Die feinen Unterschiede

Die feinen Unterschiede

Die feinen Unterschiede ist der Titel des Hauptwerkes des französischen Soziologen Pierre Bourdieu mit dem Untertitel Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, das im französischen Original zuerst 1979 als La distinction. Critique sociale du jugement erschien. Das Werk beschreibt die kulturellen Abgrenzungsmechanismen zwischen den gesellschaftlichen Schichten.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Bourdieu geht davon aus, dass Geschmack nichts Individuelles darstellt, sondern dass dieser immer etwas von der Gesellschaft Geprägtes ist. Geschmack sei also keine Eigenheit des Menschen, die von Natur aus jeder hat, sondern rühre immer von der Art her, wie jemand sozialisiert wurde und wie und in welchem sozialen Umfeld er sich bewegt. Daher sei die soziale Herkunft, zu der immer ein bestimmter Habitus gehöre, das Entscheidende. So entstehe auch die Zugehörigkeit zu einem bestimmten sozialen Feld. Bourdieu entwickelte diese Auffassung anhand vieler empirischer Beobachtungen, die er im Rahmen seiner Studie durchführte.

Dabei unterscheidet Bourdieu drei Dimensionen des Geschmacks:

  1. die Dimension des legitimen Geschmacks,
  2. die Dimension des mittleren Geschmacks,
  3. die Dimension des populären Geschmacks.

Die Unterschiede dieser drei Dimensionen erläutert Bourdieu unter anderem am Beispiel der kulturellen Praxis des Musikhörens. Das Kulturelle ist demzufolge nichts Autonomes oder Spontanes, sondern immer Ergebnis der jeweiligen Sozialisation, wie Bourdieu anhand zahlreicher Alltagshandlungen belegt. Unter anderem geht er auch auf spezifische Verhaltensweisen und Geschmacksrichtungen in den Bereichen Essen und Trinken, Kleidungsstil oder Wohnungseinrichtung ein. Durch die Etablierung von Geschmacksrichtungen erfolge eine Stabilisierung sowie Manifestierung sozialer Unterschiede in einer Gesellschaft. Die verschiedenen „Geschmacksklassen“ reproduzieren sich demnach auch selbst.

Mit dieser Anschauung überwindet Bourdieu die klassische Unterscheidung von Mikrotheorie und Makrotheorie, indem er zu beweisen versucht, dass objektive Strukturen und subjektive Orientierungen eng miteinander verbunden sind. Das Individuum kann ihm zufolge ausschließlich als Repräsentant einer mit bestimmten sozioökonomischen Merkmalen versehenen Gruppierung angesehen werden.

Somit lässt sich laut Bourdieu eine erweiterte Klassentheorie begründen, da der Begriff der Klasse nun nicht mehr eng an die ökonomische Position gebunden bleibt, sondern in den Bereich des Kulturellen erweiterbar ist.

Entstehung

Die feinen Unterschiede ist die schriftliche Ausarbeitung einer umfassenden Studie, die Bourdieu von 1963 bis 1979 durchführte. Das Werk ist geprägt von zahlreichen Detailbeobachtungen, die durch eine Fülle von verwendetem Material belegt werden. Zum Hauptwerk Bourdieus wurde das Buch unter anderem dadurch, dass darin die meisten Aspekte und Themen, mit denen sich Bourdieu zeitlebens beschäftigt hat, theoretisch und empirisch zusammenlaufen. Bourdieu setzt sich in Die feinen Unterschiede auch mit der bürgerlichen Ideologie von Immanuel Kant kritisch auseinander.

Literatur

  • Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-51828-258-1 (französisch: La distinction. Critique sociale du jugement. Paris 1979).
  • Annette Treibel: Einführung in soziologische Theorien der Gegenwart. UTB & Leske und Budrich, Opladen 1993, ISBN 3-8252-8070-5.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Grundhaare, die — Die Grundhaare, sing. inus. oder das Grundhaar, plur. inus. bey den Huthmachern, die feinen weichen Haare, welche die Thiere im Winter haben; zum Unterschiede von den gröbern Sommerhaaren. Bey den Gärbern werden die in der Haut verborgenen… …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • Kreta: Die Palastkultur —   Verglichen mit der Faszination und der Wirkung auf die europäische Geistesgeschichte, die von der phantastischen Bilderwelt der minoischen Palastkultur ausgingen, sind die gesicherten Erkenntnisse über die Kulturgeschichte des frühen Kreta weit …   Universal-Lexikon

  • Bahre, die — Die Bahre, plur. die n, im gemeinen Leben, ein Werkzeug zum Tragen, welches aus zwey Stangen bestehet, die mit Querhölzern verbunden sind; edler eine Trage. Daher die Mistbahre, die Handbahre, die Todtenbahre, welche letztere auch nur schlechthin …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • Münze (2), die — 2. Die Münze, plur. die n, geprägtes Metall. 1. Eigentlich, wo dieses Wort auf doppelte Art gebraucht wird. 1) Als ein individuelles Nennwort, einzelne Stücke geprägten Metalles zu bezeichnen; in welchem Verstande es doch nur von sogenannten… …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • La Distinction — Die feinen Unterschiede : Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft (im Original: La distinction. Critique sociale du jugement) ist der Titel des Hauptwerkes des französischen Soziologen Pierre Bourdieu. Es beschreibt die kulturellen… …   Deutsch Wikipedia

  • Koreanische Sitten und Bräuche — Die koreanischen Sitten und Bräuche unterscheiden sich grundlegend von denen in Europa. Manche Verhaltensweisen werden gänzlich unterschiedlich bewertet. Für nicht in Korea aufgewachsene Menschen ist es quasi unmöglich, nicht gegen irgendwelche… …   Deutsch Wikipedia

  • Tourismuswissenschaft — Die Tourismuswissenschaft existiert als Wortschöpfung erst seit Beginn der 1990er Jahre. Der Begriff ist noch nicht etabliert und es ist umstritten, ob es eine eigene Tourismuswissenschaft gibt oder ob man nicht eher von Tourismuswissenschaften… …   Deutsch Wikipedia

  • Korrespondenzanalyse — Die Korrespondenzanalyse abgekürzt CA (correspondence analysis) ist ein Verfahren der multivariaten Statistik, mit dem die Beziehungen der Variablen einer Kontingenztafel graphisch repräsentiert werden. Die Spalten und Reihenprofile einer Matrix… …   Deutsch Wikipedia

  • Fisch (Wappentier) — Die Art Fisch als Wappentier im Wappen ist eine beliebte gemeine Figur in der Heraldik. Von der Beschreibung (Blasonierung) ausgehend, bleibt im Wappenschild oder im Feld selten eine eindeutig bestimmbare Fischart übrig. Die feinen Unterschiede… …   Deutsch Wikipedia

  • Pierre Bourdieu — Pierre Félix Bourdieu [pjɛːʀ feˈliks buʀˈdjø] (* 1. August 1930 in Denguin; † 23. Januar 2002 in Paris) war ein französischer Soziologe. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1.1 Familie und Ausbildung …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”