Deutschnationale Bewegung

Deutschnationale Bewegung
Deutschnationale Propaganda auf einer Briefverschlußmarke aus der Zeit des Ersten Weltkriegs

Die Deutschnationale Bewegung (vielfach auch Deutsch-Nationale Bewegung geschrieben) entstand im alten Österreich-Ungarn und galt als entschieden nationalistische Strömung der dortigen deutschsprachigen Bevölkerung. Ihre Anhänger nannten sich Deutschnationale.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Deutschnationale Bewegung in Österreich-Ungarn hat ihren Ursprung in dem Verlust der Vormachtstellung der Deutschen in der österreichischen Monarchie.

Seit der bürgerlichen Revolution von 1848/49 forderten insbesondere die Tschechen die politische, wirtschaftliche und kulturelle Gleichstellung mit der deutschen Bevölkerung, die von alten Privilegien aus der Zeit von Kaiserin Maria Theresia und Kaiser Josef II. profitierte. Von den 1870er Jahren bis zum Zerfall des Staates im Oktober 1918 wurde Österreich daher von Nationalitätenkämpfen geprägt.

Die Konflikte zwischen Deutschen und Tschechen nahmen mit der Regierungsbildung des österreichischen Ministerpräsidenten Eduard von Taaffe im Jahr 1879 zu, da an dieser Regierung die Deutschliberale Partei als Hauptvertreterin des deutschen Bürgertums nicht mehr beteiligt war.

1879 warf die Deutschnationale Bewegung der bis dahin in Österreich-Ungarn herrschenden Deutschliberalen Partei vor, die Rechte der Deutschen nur ungenügend zu vertreten. Sie veröffentlichte 1882 in Zusammenarbeit mit dem Groß- und späteren Alldeutschen Ritter von Schönerer das so genannte Linzer Programm, das für die Gebiete Galizien und Dalmatien eine Sonderstellung forderte, und begründete damit den Deutschnationalismus. Deren Führer Ritter von Schönerer, ein entschiedener Gegner eines österreichischen Patriotismus und überzeugter radikaler Antisemit, lancierte 1885 einen Arierparagraphen und gründete 1891 die Alldeutsche Vereinigung. Sein Rassenhass und nationalistischer Fanatismus beeinflussten später den jungen Adolf Hitler stark. Viele Gründer des späteren Deutschen Schulvereins waren Mitglieder der Deutschnationalen Bewegung.

Infolge der Aufnahme zahlreicher Antisemiten zerfiel die Deutschnationale Bewegung ab 1885 in zwei Richtungen: Ritter von Schönerer und seine Anhängerschaft gerieten rasch mit dem Habsburger Staat in Gegensatz, während die Mehrheit der Deutschnationalen weiterhin treu zum Staatswesen Österreich-Ungarn stand.

Die deutschnationale Bewegung spaltete sich in den späteren achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts in eine Vielzahl von Parteien und Einzelorganisationen. Ihre Ideen beeinflussten auch die Völkische Bewegung bzw. lebten in dieser fort.

Ziele

Die Deutschnationale Bewegung war für den politischen Anschluss der geschlossenen deutschsprachigen Siedlungsgebiete Österreich-Ungarns an das Deutsche Reich. Dementsprechend waren die Bundesfarben der Deutschnationalen Bewegung Schwarz-Weiß-Rot, während die Farbreihenfolge Schwarz-Rot-Gold weiterhin als Nationalfarben der Deutschösterreicher angesehen und gleichberechtigt mit den Reichsfarben verwendet wurde:

„… in den Farben Schwarz-Weiß-Rot sehen wir, die Anhänger der Deutschnationalen, die Zugehörigkeit der Deutschösterreicher zum Deutschen Reich, und in den Farben Schwarz-Rot-Gold den Willen, diesem deutschen Volk anzugehören!“

Nachfolger

Aus der Deutschnationalen Bewegung gingen zahlreiche Nachfolgeorganisationen hervor:

  • 1909 bildeten die Abgeordneten der Deutschen Volkspartei, der Deutschfortschrittlichen, der deutschnationalen Agrarier und der Deutschradikalen Partei den Deutschen Nationalverband, der bereits 1911 stärkste Kraft im österreichischen Reichsrat wurde. 1911 schlossen sich auch die Abgeordneten der Deutschen Arbeiterpartei, die im Mai 1918 in Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei umbenannt wurde, dem Nationalverband an.

