Du hast das Leben noch vor dir

Du hast das Leben noch vor dir

Du hast das Leben noch vor dir (Originaltitel: La vie devant soi) ist ein im Jahr 1975 von Romain Gary unter dem Pseudonym Émile Ajar veröffentlichter Roman. Er wurde noch im selben Jahr mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Der vierzehnjährige Mohammed, Momo genannt, lebt in dem Pariser Stadtviertel Belleville bei Madame Rosa, einer alten Jüdin, die Auschwitz überlebt hat. Hier hatte ihn sein Vater vor vielen Jahren abgegeben. Er ist nicht das einzige Kind dort, die meisten, die Rosa aufzieht, sind die Kinder von Prostituierten, die dafür Geld anweisen. Momo schlägt sich durch so gut er kann. Und als Madame Rosa älter wird und ihr Zustand sich dramatisch verschlechtert, wird er es, der Madame Rosa in ihren letzten Tagen beisteht.

Der Roman ist in der Ich-Form geschrieben. Momo hat so viel Bildung wie er aus den Gesprächen mit Madame Rosa, Nachbarn und Bekannten aus Belleville gezogen hat. Für den Leser bedeutet dies eine Begegnung mit dem Verstand und der Perspektive eines kleinen unschuldigen, aber im Elend aufwachsenden Jungen. Momo kennt natürlich nur seine Welt; es ist die Welt von Nutten, Transvestiten, Waisen, Afrikanern und Arabern. Von Madame Rosa weiß er soviel, dass sie Jüdin ist, da mal etwas mit einem Monsieur Hitler war, sie immer noch Angst vor der Gestapo hat, sie keine Papiere hat, weil einem Papiere immer gefährlich werden können. Über sich selbst weiß er von Madame Rosa, dass sie ihn als "Mohammed, daher Moslem" empfangen hat.

Eines Tages steht sein leiblicher Vater vor der Tür und will seinen Sohn sehen. Madame Rosa, die Momo liebt und ihn um nichts in der Welt hergeben möchte, ist glücklicherweise in diesem Augenblick geistesgegenwärtig genug, Momo nicht zu verraten; also behauptet sie, seinen Sohn versehentlich vertauscht zu haben, und der als Jude aufgezogene Moïse - neben Momo der einzige Junge, der noch bei ihr wohnt - sei sein Kind. An dieser Information stirbt der Mann plötzlich. Momo weiß jetzt, dass er in Wirklichkeit vier Jahre älter ist als er bislang gedacht hat und dass seine Mutter Aïcha von seinem Vater umgebracht worden war, wofür er zwar nicht ins Gefängnis, aber in die Psychiatrie gebracht worden war.

Als sich Madame Rosas Gesundheitszustand weiter verschlechtert, will er sie davor bewahren, wie Gemüse im Krankenhaus ohne Bewusstsein am Leben gehalten zu werden, indem er allen, die ihn fragen, erzählt, Madame Rosa würde von Verwandten aus Israel geholt werden. Tatsächlich gehen Momo und Madame Rosa, die ihre letzten Kräfte mobilisiert, in ihr jüdisches Versteck im Keller. Dort stirbt Madame Rosa. Momo will es tagelang nicht wahrhaben, schminkt und parfümiert sie, aber irgendwann kommt alles heraus und Momo kann seine wahre Geschichte erzählen...

Verfilmungen

Die erste und bekanntere Verfilmung wurde im November 1977 als "La Vie devant soi", englisch und deutsch 1978 als "Madame Rosa", durch Moshé Mizrahi mit Simone Signoret als Hauptdarstellerin veröffentlicht. Das Werk erhielt 1978 den Oscar für den "besten fremdsprachigen Film" in den USA. Signoret bekam 1978 für diese Rolle den César als "beste Schauspielerin". Weitere Preise wurde verliehen. Kommerziell in Englisch (VHS) seit 1996 bei Henstooth (es gibt keine französische Fassung im Vertrieb).

2010 entstand nach einer Theaterfassung von Xavier Jallard und einem Drehbuch von und mit Myriam Boyer, die bereits in der Hauptrolle der Madame Rosa brilliert hatte, eine Neuverfilmung fürs Fernsehen, bei dem Boyer diesmal sowohl die Regie als auch wiederholt die Hauptrolle übernahm. Diese Version wurde erstmals am 22.Dezember 2010 auf ARTE ausgestrahlt.

Trivia

Die Figur des Momo hat Ähnlichkeiten mit dem Sohn von Romain Gary und Jean Seberg Diego Gary (* 1963), der nach der Scheidung der Eltern im gemeinsam bewohnten Haus von einer spanischen Haushälterin aufgezogen worden war.

Die Zuerkennung des Prix Goncourt für 'Du hast das Leben noch vor dir' führte zu einem der größten Skandale der französischen Literaturgeschichte; denn Romain Gary hatte unter seinem eigenen Namen diesen Preis bereits 1956 für 'Die Wurzeln des Himmels' bekommen. Die Regeln des Prix Goncourt verbieten es, dass ein Autor mehrmals mit diesem Preis ausgezeichnet wird.

Motive von Du hast das Leben noch vor dir finden sich in Éric-Emmanuel Schmitts Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran (Originaltitel: Monsieur Ibrahim et les fleurs du Coran) wieder, was zu entsprechenden Plagiatsvorwürfen geführt hat. (siehe Weblinks).

Ausgaben

Die Deutsche Nationalbibliografie verzeichnet 2008 insges. 17 deutschsprachige Ausgaben, Übersetzer Eugen Helmlé, sowie eine dänische (diese unter dem frz. Titel). Es gibt auch 2 Ausgaben nur unter dem Klarnamen Romain Gary: Diana-Verlag 2002 ISBN 3453195868 & ebd. 2003 ISBN 3453881567.

  • Émile Ajar: Du hast das Leben noch vor dir. Roman. Volk und Welt, Berlin 1978
  • In der BRD erschien 2007 eine Ausgabe in Französisch für Schulzwecke: Klett, Stuttgart ISBN 3-12-597269-8
  • Nichtkommerzielles Hörbuch: Daisy-CD Nr. H 4506, 402 Minuten, erhältlich bei Deutsche Zentralbücherei für Blinde DZB, Postfach 100245, D 04002 Leipzig (in Deutsch)
  • Hörbuch in Französisch: CD, Gallimard, Paris 2004, Sprecherin Bernadette Lafont & Sprecher Kamel Belghazi. Serie Ecoutez, lire. EAN 3260050672689

Weblinks


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