Draisine (Laufmaschine)

Draisine (Laufmaschine)
Abgewandelte Holzdraisine von ca. 1820, die Urform des heutigen Fahrrads und Motorrads - das erste Fortbewegungsmittel auf Grundlage des Zweiradprinzips
Lenkbares Vorderrad

Die Draisine oder Laufmaschine (so auch der vom Erfinder verwendete Name) ist ein einspuriges, von Menschenkraft betriebenes Fahrzeug ohne Pedale, das als Urform des heutigen Fahrrads gilt. Sie wurde vom badischen Erfinder Karl Drais 1817 in Mannheim entwickelt und zum Patent angemeldet (badisches Privileg und französisches Brevet 1818). Gründe für die Entwicklung waren Hungersnot, Futtermangel und Pferdesterben nach der Tambora-Eruption.[1][2]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Drais' Maßlaufmaschine 1817

Die Draisine gilt als das erste menschliche Fortbewegungsmittel, bei dem zwei Räder hintereinander laufen. Damit war – ohne Vorbild in der Natur – das bis dahin unbekannte Zweiradprinzip erfunden und erstmals in ebenem Gelände eine rasche Fortbewegung ohne Pferd möglich. Die allererste Laufmaschine hatte keinen beweglichen Lenker sondern lediglich Armstützen. Erst in einem zweiten Schritt ordnete Drais das Vorderrad um seine vertikale Achse drehbar an, wodurch das Kurvenfahren erst möglich wurde. In England hatte ein anderer das Laufrad ebenfalls zum Patent angemeldet und ihm den Namen Dandy horse gegeben.[3]

Die Vorrichtung erhielt bald nach ihrem Erfinder die Bezeichnung Draisine (französisch le vélocipède oder la draisienne, englisch the velocipede bzw. draisine). Die Fahrer wurden „Draisinenreiter“ genannt. Die Erfindung wurde alsbald nachgeahmt aber auch verspottet: siehe hierzu Karl Drais. Wegen Schwierigkeiten in der sicheren Beherrschung des Laufrades, seines Gewichtes, den harten Rädern auf schlechten Wegen und (wahrscheinlich auch) wegen seines Preises erlangte dieses Fortbewegungsmittel, mit dem etwa die dreifache Gehgeschwindigkeit erreicht werden konnte, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts keine größere Verbreitung.

Fehlrestaurierte Laufmaschine aus Drais' Nachlass 1851 (Nachbau)

In einer späteren Veröffentlichung erschien dazu diese Einschätzung:[4]

Diese Laufmaschinen hatten nur wenige Jahre Erfolg, die Obrigkeit verbot alsbald das allein mögliche Fahren auf den Gehwegen, und nach Sands Hinrichtung 1820 mobbten die Burschenschafter den Erfinder und Sohn des Oberhofrichters. Die Erfindung geriet etwas in Vergessenheit. Da die Leute Angst vor dem Balancieren hatten, griffen sie lieber auf mehrspurige Velozipede zurück [...]. Etwa 50 Jahre später kamen Rollschuhbahnen auf, die Bevölkerung war nun eher bereit, das Balancieren zu wagen. Nun wurde das Fahrrad 'vélocipède bicycle' genannt, also 'zweirädriger Schnellfuß'.“

Im Jahr 1862 tauchte die Draisine in zweckmäßig veränderter Konstruktion wieder auf. Vor allem hatte der Franzose Pierre Michaux inzwischen Tretkurbeln an einem Rad des Fahrzeugs angebracht, mit dem der Nutzer die Vorwärtsbewegung durch Beinkraft erreichte. Auch Veränderungen an Rahmen, Sitzen (Einführung gefederter Sättel) erfolgten und Michaux nahm mit einem solchen Fahrrad an der Weltausstellung Paris 1867 teil. Sein Exponat erregte Aufsehen und führte zur Gründung der ersten Fabrik zur Herstellung von Fahrrädern, der Compagnie Parisienne, ancienne maison Michaux & Comp. Die Fahrzeuge hießen nun Velocipede.[3] Es vergingen noch etliche Jahre, in denen der Holzrahmen durch Stahl ersetzt, die Luftbereifung eingeführt, der Kettenantrieb entwickelt wurde. So wurden aus den ersten Draisinen schließlich die heutigen modernen Fahrräder.

Technik

Zwischen zwei hintereinander stehenden Rädern befindet sich ein Sattel als Sitz und ein Bügel zum Aufstemmen der Arme und zum Lenken des Vorderrades. Die Fortbewegung erfolgt durch abwechselndes Abstoßen der Füße auf dem Erdboden. Auf ebenen Wegen kann man so bis zu 15 km/h erreichen. Das Hinterrad ist fest mit dem Rahmen verbunden, während das Vorderrad um eine senkrechte Achse drehbar ist.

Kinderlaufrad

Kinderlaufrad aus Holz

Bereits nach der Vorstellung einer Laufmaschine für erwachsene Personen wurden auch solche Geräte für Kinder angefertigt. Im 20. Jahrhundert erhielt das Prinzip Laufrad eine neue Chance, es entstanden neue robuste Kinderlaufräder (englisch balance bicycle) für etwa zwei- bis sechsjährige Kinder und wurden rasch populär. Der Produktdesigner Rolf Mertens hat im Jahr 1997 lt. Marc Brost & Wolfgang Uchatius[5] diese gut zum Laufen- und Balancierenlernen geeigneten Geräte überarbeitet und mit dem Vertrieb begonnen. Die ersten dieser Kinderlaufräder waren aus Holz, inzwischen werden auch solche mit Rahmen aus Stahl oder Aluminium angeboten. Kinder, die mit einem Laufrad geübt haben, können später schneller das Fahrradfahren erlernen.

Literatur

  • Hans-Erhard Lessing: Automobilität – Karl Drais und die unglaublichen Anfänge. Maxime-Verlag, Leipzig 2003. ISBN 3-931965-22-8

Weblinks

 Commons: Draisine – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Drais-Memoriale von Sven Fink
  2. Paolo Faccinetti, Guido P. Rubino: Campagnolo – ein Unternehmen schreibt Fahrradgeschichte; Delius Klasing Moby Dick; 1. Auflage 2009; ISBN 978-3-7688-5275-3
  3. a b Heinrich Samter (Hrsg.): Das Reich der Erfindungen. Verlag von W. Herlet, Berlin u. Leipzig, 1901. Seite 754ff: Die Draisinen oder Velocipede
  4. Pryor Dodge: Faszination Fahrrad. Geschichte – Technik – Entwicklung. Aus dem Englischen von Renate Bauer-Lessing. Moby-Dick-Verlag, Kiel 1997, ISBN 3-89595-118-8 (Delius-Klasing)
  5. Ein Laufrad für Deutschland. In: Die Zeit. Nr. 17, 16. April 2009, S. 19

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