Dispute Settlement Body

Dispute Settlement Body

Der Dispute Settlement Body ist ein Gremium der WTO, das sich aus Vertretern aller Mitgliedstaaten zusammensetzt und ein wichtiger Bestandteil des WTO-Streitschlichtungsverfahrens (Dispute Settlement Understanding) ist. Kommt es zwischen Mitgliedstaaten zum Streitfall über die Auslegung eines von der WTO verwalteten Handelsabkommens, dann können diese Parteien den Dispute Settlement Body anrufen. In Zusammenarbeit mit einem Streitschlichtungspanel (Dispute Panel) und dem Standing Appellate Body arbeitet das Gremium einen Schiedsspruch aus, den die siegreiche Partei wenn nötig mit Zwangsmaßnahmen durchsetzen darf.

Inhaltsverzeichnis

Verfahren

Einleitung des Verfahrens

Ein Verfahren wird dadurch eingeleitet, dass ein Mitgliedstaat von einem anderen Mitgliedstaat verlangt, über einen behaupteten Vertragsverstoß Verhandlungen aufzunehmen.

Einzelne Personen oder Unternehmen können kein Verfahren einleiten. Dazu sind nur Mitgliedstaaten berechtigt. Es bleibt einzelnen Unternehmen aber unbenommen, sich bei ihrer jeweiligen Regierung oder bei der Regierung eines anderen Mitgliedstaates zu beschweren und die Einleitung eines Verfahrens zu verlangen. In der EU gilt für derartige Fälle die Verordnung 3286/94, in der die Zusammenarbeit der Kommission mit der Industrie bei der Einleitung von Verfahren geregelt ist. [1]

Reaktion des anderen Mitgliedstaates

Der andere Mitgliedstaat hat innerhalb von zehn Tagen zu reagieren und innerhalb von dreißig Tagen ernsthafte Verhandlungen mit dem Ziel aufzunehmen, den Konflikt einverständlich zu erledigen.

In den Verfahren bis 2001 wurden 28 Prozent der Verfahren in diesem Stadium einvernehmlich beigelegt.[2]

Einberufung eines Panels

Wenn der Konflikt nicht durch Verhandlungen innerhalb von sechzig Tagen erledigt ist, kann der beschwerdeführende Mitgliedstaat durch einseitige Erklärung die Einrichtung eines Panels bewirken. Dies kann nur durch einstimmigen Beschluss aller anderen Mitgliedstaaten abgelehnt werden. Dazu kommt es in der Praxis nicht.

Demgegenüber war in der GATT-Ära die Lage umgekehrt. Die Einrichtung eines Panels konnte durch das Veto eines einzelnen Mitgliedstaates verhindert und daher nicht gegen den Gegner eines Verfahrens durchgesetzt werden.

Mitglieder eines Panels sind Professoren, die sich mit dem internationalen Handelsrecht beschäftigen, oder Diplomaten von Mitgliedstaaten, die mit der Materie vertraut sind, zumeist sind es jedoch aktuelle oder ehemalige Regierungsvertreter. Zur Vermeidung von Interessenkonflikten werden die Mitglieder aus Ländern bestellt, die an dem Konflikt nicht beteiligt sind.

Rechtsauslegung durch das Panel

Das Panel hat die Aufgabe, die Verträge auszulegen und festzustellen, ob ein Vertragsverstoß vorliegt. Dazu verwendet es die Maßstäbe des Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge. Danach ist vom Wortlaut der Verträge auszugehen; falls dieser kein eindeutiges Ergebnis vorgibt, ist es möglich, auf die Vorarbeiten bei den Verhandlungen zurückzugreifen.

Weiter gelten die Grundsätze ut res magis valeat quam pereat und in dubio mitius. Eine Auslegung, unter der ein Teil eines Vertrages sinnlos und überflüssig wird, ist zu vermeiden. Und im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Mitgliedstaaten sich Rechte vorbehalten und nicht abgegeben haben.[3]

Rechtsmittel

Ein Mitgliedstaat, der mit einer Entscheidung eines Panels nicht einverstanden ist, kann dagegen den Appellate Body anrufen. Dieser wird als mächtigstes Gericht der Welt bezeichnet.[4] Er besteht aus sieben Mitgliedern, die für jeweils vier Jahre bestellt sind.

