Letztere zu einer höheren Entwicklungsstufe zu verhelfen.

Auch und vor allem die „sozialistische Kolonialpolitik“ wusste um die ökonomischen Risiken, die Kolonien mit sich brachten. Am Beispiel der wirtschaftlichen Schwierigkeiten Großbritanniens um die Jahrhundertwende, erkannten sie die Probleme, die verstärkter Kapitalfluss in die Kolonien, Niedergang der nationalen Landwirtschaft und andere Folgen der Erschließung kolonialer Märkte erzeugten. Zudem wurde, auch von erklärten Gegnern der Kolonialpolitik, zwischen abzulehnenden Ausbeutungskolonien und eher erstrebenswerten Arbeitskolonien unterschieden.[8]

Geschichtlicher Überblick

Siehe auch: Europäische Expansion

Kolonisation, 1492-2008

Als einer der Antriebskräfte für die ersten europäischen Entdeckungsfahrten kann die Eroberung Konstantinopels 1453 durch die Osmanen gesehen werden. Das erstarkte Osmanische Reich kontrollierte nun den Handel mit China und Indien, was zu einer Verteuerung von Fertigwaren wie Porzellan und Gewürzen führte. Durch diese „Blockade“ begannen sich europäische Gelehrte und Seefahrer verstärkt damit zu befassen alternative Seewege nach Asien zu suchen. Ein weiterer Grund war bereits zuvor die Handelspolitik der Stadtrepubliken Venedig und Genua, die zu Beginn der Neuzeit weitgehend das Mittelmeer beherrschten und mit dem Byzantinischen Reich, Indien und China Gewürzmonopole herausbildeten.

Nach dem Muster des Kolonialismus verfuhren europäische Staaten bei der Eroberung und Ausbeutung anderer Kontinente wie Afrika, Asien, Amerika und Australien. Die europäischen Staaten beförderten Rohstoffe (wie Rohrzucker, Gold, Diamanten) aus den kolonialisierten Ländern in die Heimatländer, ohne dafür eine angemessene Tauscheinheit anzubieten. Das Zeitalter des Kolonialismus war auch geprägt von Gewalt und Unterdrückung gegenüber den „Ureinwohnern“ (Indigene Völker) dieser Kontinente.

Genua und Venedig

Durch die intensiven Beziehung von Genua und Venedig zum Byzantinischen Reich konnten die beiden oberitalienischen Stadtrepubliken Handelsmonopole herausbilden und beherrschten dadurch im Spätmittelalter den gesamten Mittelmeerraum. Es gelang ihnen im Zuge der Kreuzzüge (Lateinisches Kaiserreich) Kolonien bzw. Stützpunkte in der Ägäis, auf dem Peloponnes, am Schwarzen Meer und an der Levante zu erwerben. Durch die Konkurrenzsituation der beiden Stadtstaaten kam es zu zahlreichen Seekriegen, bis es Venedig schließlich gelang in der Schlacht von Chioggia 1380 die endgültige Vorherrschaft im Mittelmeerraum zu erreichen. Durch diese Niederlage schied Genua aber nicht vollständig aus dem Mittelmeerhandel aus, sondern konnte sogar einige seiner Kolonien bis ins 15. Jahrhundert hinein halten. Mit der Expansion des Osmanischen Reiches und der Entdeckung der Neuen Welt zu Beginn der Neuzeit verloren sie dann ihre Vormachtstellung an die neuen Seemächte Portugal und Spanien.[9]

