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Viktor Agartz (* 15. November 1897 in Remscheid; † 9. Dezember 1964 in Bensberg bei Köln) war ein sozialistischer deutscher Wirtschaftswissenschaftler und Gewerkschafter.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Der aus Remscheid stammende Sohn eines Metallarbeiters kam während seines Studiums der Volkswirtschaftslehre, Rechtswissenschaften und Politik an den Universitäten Marburg und Köln mit sozialistischen Ideen in Berührung. Agartz trat der SPD bei, wo er zum linken Flügel gehörte. 1920 beteiligte er sich am Generalstreik und Widerstand gegen den Kapp-Putsch. Nach der Promotion zum Dr.rer.pol. 1924 (" Das praktische Verhalten der Arbeiterschaft gegenüber der Durchführung des Betriebsschutzes") arbeitete er als wissenschaftlicher Assistent und später als Vorstandsmitglied bei der Kölner Konsumgenossenschaft und war in der Bildungsarbeit der freien Gewerkschaften tätig.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Agartz aus seiner Position bei den Konsumgenossenschaften nach der Übernahme durch die Deutsche Arbeitsfront aus politischen Gründen entlassen, arbeitete als Wirtschaftsprüfer und beteiligte sich im Rahmen sozialdemokratischer Gruppen am Widerstand gegen den Nationalsozialismus. In seiner beruflichen Position konnte er, nach der eigenen Darstellung in seinen Erinnerungen "Verraten und verkauft", das Vermögen verschiedener katholischer Vereinigungen (Kolpingwerk, PAX - Vereinigung katholischer Kleriker e.V. und Steyler Missionare) vor dem Zugriff des nationalsozialistischen Regimes retten.
1945 nach der Befreiung vom Nationalsozialismus beteiligte sich Agartz aktiv am Wiederaufbau von SPD und Gewerkschaften und wurde 1946 Leiter des Zentralamts für Wirtschaft in der britischen Zone, 1947 Leiter des Bizonen-Wirtschaftsamtes in Minden. Seine Forderung nach einer geplanten Wirtschaft führte jedoch schnell zu seiner Entlassung. Er gehörte sowohl dem Zonenbeirat für die britische Besatzungszone als auch dem Wirtschaftsrat für die Bizone an. Er leitete von 1948 bis 1955 das Wirtschaftswissenschaftliche Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes (WWI) und gehörte als Mitglied der SPD dem Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums an. Agartz entwickelte das Konzept der „expansiven Lohnpolitik“, nach der Tarifverhandlungen auch als Mittel der Umverteilung gesehen werden. Hohe Lohnforderungen sollten einen Anreiz zur Rationalisierung darstellen. Innerhalb des DGBs konnte sich aber Agartz radikale Linie, nachdem er zunächst das Grundsatzprogramm von 1949 und das Aktionsprogramm von 1954 mitverfasst hatte, nicht durchsetzen. Nach seinem Rücktritt von der Leitung des WWI 1955 in Folge innergewerkschaftlicher Auseinandersetzungen gab er die linkssozialistisch orientierte Korrespondenz für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften - WISO heraus.
1957 wurde Agartz des Hochverrats angeklagt und vor Gericht gestellt, wo ihn Gustav Heinemann verteidigte. Der Bundesgerichtshof sprach Agartz aber vom Vorwurf frei, verfassungsfeindliche Beziehungen zur SED und zum FDGB (dieser hatte eine gewisse Anzahl an WISO-Abonnements abgenommen, was in der Agartz gegenüber kritischen Presse als "Ostfinanzierung" bezeichnet wurde) in der DDR zu unterhalten. 1958 wurde er wegen parteischädigenden Verhaltens aus der SPD und dem DGB ausgeschlossen. Er wurde danach zu einem führenden Vertreter der "Vereinigung unabhängiger Sozialisten" (VUS), einem Zusammenschluss von Linkssozialisten, die aus der SPD ausgeschlossen oder ausgetreten waren. Da er deren Annäherung an die neu gegründete DFU nicht mitvollziehen wollte, trat er im April 1961 wieder aus. Im gleichen Jahr musste er die WISO aus finanziellen Gründen einstellen und zog sich verbittert aus der Öffentlichkeit zurück.
2007 beginnen das WSI der Hans-Böckler-Stiftung und die Rosa-Luxemburg-Stiftung Nordrhein-Westfalen mit einer neuorientierten Würdigung der historischen Bedeutung von Viktor Agartz. [1]
Zitate
- „Ich lehne die politische Justiz ab. Das Urteil über meine politische Haltung erwarte ich nicht von diesem Gericht. Das Urteil über mich überlasse ich der deutschen Arbeiterklasse.“ (während des Prozesses 1957 vor dem Bundesgerichtshof)
Weblinks
- Literatur von und über Viktor Agartz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Werke (Auszug)
- Sozialistische Wirtschaftspolitik Karlsruhe 1946.
- Gesetz 75 und Ruhrstatut. Bund-Verlag, Köln 1950 (gemeinsam mit Heinrich Deist)
- Verraten und verkauft. Eine Abrechnung Fulda 1958 (unter Pseudonym Hans G. Hermann). Erneut: az Verlag, Frankfurt am Main,1983, ISBN 3-923440-05-7
- Gewerkschaft und Arbeiterklasse: Die ideologische und soziologische Wandlungen in der westdeutschen Arbeiterbewegung, Trikont-Verlag, München 1971 ISBN 3-920385-32-2
- Wirtschaft, Lohn, Gewerkschaft: ausgewählte Schriften Berlin 1982 ISBN 3-88114-226-6
- Partei, Gewerkschaft und Genossenschaft Frankfurt/Main 1985 ISBN 3-923440-09-X
- Wirtschafts- und Steuerpolitik, expansive Lohnpolitik Berlin 1986 ISBN 3-88107-048-6
Literatur
- Reinhard Bispinck, Thorsten Schulten, Peeter Raane (Hrsg.): Wirtschaftsdemokratie und expansive Lohnpolitik. Zur Aktualität von Viktor Agartz. VSA-Verlag Hamburg 2008. ISBN 978-3-89965-282-6
- Christoph Jünke: Das dritte Leben des Viktor Agartz. In: Mitteilungsblatt des Instituts für soziale Bewegungen, Nr. 40/2008, S. 39-60. ISSN 0173-2471.
Personendaten NAME Agartz, Viktor KURZBESCHREIBUNG deutscher Wirtschaftswissenschaftler GEBURTSDATUM 15. November 1897 GEBURTSORT Remscheid STERBEDATUM 9. Dezember 1964 STERBEORT Bensberg bei Köln
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