Abū Rāfiʿ

Abū Rāfiʿ

Abū Rāfiʿ († 627 in Chaibar) war ein jüdischer Widersacher des Propheten Mohammed. Er wurde mit Billigung Mohammeds ermordet. Sein vollständiger Name lautete Sallam ibn Abi l-Huqaiq.

Inhaltsverzeichnis

Stellung

Abu Rafiʿ war Mitglied des Stammes der Banu Nadir und lebte nach der Vertreibung seines Stammes aus Medina in Chaibar[1], einer Oase 150 km nördlich von Medina. Er war einer der Anführer der Anti-Medina-Koalition (al-ahzāb), die in der Grabenschlacht gegen die Muslime Medinas vorging. Diese Koalition bestand aus Mekkanern, vertriebenen Juden und heidnischen Arabern aus den Wüstengebieten wie die Ghatafan.

Die Überlieferungen

Verlässliche biographische Daten Abu Rafi's sind nicht bekannt. Insgesamt existieren aber zahlreiche islamische Überlieferungen seiner Ermordung, die sich jedoch in vielen Details unterscheiden. Die frühesten Überlieferungen finden sich in Al-Wāqidīs Maghazi, Māliks Muwatta', Abd ar-Razzaqs Musannaf, Ibn Hischāms Sira und Buchārīs Sahih. Diese Überlieferungen gehen auf verschiedene Gewährsleute zurück. Der historische Kern des Geschehens lässt sich anhand Analysen aller Überlieferungen wie folgt umschreiben: Der Prophet sandte einige Männer unter der Führung von Abdallah bin 'Atik aus, um Abu Rafi', der in Chaibar lebte, zu ermorden. Sie verschafften sich Zugang zu seiner Wohnstätte und führten die Tat aus. Beim Abstieg aus der Behausung des Opfers verletzte sich einer der Mörder am Fuß. Und vor ihrer Rückkehr nach Medina vergewisserten sie sich, dass ihr Opfer tatsächlich tot war.[2]

Planung

Nach der Schlacht von Uhud und der Grabenschlacht wetteiferten die Ansar der medinischen Stämme der Chazradsch und Aus „wie Hengste“[3] über das weitere Vorgehen. Die Männer der Aus hatten auf Geheiß Mohammeds bereits einige Jahre zuvor Kaʿb ibn al-Aschraf ermordet.[4][5][6] Nun waren die Helfer der Banu Chazradsch der Ansicht, ihnen obliege es, einen ebenso gefährlichen Juden ermorden zu müssen, um mit den Aus gleichzuziehen.[7] Nach sorgfältigem Abwägen fiel die Wahl auf Abu Rafiʿ, der den Gesandten Gottes beleidigt hatte.[8] Zuvor holten sie noch die Erlaubnis des Propheten Mohammed ein[9] Dieser untersagte ihnen allerdings das Töten von Frauen und Kindern.[10] Er beauftragte fünf Männer der Chazradsch: Abdallah bin 'Atik, Mas'ud bin Sinan, Abdallah bin Unais, Abu Qatada al-Harith bin Rib'i und Chaza'i bin Aswad.[11] Mohammed bestimmte Abdallah b. 'Atik zu ihrem Anführer.[12]

Tathergang

Die Männer reisten nach Chaibar. Ihr Anführer, Abdallah b. 'Atik, war mit den Clan der Nadir gut vertraut und sprach deren Sprache, eine Mischung aus Hebräisch und Arabisch, fließend.[13] Seine Amme, eine Jüdin, lebte dort. Diese versorgte die Verschwörer mit Nahrung und verschaffte ihnen Informationen über die Festung.[14] Abdallah b. 'Atik täuschte bei einsetzender Dunkelheit den Türhüter der Festung, der ihn für einen Sklaven hielt. Die einsetzende Suche nach einem vermissten Esel erleichterte ihm die List. Er versteckte sich bis zum Einbruch der Nacht in der Festung und verschaffte dann seinen Mitverschwörern Zugang.[15] An der Behausung Abu Rafi's öffnete ihnen die Ehefrau des Opfers. Die Mörder verschafften sich mit der Ausrede, sie seien Beduinen auf der Suche nach Getreide Zutritt.[16][17] Als die Frau sah, dass die Männer bewaffnet waren, schrie sie, wurde aber Eingedenk des Verbotes, Frauen zu töten, verschont. Abu Rafi' wurde in der Dunkelheit erstochen.[18] Nach der Tat flohen die Männer und versteckten sich in einem Bewässerungsgraben. Einer kehrte um, mischte sich unter die Menge und vergewisserte sich, dass Abu Rafi' seinen Verletzungen erlegen war. Zurück in Medina eilten die Verschwörer zu Mohammed. Wegen der Finsternis zur Tatzeit entbrannte laut Prophetenbiographie von Ibn Ishaq Streit darüber, wem die Ehre gebühre, den tödlichen Streich geführt zu haben. Mohammed verlangte ihre Schwerter zu sehen. Nachdem er einen Blick auf das Schwert Abdallah b. Unais' geworfen hatte, entschied er:

