Die Erde von Flandern

Die Erde von Flandern
Mohnwiese

In Flanders Fields (dt. „Auf Flanderns Feldern“) ist eines der bekanntesten englischsprachigen Gedichte über den Ersten Weltkrieg. Es wurde am 3. Mai 1915 von dem kanadischen Lieutenant Colonel John McCrae, der als Sanitätsoffizier im medizinischen Korps der kanadischen Streitkräfte diente, verfasst, nachdem er am Vortag den Tod seines Freundes während eines Granatenangriffs in der Zweiten Flandernschlacht bei Ypern beklagen musste. McCrae verarbeitete seine Trauer in einem Gedicht über die Felder in Flandern, wo der rot blühende Klatschmohn an das vergossene Blut der Gefallenen erinnert und dabei dennoch die Hoffnung nährt, dass das Leben weitergeht. Der als Rondeau gehaltene Text wurde erstmals am 8. Dezember desselben Jahres in dem britischen Satiremagazin Punch veröffentlicht. In der englischsprachigen Welt avancierte In Flanders Fields zum populärsten Gedicht, das die Sinnlosigkeit des Krieges veranschaulicht. Damit einhergehend wurde die Mohnblume zum Symbol für die Gefallenen.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Laufgraben mit Mohnblumen, Dodengang bei Diksmuide, Westflandern

Während der Flandernschlacht am 22. April 1915 griffen deutsche Truppen erstmals Stellungen der Alliierten mit Chlorgas an und begannen damit den eigentlichen Gaskrieg. Da das Gas schwerer als Luft ist, sank es in die Schützengräben und tötete dort schätzungsweise 10.000 Soldaten, die zumeist einen qualvollen Erstickungstod erlitten. Gegen Ende der Ypern-Offensive, am 25. Mai 1915, waren ungefähr 35.000 deutsche Soldaten gefallen, die Verluste der alliierten Truppen waren ungefähr doppelt so hoch, ganze Orte waren dem Erdboden gleichgemacht worden, die Landschaft verwüstet und blutdurchtränkt. Bald nach der Schlacht wuchs zwischen den Reihen der Gräber mit den zahllosen Holzkreuzen wieder Klatschmohn, der mit seiner leuchtend roten Farbe an das vergossene Blut der toten Soldaten erinnert.

Lieutenant Colonel John Alexander McCrae

Der studierte Mediziner und Schriftsteller John Alexander McCrae (1872–1918), der als Sanitätsoffizier an der Westfront diente, verlor bei einem Angriff am 2. Mai 1915 seinen besten Freund und früheren Studenten, den gerade 22-jährigen Lieutenant Alexis Helmer, durch einen Granatsplitter. Helmer wurde noch am selben Tag auf einer Grabstätte in der Nähe von McCraes Verbandsplatz am Kanal von Ypern beerdigt. In Ermangelung eines Geistlichen hielt McCrae eine kleine Trauerzeremonie. Am darauf folgenden Tag sah der kriegsmüde Lieutenant Colonel in der Nähe des frischen Grabs aufblühenden Klatschmohn und er begann, den Eindruck und seine Gedanken dazu in einem Notizbuch festzuhalten. Dabei wurde er von dem 22-jährigen Sergeant Cyril Allinson beobachtet, der gerade die Feldpost verteilte. Als McCrae seine Notizen beendet hatte, reichte er dem jungen Soldaten das Schriftstück. Allinson war bewegt von den Zeilen, er erinnerte sich später: „Das Gedicht war eine genaue Beschreibung der Szene, die sich uns beiden bot. Das Wort blow kam ursprünglich nicht in der ersten Zeile vor, sondern erst später, als das Gedicht im Punch erschien. Aber es wurde in der zweitletzten Zeile verwendet. Er benutzte das Wort blow (blasen), weil der Mohn an diesem Morgen tatsächlich von einem leichten Ostwind angeblasen wurden. Ich dachte in dem Moment nicht daran, dass es jemals veröffentlicht würde. Es erschien mir nur als eine genaue Beschreibung des Schauplatzes.“[1]

Gedenkplatte auf dem Essex Farm Military Cemetery

Tatsächlich wäre das Gedicht beinahe nicht veröffentlicht worden: McCrae warf es kurzerhand weg. Verschiedenen Quellen zufolge soll der Lieutenant Colonel Edward Morrison – im zivilen Leben ein Redakteur aus Ottawa – das Schriftstück gefunden und an Zeitungsverlage in Großbritannien geschickt haben, wo es schließlich vom Satiremagazin Punch am 8. Dezember 1915 abgedruckt wurde.[1]

John McCrae starb am 28. Januar 1918 an den Folgen einer Lungenentzündung in Verbindung mit einer Meningitis in einem Militärhospital bei Boulogne-sur-Mer in Nordfrankreich.[2] Er wurde mit militärischen Ehren im nahegelegenen Wimereux beigesetzt. Eine Sammlung seiner Gedichte wurde noch im selben Jahr postum unter dem Titel In Flanders Fields and Other Poems veröffentlicht.

