- Codex Euricianus
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Codex Euricianus ist eine seit ca. 1900 gebräuchliche Bezeichnung für eine spätantike, von dem Westgotenkönig Eurich veranlasste Aufzeichnung des westgotischen Rechts in lateinischer Sprache.
Wohl um 475 ließ Eurich das Recht der Westgoten aufzeichnen. Von diesem Werk sind nur Fragmente in einer Palimpsest-Handschrift der Pariser Nationalbibliothek (Codex Parisinus Latinus 12161) erhalten; nur ein Teil davon ist noch lesbar. Der Codex Euricianus war jahrhundertelang gänzlich verschollen; erst im 18. Jahrhundert wurden die Fragmente entdeckt. Möglicherweise handelt es sich bei den Pariser Fragmenten um eine erst von Eurichs Sohn und Nachfolger Alarich II. veranlasste Bearbeitung des westgotischen Gesetzbuchs. Teile des Codex Euricianus lassen sich hypothetisch aus späterer westgotischer Gesetzgebung erschließen, doch sind die Rekonstruktionsversuche mit erheblicher Unsicherheit belastet.
Der Codex Euricianus hatte keine territoriale Geltung, sondern regelte nur die Rechtsbeziehungen der Goten untereinander und diejenigen zwischen Goten und Romanen. Für die Rechtsbeziehungen der Romanen untereinander galt zunächst weiterhin das im Codex Theodosianus zusammengestellte römische Recht und später die Lex Romana Visigothorum.
Der Codex Euricianus enthält unter anderem Vorschriften zur Regelung von Grenzstreitigkeiten und besonders von Fragen, die sich aus der Landteilung zwischen den sesshaft gewordenen gotischen Eroberern und den romanischen Grundbesitzern ergaben, sowie Bestimmungen für Leihe, Kauf und Schenkung, Ehe- und Erbrecht. Er wird in der Forschung als bedeutende gesetzgeberische Leistung gewürdigt. Das Werk ist in gutem Latein geschrieben; an seiner Abfassung müssen romanische Juristen einen maßgeblichen Anteil gehabt haben. Strittig ist der Anteil germanischer und römischer Rechtsvorstellungen; auf jeden Fall ist der Anteil des römischen Rechts für ein germanisches Rechtsbuch, das bei Rechtsstreitigkeiten der Goten untereinander angewendet wurde, auffallend hoch. Damit ist der Codex Euricianus auch ein Beleg für die fortgeschrittene Romanisierung der Westgoten.
Der Codex Euricianus diente später als Basis für die Lex Baiuvariorum, die erste bairische Gesetzeskodifikation.
Literatur
- Hermann Nehlsen: Codex Euricianus. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 5. Berlin 1984, S. 42–47.
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