In den 1920er Jahren entstanden aus dem Nationalverband die Großdeutsche Volkspartei (Österreich) und die Deutsche Nationalpartei Böhmens sowie die Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei (Tschechoslowakei).

Auch im Deutschen Reich gab es eine Nachfolgeorganisation, die auf den Grundsätzen der Deutschnationalen Bewegung fußte: die Deutschnationale Volkspartei, die 1918 gegründet wurde.

Literatur

  • Paul Molisch: Geschichte der deutschnationalen Bewegung in Österreich. Verlag von Gustav Fischer, Jena 1926.
  • Ingeborg Zelenka: Bürgermeister Franz Kammann und die Deutschnationalen in Wiener Neustadt. Phil. Dissertation, Wien 1973.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • deutschnationale Bewegung — deutschnationale Bewegung,   Bezeichnung für die verschiedenen politischen Gruppierungen in Österreich Ungarn, die sich nach dem Deutschen Krieg von 1866, dem Österreichisch Ungarischen Ausgleich von 1867 und der (kleindeutschen) Reichsgründung… …   Universal-Lexikon

  • Deutschnationale — Deutschnational kann sich beziehen auf den Deutschnationalismus die Deutschnationale Bewegung in Österreich Ungarn die Deutschnationale Volkspartei den Deutschnationalen Handlungsgehilfen Verband …   Deutsch Wikipedia

  • Deutschnationale Volkspartei — Partei­vorsitzende Oskar Hergt (1918–1924) …   Deutsch Wikipedia

  • Deutschnationale Volkspartei — Deutschnationale Volkspartei,   Abkürzung DNVP, politische Partei, gegründet am 24. 11. 1918, hervorgegangen aus konservativen Parteien des deutschen Kaiserreichs: den Deutschkonservativen, den Reichs und Freikonservativen, den Christlichsozialen …   Universal-Lexikon

  • Alldeutsche Bewegung — Der Alldeutsche Verband bestand von 1891 bis 1939 und war der personell – nicht aber finanziell – kleinste der im deutschen Kaiserreich bestehenden Agitationsverbände. Er wurde als einer der lautstärksten und einflussreichsten Verbände… …   Deutsch Wikipedia

  • Nationalkirchliche Bewegung Deutsche Christen — Kirchenratswahlen am 23. Juli 1933: Wahlpropaganda mit SA Unterstützung vor der St. Marien Kirche am Neuen Markt in Berlin Die Deutschen Christen (DC) waren eine rassistische, antisemitische und am Führerprinzip orientierte Strömung im deutschen …   Deutsch Wikipedia

  • Los-von-Rom-Bewegung — Die Los von Rom Bewegung war eine zu wesentlichen Teilen politisch motivierte Strömung in Österreich um 1900, die die Förderung des Konfessionswechsels von der römisch katholischen zur evangelischen oder altkatholischen Konfession zum Ziel hatte …   Deutsch Wikipedia

  • Völkische Bewegung — Die Völkische Bewegung umfasste deutschnationale und antisemitisch rassistische Vereine, Parteien, Publikationen und weitere Gruppen und Individuen, die ab dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts großen Einfluss auf die Öffentlichkeit im… …   Deutsch Wikipedia

  • Germanentum — Der Pangermanismus oder Alldeutsche Bewegung war eine ethnisch begründete politische Bewegung in Europa im 19. Jahrhundert. Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Preußen, Österreich und der Nationalismus 3 Entwicklung nach dem Ersten Weltkrieg …   Deutsch Wikipedia

  • Pan-Germanismus — Der Pangermanismus oder Alldeutsche Bewegung war eine ethnisch begründete politische Bewegung in Europa im 19. Jahrhundert. Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Preußen, Österreich und der Nationalismus 3 Entwicklung nach dem Ersten Weltkrieg …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”