Dieses tötete ihn. Ich kann noch Essensreste darauf erkennen.[19]

In einer Überlieferungsvariante in Buchārīs al-dschami' as-sahih, wird Abdallah b. 'Atik als Mörder genannt. Bei der anschließenden Flucht, stürzte er, brach sich - je nach Variante - den Unterschenkel oder verdrehte sich den Fuß. Die Verletzung wurde später in Medina durch Handauflegen des Propheten geheilt. Nach al-Wāqidī verletzte sich hingegen Abu Qatada am Fuß. Er hatte seinen Bogen vergessen, kehrte um und zog sich dann die Verletzung zu.

Der Hofdichter Hassan ibn Thabit verfasste daraufhin ein Lied auf die Tat. Darin bezeichnete er die Mörder von Kaʿb ibn al-Aschraf und Abu Rafi' als Löwen, „die den Sieg des Propheten anstreben“.[20]

Einzelnachweise

  1. William Muir: The life of Mahomet. Oxford 1861, S. 14
  2. Vgl. Harald Motzki: The Murder of Ibn Abi l-Huqayq: On the Origin and Reliability of some Maghazi-Reports. In: Harald Motzki (Hrsg.): The Biography of Muhammad. The Issue of the Sources. Brill 2000, S. 232
  3. Abd ar-Razzaq: Musannaf V, 407-10 (9747)
  4. Überlieferung nach Buchārī
  5. The Translation of the Meanings of Summarized Sahih Muslim. Von Ali Hafiz Zakiuddin Abdul-Azim al-Mundhiri, Bd. 1, Riad, S. 108 (zweisprachige Ausgabe)
  6. Alfred Guillaume: The Life of Muhammad. A translation of Ishaq's ‘Sirat Rasul Allah’. Oxford University Press, London 1955, S. 364–369
  7. Hans Jansen: Mohammed. Eine Biographie. München 2008, S. 335
  8. The History of al-Tabari. Vol. VII: The Foundation of the Community, Übersetzt von Michael V. McDonald und kommentiert von William Montgomery Watt, New York 1987 S. 99
  9. Text aus der Prophetenbiographie von Ibn Ishaq in arabischer Sprache
  10. Verschiedene Belegstellen in: Harald Motzki: The Murder of Ibn Abi l-Huqayq: On the Origin and Reliability of some Maghazi-Reports. In: Harald Motzki (Hrsg.): The Biography of Muhammad. The Issue of the Sources. Brill 2000, S. 197
  11. Der Name des Letztgenannten wird in verschiedenen Varianten überliefert.
  12. Summarized Sahih al-Bukhārī: Arabic-English, übersetzt von Muhammad Muhsin Khan, Riyad 1997, S. 764
  13. William Muir: The life of Mahomet. Oxford 1861, S. 14f.
  14. Gemäß dem Maghazi von al-Wāqidī, vgl. Harald Motzki: The Murder of Ibn Abi l-Huqayq: On the Origin and Reliability of some Maghazi-Reports. In: Harald Motzki (Hrsg.) The Biography of Muhammad. The Issue of the Sources. Brill 2000, S. 209
  15. Summarized Sahih al-Bukhārī: Arabic-English, übersetzt von Muhammad Muhsin Khan, Riyad 1997, S. 764f.
  16. The History of al-Tabari. Vol. VII: The Foundation of the Community, Übersetzt von Michael V. McDonald und kommentiert von William Montgomery Watt, New York 1987, S. 102
  17. Nach al-Wāqidī gaben sie vor, ein Geschenk überbringen zu wollen.
  18. Vgl. auch den Tathergang nach Buchārī Nr. 370-372 und Nr. 264 u. 265
  19. هذا قتله أرى فيه أثر الطعام
  20. Alfred Guillaume: The Life of Muhammad. A Translation of Ishaq's Sirat Rasul Allah. Oxford 1955, S. 484