Siehe auch: Genueser Kolonien und Venezianische Kolonien

Portugal und Spanien

Südamerika um 1650

Unter der Federführung Heinrichs des Seefahrers wurde Portugal zur ersten europäischen Kolonialmacht mit Kolonien in Südamerika, Afrika und Asien. Auch Spanien betrieb nach dem Ende der Reconquista eine exzessive Expansionspolitik, so eroberten die Spanier beinahe ganz Mittel- und Südamerika (Ausnahme, das portugiesische Brasilien), mit der Erwerbung der Philippinen fasste man schließlich auch in Asien Fuß. Dies führte unweigerlich zu Konflikten mit Portugal, die aber im Vertrag von Tordesillas beigelegt wurden, in dem man die Welt in zwei Interessensphären aufteilte. 1580 fiel Portugal aus dynastischen Gründen an die Habsburgerherrscher Spaniens. Bis 1640 verlor Portugal seine Unabhängigkeit, sank zur spanischen Provinz herab und verlor Teile seines Kolonialreiches an die aufstrebenden Holländer. Im Gegensatz zu den meisten anderen Kolonialmächten konnte Portugal einige seiner Kolonien bis in die 1970er Jahre halten, erst die Nelkenrevolution beendete die portugiesische Herrschaft in Afrika. Als letzte portugiesische Kolonie wurde 1999 Macao an die VR China zurückgegeben. Spanien verlor schon im 19. Jahrhundert die meisten seiner Kolonien in Mittel- und Südamerika, die bisher letzte unabhängig gewordene spanische Kolonie war die Westsahara, die 1975 von Spanien autonom wurde.

Niederlande

Mit der Unabhängigkeit der Niederlande von Spanien begann auch diese in den kolonialen Wettstreit einzusteigen. Schon während des Unabhängigkeitskampfes schlossen sich niederländische Handelsgesellschaften zur Niederländischen Ostindien-Kompanie zusammen. Diese wurde durch staatliche Freibriefe mit weit reichenden Rechten ausgestattet (z. B. Unterhalten einer eigenen Armee). Zur Finanzierung wurden 1606 zum ersten Mal von einer Gesellschaft Aktien ausgegeben und die Anteilseigner wurden als Teilhaber aufgenommen. Die Dividende betrug durchschnittlich 18% pro Jahr[10].

Am 6. April 1652 errichtete Jan van Riebeeck im Auftrag der Niederländischen Ostindien-Kompanie am Kap der Guten Hoffnung eine Versorgungsstation und begann damit die Kolonisation Südafrikas. Vom frühen 17. Jahrhundert an war die Niederländische Ostindien-Kompagnie auch die dominierende Macht in Indonesien, damals Niederländisch-Ostindien. Im 19. Jahrhundert waren die Niederlande die drittgrößte Kolonialmacht hinter Großbritannien und Frankreich.

Frankreich

Der französische Kolonialismus entstand in erster Linie aus Konkurrenz zu England/Großbritannien. Französische Entdecker und Seefahrer wie Jacques Cartier und Samuel de Champlain bereisten Nordamerika und gründeten die Kolonien Neufrankreich und Louisiana. Im Siebenjährigen Krieg musste Frankreich allerdings die gesamten Kolonien an Großbritannien abtreten und engagierte sich fortan in Afrika und Asien. Im 19. Jahrhundert war Frankreich dann hinter Großbritannien die zweitgrößte Kolonialmacht der Welt.

Deutsches Reich

Dominic Johnson, seit 1990 Afrikaredakteur der „Tageszeitung“, spricht von einer „kolonialen Amnesie“ der Deutschen.[11] Anlässlich der Afrikareise 2004 des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder erinnert er an den 100. Jahrestags des Herero-Aufstands, den die deutsche Besatzungsmacht damals mit Völkermord beantwortete. Die UNO hatte zur selben Zeit das Internationale Jahr des Kampfes gegen die Sklaverei in Ghana eröffnet, wo 1682 die „Kurfürstliche Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie“ ihre Wirtschaftspräsenz im Sklavenhandel begründet hatte. Der zehnte Jahrestag des Völkermords in der ehemaligen deutschen Kolonie Ruanda folgte am 7. April; knapp drei Wochen später feierte Südafrika den zehnten Jahrestag der freien Wahlen von 1994, die das Ende der weißen Apartheid brachten. Die ruandische Hauptstadt Kigali wurde 1908 von Deutschen gegründet, wo die Kinder heute lernten, dass das Deutsche Reich ein Freund des Königreichs Ruanda war und im Ersten Weltkrieg Ruander und Deutsche gemeinsam gegen Belgier und Kongolesen kämpften, die dann siegten und danach die ruandische Gesellschaft in Hutu und Tutsi spalteten. Juli 1905 begann der Maji-Maji-Aufstand gegen die Deutschen im heutigen Tansania, wogegen die deutschen Truppen mit einer Strategie der verbrannten Erde vorgingen und damit das Hochland entvölkerten, wo sich heute Nationalparks befinden. Die deutsche Politik in Afrika halte sich fälschlicherweise für geschichtlich unbelastet und erwecke so gegenüber Afrikanern den Eindruck mangelnder Ernsthaftigkeit.