Weiteres Verfahren

Wenn ein Vertragsverstoß eines Mitgliedstaates festgestellt wurde, ist dieser verpflichtet, den betreffenden Verstoß zu beheben. Falls dies nicht geschieht, können Rechte dieses Mitgliedstaates aus den Verträgen eingeschränkt werden. Ein Prozessverlust vor der WTO kann daher zur Verhängung von Strafzöllen führen.

Dagegen hat ein derartiges Urteil weder in den USA noch in der EU direkte Wirkung. Privatpersonen oder Unternehmen können etwa nicht gegen die Geltung von Regeln des EU-Rechts einwenden, dies sei nach einer Panel-Entscheidung nicht mit WTO-Recht vereinbar.

Einzelfragen

Rechtsschutzinteresse

Ein Rechtsschutzinteresse ist für die Einleitung eines Verfahrens nicht erforderlich. Ein Mitgliedstaat kann eine Vertragsverletzung auch rügen, wenn er damit nicht geltend macht, in eigenen Interessen beeinträchtigt zu sein.[5]

Vertretung durch Rechtsanwälte

Mitgliedstaaten können sich in dem Verfahren durch Rechtsanwälte vertreten lassen und sind nicht darauf beschränkt, das Verfahren durch eigene Diplomaten zu führen.[6] Dies ist vor allem für Entwicklungsländer wichtig, die nicht unbedingt genügend eigene Sachkenner unter ihren Diplomaten haben.

Schriftsätze von Dritten

Nichtregierungsorganisationen haben häufig ein Interesse am Ausgang von Verfahren. Sie sind aber nicht Partei. Daher können sie zwar an ein Panel gerichtete Schriftsätze einreichen; es bleibt aber dem Ermessen des Panels überlassen, ob es diese berücksichtigen will.[7]

Abstrakte Normenkontrolle

Eine abstrakte Normenkontrolle ist in diesem Verfahren zulässig.

Öffentlichkeit des Verfahrens

Bis 2005 waren alle Verhandlungen im Verfahren für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Erst im Verfahren über Hormone in Rindfleisch (Aktenzeichen DS 320, DS 321) wurde 2005 zum ersten Mal eine Übertragung per Fernsehsignal in einen gesonderten Saal für Zuhörer verwirklicht.[8]

Überblick über die bisherigen Verfahren

In den ersten zehn Jahren der WTO wurden 325 Verfahren durchgeführt. Dies ist mehr als in dem halben Jahrhundert der bisherigen Geschichte des GATT insgesamt. Die Mitgliedstaaten benutzen also dieses Verfahren deutlich häufiger als vor der Gründung der WTO. Besonders die USA waren in diesem Zeitraum an 60 Prozent der Verfahren beteiligt und haben 80 Verfahren eingeleitet, so dass für die Handelsbeziehungen der USA das Verfahren vor dem Dispute Settlement Body von erheblicher Bedeutung ist.[9]

Der Schwerpunkt der Verfahren liegt dabei mit über 30 bei der Anwendung des GATT, gefolgt von Verfahren zum Antidumping und zum Subventionsrecht mit jeweils über 25. [10]

Einzelnachweise

  1. http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/r11007.htm Vgl. näher die Website der EU-Kommission zu diesem Punkt.
  2. Hilf/Oeter, S. 512.
  3. Hilf/Oeter, WTO-Recht, S. 517.
  4. Sands, Lawless World, S. 99.
  5. Hilf/Oeter, S. 522 f.
  6. Hilf/Oeter, S. 523 f.
  7. Hilf/Oeter, S. 524 f.
  8. WTO News, WTO opens panel proceeding to public for the first time.
  9. Panitchpakdi, The WTO after 10 years: the lessons learned and the challenges ahead, 11. März 2005
  10. Vgl. die Übersicht auf der WTO-Website

Weblinks

WTO Portalseite

Literatur

Meinhard Hilf, Stefan Oeter, WTO-Recht. Rechtsordnung des Welthandels, 2005.

Philippe Sands, Lawless World, 2005.

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