Literatur

  • Alfred Guillaume: The Life of Muhammad. A Translation of Ishaq's Sirat Rasul Allah. Oxford 1955
  • Harald Motzki: The Murder of Ibn Abi l-Huqayq: On the Origin and Reliability of some Maghazi-Reports. In: Harald Motzki (Hrsg.) The Biography of Muhammad. The Issue of the Sources. Brill 2000, S. 170–239

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Abu Rafi — Abu Rafiʿ († 627 n. Chr.) war ein jüdischer Widersacher des Propheten Mohammed. Er wurde mit Billigung Mohammeds ermordet .[1] Sein vollständiger Name lautete Sallam ibn Abi l Huqaiq. Inhaltsverzeichnis 1 Stellung 2 Die Überlieferungen 3 Planung… …   Deutsch Wikipedia

  • Abu Rafiʿ — († 627 n. Chr.) war ein jüdischer Widersacher des Propheten Mohammed. Er wurde mit Billigung Mohammeds ermordet .[1] Sein vollständiger Name lautete Sallam ibn Abi l Huqaiq. Inhaltsverzeichnis 1 Stellung 2 Die Überlieferungen 3 Planung 4… …   Deutsch Wikipedia

  • Abu rafi' — Abu Rafiʿ († 627 n. Chr.) war ein jüdischer Widersacher des Propheten Mohammed. Er wurde mit Billigung Mohammeds ermordet .[1] Sein vollständiger Name lautete Sallam ibn Abi l Huqaiq. Inhaltsverzeichnis 1 Stellung 2 Die Überlieferungen 3 Planung… …   Deutsch Wikipedia

  • Abu Lahab ibn 'Abdul Muttalib — ( ar. أبو لهب) (c. death 624) is among those named as enemies of Islam condemned by name in the Surah Al Masadd.OverviewHis full name was Abd al Uzza ibn Abdul Muttalib and he was called Abu Lahab (meaning father of the flame) because his cheeks… …   Wikipedia

  • Abu Bakr — For other people with the name, see Abu Bakr (name). Abu Bakr Caliph Abu Bakr s empire at its peak, 634. Khalifat ul Rasūl (Prophet s successor) …   Wikipedia

  • Rafi — is a male name used among Muslims, Jews, and Hispanics. The word Rafi is of Arabic origin, and its meaning is holding high or servant of the exalted one . Common variants include Rafik , Rafee , Raffi , Rafiq and Raffy . Amongst Jews, Rafi is a… …   Wikipedia

  • Abu al-Rafi ibn Abu al-Huqayq — was a chieftain of the Jewish tribes of the Khaybar oasis. When Al Huqayq approached neighbouring tribes to raise an army to attack Muslims, [Nomani (1979), vol. II, pg. 156] [Urwa, Fath al Bari , Vol. VII, pg. 363] they assassinated him, aided… …   Wikipedia

  • Sallam ibn Abu al-Huqaiq — Abu Rafiʿ († 627 n. Chr.) war ein jüdischer Widersacher des Propheten Mohammed. Er wurde mit Billigung Mohammeds ermordet .[1] Sein vollständiger Name lautete Sallam ibn Abi l Huqaiq. Inhaltsverzeichnis 1 Stellung 2 Die Überlieferungen 3 Planung… …   Deutsch Wikipedia

  • Abū Ḥanīfa Dīnawarī — Al Dinawari redirects here. For other uses, see Al Dinawari (disambiguation). Muslim scholar Ābu Ḥanīfah Āḥmad ibn Dawūd Dīnawarī Title Al Dinawari Born 828CE Died 896CE Ethnicity …   Wikipedia

  • Abu-al-Faraj ibn Al-Jawzi — Infobox Muslim scholars | notability = Muslim scholar| era = Islamic golden age| color = #cef2e0 | | image caption = | | name = Abd al Rahman ibn Ali ibn Muhammad title= Abu al Faraj ibn Al Jawzi| birth = 508 AH Fact|date=February 2007| death =… …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”