Russland

Die koloniale Bestrebung Russlands richtete sich meist auf Zentralasien aus, so wurde ab der Gründung des Moskauer Reiches und der Etablierung des Zarentums das russische Staatsgebiet über Sibirien nach Osten hin ausgedehnt, und reichte bis Alaska. Dabei bestanden Stützpunkte südwärts bis nach Kalifornien. Seit Zar Peter I. verstand sich Russland als europäische Großmacht und begann sich auch in südlicher Richtung zu engagieren. Dort stießen sie auf die Interessensphären Großbritanniens (Britisch-Indien) und des Osmanischen Reiches (Schwarzes Meer). Dies führten zum „Great Game“ mit Großbritannien um die Vorherrschaft in Zentralasien. In zahlreichen Kriegen (z. B. Krimkrieg) wurde der russischen Expansion ein Ende gesetzt.

Nach dem Ersten Weltkrieg zerbrach das russische Imperium weitgehend und beschränkte sich im wesentlichen auf das großrussische Kerngebiet.[12] Polen, Finnland, die baltischen Staaten, die Ukraine und andere lösten sich in den Jahren 1918 und 1919 von Russland ab und wurden unabhängige Staaten. Russische Binnenkolonien wie z. B. Armenien, Aserbaidschan, Staaten des Baltikums, Kasachstan, Kirgisistan, Moldawien, Bessarabien, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan oder Weißrussland erlangten nach der Oktoberrevolution in der Regel den Status einer autonomen Republik. Hintergrund war die Aufnahme des „Selbstbestimmungsrechts der Völker bis zur Lostrennung und Bildung eines selbständigen Staates“ in das Parteiprogramm der nun herrschenden Bolschewiki. Die vor-nationale Ordnung des Zarenreichs sollte durch eine proletarische nach-nationale Ordnung ersetzt werden, wobei die Phase des Nationalstaats übersprungen werden sollte. Von 1918 bis zur Eingliederung der Randregionen Russlands 1922 blieben diese unabhängige, durch wirtschaftliche und militärische Allianzen mit Russland verbundene Republiken. 1922 wurde die UdSSR gegründet. Eine der vier Republiken dieser neuen Union war Russland, das wiederum aus acht autonomen Republiken und 13 autonomen Regionen bestand.[13] Nach dem Zerfall der Sowjetunion erlangten viele der ehemaligen russischen Binnenkolonien bzw. alle damaligen Sowjetrepubliken die Unabhängigkeit.

Das britische Weltreich

Im 17. Jahrhundert lösten Großbritannien und Frankreich Spanien und Portugal endgültig als Weltmächte ab. Vor dem Ersten Weltkrieg war Großbritannien die bei weitem größte Kolonialmacht, gefolgt von Russland an zweiter Stelle, Frankreich, dem Deutschen Reich, den Vereinigten Staaten und Japan sowie weiteren Staaten. England, Russland und Frankreich traten bereits frühzeitig als Kolonialmächte in Erscheinung. Im frühen 17. Jahrhundert nahm das Britische Empire langsam Gestalt an, als die Kolonien an der Ostküste Nordamerikas besiedelt wurden. Die Besiedlung Australiens begann mit der Errichtung einer Sträflingskolonie auf dem Gebiet der heutigen Metropole Sydney. Die Auswanderung konzentrierte sich nun auf Australien und Neuseeland (im Besitz der Krone seit 1840). Der Sieg von Truppen der Britischen Ostindien-Kompanie bei Plassey im Jahre 1757 ermöglichte es den Briten, die Herrschaft in Indien zu übernehmen.

