Die Erfindung der Einsamkeit

Die Erfindung der Einsamkeit

Die Erfindung der Einsamkeit (engl.: The Invention of Solitude) ist ein teils autobiographischer, teils stärker essayistischer Prosaband des amerikanischen Autors Paul Auster, der 1982 veröffentlicht wurde.

Inhaltsverzeichnis

Entstehungskontext

Im Januar 1979 stirbt unerwartet Paul Austers Vater. Für Auster ist es eine von Krisen bestimmte Phase seines Lebens. Finanzielle Schwierigkeiten belasten ihn, die Ehe mit Lydia Davis steht kurz vor der Trennung, der gemeinsame zweijährige Sohn Daniel erleidet eine schwere Lungenerkrankung.

Inhalt

Das Buch ist in zwei Teile aufgebaut, die einander bedingen und ergänzen.

Der erste Teil des Buches, Porträt eines Unsichtbaren, entsteht 1979 als unmittelbare Reaktion auf den Tod des Vaters, als Versuch der Aufarbeitung von Familiengeschichte und Verortung der eigenen Position im Leben des Vaters.

"Er war im tiefsten, im unabänderlichsten Sinn ein Unsichtbarer. Unsichtbar für andere, und höchstwahrscheinlich auch unsichtbar für sich selbst. Als er noch lebte, habe ich ihn ständig gesucht, habe mich ständig bemüht, den abwesenden Vater zu finden, und jetzt, da er tot ist, glaube ich noch immer nach ihm suchen zu müssen."[1]

Auster beschreibt die Annäherung und Indiziensuche im Elternhaus, in dem der Vater nach der Scheidung über fünfzehn Jahre lang allein gelebt hat. Die Ehe, generell der Umgang mit Frau und Kindern ist von Distanz und Unnahbarkeit geprägt. Samuel Auster ist ein verheirateter Junggeselle, ein Schweigender, der immer abwesend wirkt und kurz vor dem Aufbruch. (Die Figur des distanzierten Vaters wird immer wieder in Austers Werk auftauchen.) Seine Eltern sind galizische Juden, die aus Europa immigriert sind. Mit der Untersuchung der Hinterlassenschaft entfaltet sich schließlich ein Großteil Familiengeschichte.

Der Zufall spielt, wie häufig bei Auster, auch hier eine Rolle, und es offenbart sich, dass Austers Großmutter ihren eigenen Mann in einem Eifersuchtsdrama erschossen hat. Die Frau hält dennoch ihre Familie zusammen, die Söhne rücken näher und gründen in späteren Jahren ein gemeinsames Immobiliengeschäft. Zu ihrer besten Zeit besitzen die Brüder Auster über 100 Mietshäuser. Hier offenbart sich auch der unbekannte Vater, der Mietzinsen nachlässt, oder den Kindern armer Mieter abgelegte Kleider seines Sohnes schenkt. Am Ende sind nur wenige Häuser übrig, dennoch kann sich Paul Auster mit dem Erbe für einige Zeit seine schriftstellerische Tätigkeit absichern.

Der zweite Teil des Buches, Das Buch der Erinnerung, wird erst 1982 beendet und ist essayistischer angelegt. Auster wechselt vom Ich-Erzähler in die dritte Person und kontrapunktiert die gradlinig aufgebaute Erzählung des ersten Teils. Der Text wird fragmentarischer, durchzogen von Erinnerungsstücken, Gedichten und Zitaten (Flaubert, Freud, Collodi, Tolstoi, Dostojewski, etc.), in vielen Passagen spricht der belesene Kritiker durch den Dichter. Auster reflektiert über den Tod und die Dinge des (Familien-)Lebens und versucht die eigene Biografie ins Allgemeingültige zu erhöhen. Es handelt sich zugleich aber auch um eine Reflexion über das Schreiben selbst.

Einordnung ins Gesamtwerk

Die Erfindung der Einsamkeit markiert den Übergang Paul Austers vom Lyriker, Übersetzer und Kritiker zum Prosadichter. Es handelt sich um die erste seiner autobiografischen Arbeiten.