In Flanders Field, an der Stelle, an der McCrae das Gedicht schrieb, etwas nördlich von Ypern, befindet sich heute ein Soldatenfriedhof, der als Essex Farm Military Cemetery bekannt ist. Die einstigen Bunker und Gräben sind erhalten. Ein Denkmal des Brügger Bildhauers Pieter-Hein Boudens erinnert dort an John McCrae, sein Gedicht ist auf einer Gedenkplatte eingraviert, die an einem der Bunker angebracht ist.[3] Auf dem Friedhof befinden sich 1204 Gräber, davon 1107 Briten, 9 Kanadier, 83 nicht identifizierte Opfer und 5 Deutsche.[4]

Ferner ist ein US-amerikanischer Soldatenfriedhof nach In Flanders Field benannt, auf dem 368 Amerikaner beerdigt liegen. Der Friedhof liegt in der Nähe des belgischen Ortes Waregem, nicht identisch mit der Stelle, wo McCrae sein Gedicht schrieb. Der Bronzefuß des Flaggenmastes der Gedenkstätte ist mit Mohnblumen und Margeriten bepflanzt.[5]

Das Gedicht

In Flanders Fields
In Flanders fields the poppies blow
Between the crosses, row on row,
That mark our place; and in the sky
The larks, still bravely singing, fly
Scarce heard amid the guns below.
We are the dead. Short days ago
We lived, felt dawn, saw sunset glow,
Loved, and were loved, and now we lie
In Flanders fields.
Take up our quarrel with the foe:
To you from failing hands we throw
The torch; be yours to hold it high.
If ye break faith with us who die
We shall not sleep, though poppies grow
In Flanders fields

Auf Flanderns Feldern

Auf Flanderns Feldern blüht der Mohn
Zwischen den Kreuzen, Reih’ um Reih’,
Die unseren Platz markieren; und am Himmel
Fliegen die Lerchen noch immer tapfer singend
Unten zwischen den Kanonen kaum gehört.

Wir sind die Toten. Vor wen’gen Tagen noch
Lebten wir, fühlten den Morgen nahen und sahen den leuchtenden Sonnenuntergang,
Liebten und wurden geliebt, und nun liegen wir
Auf Flanderns Feldern.

Nehmt auf uns’ren Streit mit dem Feind:
Von versagenden Händen werfen wir Euch zu
Die Fackel, die Eure sei, sie hoch zu halten.
Brecht Ihr den Bund mit uns, die wir sterben
So werden wir nicht schlafen, obgleich Mohn wächst
Auf Flanderns Feldern.

Symbolik

Künstliche Mohnblumen erinnern an die Toten der Weltkriege am Remembrance Day

Der Klatschmohn (engl. poppy) wurde aufgrund des Gedichts alsbald zur symbolischen Blume des Gedenkens an die zahl- und namenlosen Opfer des Krieges, weshalb der Kriegstotengedenktag in englischsprachigen Ländern, der Remembrance Day, auch Poppy Day genannt wird, an dem symbolisch künstliche Mohnblumen verteilt und am Revers getragen werden. Oft werden an den Gedenkstätten und Gräbern auch Mohnblumen niedergelegt. In den meisten englischsprachigen Ländern sowie in Belgien und Frankreich ist dieser Gedenktag der 11. November.

Der Mohn in McCraes Gedicht wird neben der Assoziation mit der roten Farbe des Bluts der Gefallenen auch in Zusammenhang mit der narkotisierenden Wirkungen des Schlafmohns (Papaver somniferum) interpretiert, aus dem Morphium gewonnen wird, welches als starkes Schmerzmittel für die schwer verwundeten Soldaten eingesetzt wurde.[5]

In Flanders Fields Museum

Im ersten Stockwerk der Tuchhallen von Ypern erinnert das interaktive In Flanders Fields Museum an die Geschehnisse des Ersten Weltkriegs und dokumentiert anhand von Fotografien, Filmen und historischen Gegenständen, Modellen und Schaukästen das Leben und Sterben der Soldaten an der Westfront sowie die Zerstörung und den Wiederaufbau einer ganzen Region.

Literatur

  • John McCrae: In Flanders Fields and other Poems. William Briggs 1919; Nachdruck bei Dodo Press, 2005, ISBN 1-905432-28-3
  • Linda Granfield (Autor), Janet Wilson (Illustrationen): In Flanders Fields: The Story of the Poem by John McCrae. Doubleday, 1996, ISBN 0-385-32228-3

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b The History of the Red Poppy. The Australian Army. Abgerufen am 2. August 2008.
  2. John McCrae Biography. Dictionary of Canadian Biography Online. Abgerufen am 25. August 2008.
  3. Ulf Dammann: In Flanders Fields – Klatschmohn als Symbol. Deutschland Radio Berlin, 30. Juli 2004. Abgerufen am 2. August 2008.
  4. World War One Cemeteries: Essex Farm Cemetery. Abgerufen am 2. August 2008.
  5. a b Rob Ruggenberg: The making of 'In Flanders Fields'. In: The Heritage of the Great War/First World War 1914–1918. Abgerufen am 2. August 2008.

50.8710682.8733267Koordinaten: 50° 52′ 16″ N, 2° 52′ 24″ O


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