Die vom Vereinigten Königreich beherrschten Gebiete umfassten im Jahr 1921 ein Gebiet von über 37 Millionen km², etwa ein Viertel der von Land bedeckten Erdoberfläche. Die Gesamtbevölkerung betrug ca. 500 Millionen (rund ein Viertel der damaligen Weltbevölkerung). Das Britische Empire wurde im Verlauf von über dreihundert Jahren gebildet. Expansive Phasen der Besiedlung und Eroberung wechselten sich ab mit relativ friedlichen Phasen, die von Handel und Diplomatie geprägt waren. Die verschiedenen Territorien waren über die gesamte Erde verteilt. Ein Hauptpfeiler der britischen Kolonialpolitik war es, Konflikte zwischen einzelnen Volksgruppen zu schüren, um sie daran zu hindern, sich gegen die Kolonialmacht aufzulehnen.

Der Wettlauf um Afrika

Kolonien in Afrika (1914)

Hauptartikel: Wettlauf um Afrika

Die europäische Kolonialpolitik und die dazugehörende Ideologie zwischen 1870 und dem Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahre 1914 werden oft als Neuer Imperialismus bezeichnet. Diese Periode ist gekennzeichnet durch die Aufteilung der Welt unter den verschiedenen Großmächten, einen aggressiven Konkurrenzkampf bei der Bildung neuer Kolonien und das Aufkommen der Ideologie der rassischen Überlegenheit, mit der heute obsoleten Hamitentheorie untermauert, die den beherrschten Völkern die Fähigkeit absprach, sich selbst zu verwalten. Während dieser Zeit wurden die europäischen Kolonien um mehr als 23 Millionen km² erweitert. Da Afrika bis um 1880 weitgehend nicht besetzt gewesen war, wurde dieser Kontinent das Hauptziel der neuen imperialistischen Expansion der europäischen Großmächte. In Südostasien und an den ostasiatischen Küsten erweiterten vor allem die USA und Japan ihre Gebiete. Die wichtigsten europäischen Besitzungen in Afrika waren im Jahre 1875 Algerien und die Kapprovinz, der Rest des Kontinents bestand aus mehr oder weniger unabhängigen Reichen und Stammesgebieten. 1914 waren dagegen lediglich noch Äthiopien und Liberia formell unabhängig. Den Zeitraum dazwischen nannte man auch Wettlauf um Afrika (engl. Scramble for Africa).

Als Start des eigentlichen Wettlaufs gelten die Errichtung des französischen Protektorates in Tunesien 1881 und die englische Besetzung Ägyptens im Zuge der Niederschlagung des Urabi-Aufstandes im Jahre 1882, die bei den anderen etablierten Kolonialmächten, aber auch bei aufstrebenden Ländern wie Belgien und Deutschland zu Begehrlichkeiten führte. Der belgische König Leopold II. hatte Ansprüche auf den Kongo angemeldet und Deutschland beanspruchte nach der Reichsgründung 1871 auch für sich Kolonialbesitz. Als die Aktivitäten Frankreichs, Belgiens und Portugals im Mündungsbereich des Kongo die Gefahr eines Krieges heraufbeschworen, wurden auf der Kongokonferenz in Berlin (1884/85) Regeln für den Wettbewerb zwischen den einzelnen Nationen aufgestellt. Auf der Kongokonferenz wurde festgelegt, dass nur jene Macht das Recht auf Erwerb einer Kolonie haben sollte, die sie auch tatsächlich in Besitz nahm (Prinzip der Effektivität). Dieser Beschluss bildete die Grundlage für die in den folgenden Jahren deutlich beschleunigte Aufteilung Afrikas in Kolonien durch die europäischen Mächte. 1896 waren nur noch der Staat Abessinien (nach der Befreiung aus der zwischenzeitlichen italienischen Besetzung), Liberia sowie die Siedlungskolonien Oranje-Freistaat und Transvaal (nach dem Burenkrieg 1910 ins englische Kolonialreich eingegliedert) unabhängig. Die Briten hatten 1896 die Anglo-Egyptian Nile Expeditionary Force unter Horatio Herbert Kitchener in Marsch gesetzt um den ersten erfolgreichen Aufstand der Dritten Welt gegen den Kolonialismus, den Mahdi-Aufstand im Sudan, niederzuschlagen.