Im zweiten Teil des Buches deutet sich bereits die postmoderne Brechung späterer Romane an. Somit bildet Die Erfindung der Einsamkeit ein wichtiges Element im Gesamtwerk des Autors, nicht zuletzt als direkter Vorläufer zu seiner bekannten New York-Trilogie.

Ausgaben

  • The Invention of Solitude Sun Press, New York 1982, ISBN 0-915342-37-5
    • Übersetzung: Die Erfindung der Einsamkeit. Dt. von Werner Schmitz. Rowohlt, Reinbek 1993, ISBN 3-498-00033-0

Einzelnachweise

  1. Die Erfindung der Einsamkeit. Dt. von Werner Schmitz. Rowohlt, Reinbek 1993, S. 13.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Festung der Einsamkeit — Die Festung der Einsamkeit (engl. „Fortress of Solitude“) ist ein wiederkehrender Handlungsschauplatz in den Geschichten um den Comichelden Superman, sowie der Titel verschiedener Superman Publikationen, so beispielsweise des Comics The Fortress… …   Deutsch Wikipedia

  • Die New York-Trilogie — hat dem amerikanischen Schriftsteller Paul Auster (* 1947) international zum Durchbruch verholfen. Sie besteht aus dem Roman Stadt aus Glas (City of Glass, 1985), der Erzählung Schlagschatten (Ghosts, 1986) und dem Roman Hinter verschlossenen… …   Deutsch Wikipedia

  • Die Schlümpfe (Comic-Geschichten) — Der nachstehende Text enthält einen Großteil der seit 1958 gezeichneten Comics der Schlümpfe. Die meisten Geschichten aus der Zeit 1958–1988 sind entsprechend den Erstveröffentlichungen im Magazin Spirou angeführt, die jüngeren anhand der Alben.… …   Deutsch Wikipedia

  • Der Philosoph — Aristoteles Büste Aristoteles (griechisch Ἀριστoτέλης, * 384 v. Chr. in Stageira (Stagira) auf der Halbinsel Chalkidike; † 322 v. Chr. in Chalkis auf der Insel Euboia …   Deutsch Wikipedia

  • Der Stagirit — Aristoteles Büste Aristoteles (griechisch Ἀριστoτέλης, * 384 v. Chr. in Stageira (Stagira) auf der Halbinsel Chalkidike; † 322 v. Chr. in Chalkis auf der Insel Euboia …   Deutsch Wikipedia

  • Die Leute von Seldwyla — Verlagsanzeige mit der Ankündigung der erweiterten Ausgabe (1873) Die Leute von Seldwyla ist ein zweiteiliger Novellenzyklus des Schweizer Dichters Gottfried Keller. Die ersten fünf Novellen, Teil I, schrieb Keller 1853–55 in Berlin nieder; sie… …   Deutsch Wikipedia

  • Die Schlümpfe (Bibliographie) — Inhaltsverzeichnis 1 Alben (Dupuis u. Lombard in Belgien, Carlsen und Bastei) 2 Liste der Comic Geschichten 3 Benennungen im Original und den deutschen Bearbeitungen (Auswahl) 4 Quellen 5 …   Deutsch Wikipedia

  • Frankenstein oder Der moderne Prometheus — Frankenstein (Ausgabe 1831) Frankenstein oder Frankenstein oder Der moderne Prometheus (Original: Frankenstein or The Modern Prometheus) ist ein Roman von Mary Shelley, der 1818 erstmals anonym veröffentlicht wurde. Er erzählt die Geschichte des… …   Deutsch Wikipedia

  • Mensch: Auf der Suche nach den Ursprüngen des typisch Menschlichen —   Auf die Frage, was eigentlich im Verhalten uns Menschen von Tieren unterscheidet, hat es in der Geschichte der Philosophie und Anthropologie die vielfältigsten Antworten gegeben. Ursprünglich und lange Zeit glaubte man beispielsweise, dass… …   Universal-Lexikon

  • Nobel: Der Mann hinter den Preisen —   Alfred Nobel (1833 96) hielt nichts davon, Einzelheiten aus dem Leben anderer Leute zu erfahren. Er meinte: »Wer hat Zeit, Biografien zu lesen, und wer kann so naiv und liebenswürdig sein, sich dafür zu interessieren?« Und so war er denn auch… …   Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”