Die Faschodakrise, nach dem Ende des Mahdi-Aufstandes, 1898 gilt als Ende des Wettlaufs, hier kam es zu einem Konflikt zwischen britischen und französischen Kolonialtruppen, der aus einer Kollision französischer Ansprüche für das Territorium des Sudans Anschluss an das Rote Meer zu erlangen und dem britischen Bestreben, das Niltal zu kontrollieren, resultierte. Auch nach Ende des „Wettlaufs um Afrika“ gab es noch Territorialstreitigkeiten zwischen den Kolonialmächten Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Belgien und Portugal, die sich bis 1914 aber nicht in grundlegenden Änderungen der Kolonialgrenzen niederschlugen.

Das Ende der Kolonialzeit

Die Ära des Kolonialismus im engeren Sinne ging in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg zu Ende, als fast alle ehemaligen Kolonien in die Unabhängigkeit entlassen wurden. Aufgrund der Festlegung von Grenzen auf dem Reißbrett durch die ehemaligen Kolonisatoren ergaben sich in Afrika und im Nahen Osten immer wieder Kriege, da diese Grenzziehungen kulturelle Zusammenhänge kaum berücksichtigt hatten. Viele Staaten der Dritten Welt befanden sich auch nach ihrer Unabhängigkeit in einem Zustand wirtschaftlicher Abhängigkeit von ihren ehemaligen Kolonisatoren.

Die letzten Beendigungen einer Kolonialherrschaft in einer bedeutsamen Kolonie waren die von Hongkong 1997 und von Macao 1999.

Neuere Bestrebungen, kolonialistische Machtstrukturen herzustellen, bezeichnet man als Neokolonialismus. Aspekte der heutigen Kultur und Politik ehemaliger Kolonien und Kolonialländer, die mit der kolonialen Vergangenheit zusammenhängen, werden unter dem Begriff Postkolonialismus zusammengefasst. Eine wesentliche Erkenntnis der Postkolonialismusforschung ist, dass die postkoloniale Situation nicht allein Kultur, Politik und Alltagsleben der ehemaligen Kolonien prägt, sondern auch in den ehemaligen Kolonialländer deutlich zu spüren ist – sei es durch die Zuwanderung aus den ehemaligen Kolonien in globalen Städten wie London, Paris oder Brüssel oder durch Versuche der Verleugnung oder Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit wie jüngst im Fall des von deutschen Kolonialtruppen verursachten Völkermordes an den Herero in Deutsch-Südwestafrika.

Ob der Zionismus zum Kolonialismus gezählt werden kann, ist eine höchst umstrittene und politisch aufgeladene Frage, die im Umfeld des Nahostkonflikts immer wieder aufkommt.

Länder

Kolonialmächte des Spätmittelalters

Kolonialmächte der Kolonialzeit

  • Sonstige Kolonialmächte der Kolonialzeit:

Halb-Kolonialmächte der Kolonialzeit

Halb-Kolonien der Kolonialzeit

Literatur

Siehe auch

Weblinks

Quellen

  1. Osterhammel 1995: S.21
  2. Philip D. Curtin: The Black Experience of Colonialism and Imperialism, in: Sidney W. Mintz: Slavery, Colonialism and Racism, W W Norton & Co Ltd., 1975.
  3. Vgl. Osterhammel 1995, S. 19.
  4. Richard Konetzke 1964: S. 570
  5. Ronald Daus: Die Erfindung des Kolonialismus. Wuppertal: Peter Hammer Verlag, 1983, ISBN 3-87294-202-6.
  6. Pope Alexander VI – The Bull “Inter Caetera” – 4 May 1493
  7. Bernard Shaw, Fabianism and the Empire. A Manifest by the Fabian Society, London 1900
  8. Karl Kautsky, Sozialistische Kolonialpolitik, Die Neue Zeit Nr. 28/1909, S. 33-43
  9. vgl.: Peter Feldbauer: Mediterraner Kolonialismus, Magnus-Verlag, Essen, 2005, ISBN 3-88400-600-2
  10. Die älteste Aktie der Welt / the oldest Share : VOC 1606
  11. Dominic Johnson: Koloniale Amnesie. Die Tageszeitung, 17./18. Januar 2004. S. 11.
  12. Andreas Kappeler, Rußland als Vielvölkerstaat, München 2001, S. 300.
  13. Kappeler, Vielvölkerstaat, S. 301 f.

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