Ehrenfestsches Theorem

Ehrenfestsches Theorem

Das Ehrenfest-Theorem, benannt nach dem österreichischen Physiker Paul Ehrenfest, stellt innerhalb der Physik einen Zusammenhang zwischen der klassischen Mechanik und der Quantenmechanik her. Es besagt, dass unter bestimmten Bedingungen die klassischen Bewegungsgleichungen für die Mittelwerte der Quantenmechanik gelten; die klassische Mechanik also in gewissem Maße in der Quantenmechanik enthalten ist (Korrespondenzprinzip).

Mathematisch drückt sich das in seiner allgemeinsten Form so aus, dass die vollständige Zeitableitung des Erwartungswertes eines quantenmechanischen Operators mit dem Kommutator dieses Operators und des Hamiltonoperators wie folgt in Zusammenhang stehen:

\frac{d}{dt}\langle O\rangle = \frac{i}{\hbar }\langle [H,O] \rangle + \left\langle \frac{\partial O}{\partial t}\right\rangle

Dabei stellt O einen quantenmechanischen Operator und \langle O \rangle dessen Erwartungswert dar.

Inhaltsverzeichnis

Klassisches Analogon

Im Hamilton-Formalismus der klassischen Mechanik gilt für die Zeitentwicklung einer Phasenraumfunktion:

\frac{d}{dt}f(p,q,t) = \{H,f\} + \frac{\partial f}{\partial t}

mit der Poisson-Klammer \{H,f\} = \nabla_q H \nabla_p f - \nabla_p H \nabla_q f. Bei der Quantisierung wird die Poisson-Klammer durch den mit i\hbar multiplizierten Kommutator ersetzt. Das quantenmechanische Analogon einer Phasenraumfunktion ist ein Operator (Observable). Somit ist das Ehrenfest-Theorem das direkte Analogon zu der obigen klassischen Aussage.

Anwendung

Für den Spezialfall des nicht explizit zeitabhängigen Impulsoperators p=-i\hbar\nabla gilt somit:

\frac{d}{dt} \langle p \rangle = \frac{i}{\hbar} \langle [H,p] \rangle = \frac{i}{\hbar} \langle [V,p]\rangle = \frac{i}{\hbar} \langle -\frac{\hbar}{i} \nabla V \rangle = - \langle \nabla V \rangle

Da weiterhin für die Zeitentwicklung des Ortsoperators folgt

\frac{d}{dt}\langle x\rangle = \frac{i}{\hbar}\langle[H,x]\rangle =\frac{1}{m}\langle p\rangle

lässt sich folgern:

m\frac{d^2}{dt^2}\langle x\rangle = -\langle\nabla V\rangle = \langle F(x)\rangle

Klassische Näherung

Der Erwartungswert der Kraft F(x) lässt sich in eine Taylorreihe um den Erwartungswert von x entwickeln:

\begin{align}
\left\langle F(x)\right\rangle  & =\left\langle F(\langle x\rangle)+F^{\prime}(\langle x\rangle)(x-\langle x\rangle)+\frac{1}{2}F^{\prime\prime}(\langle x\rangle)(x-\langle x\rangle)^{2}+\mathcal{O}(x^{3})\right\rangle \\
 & =F(\langle x\rangle)+F^{\prime}(\langle x\rangle)\underbrace{\left\langle (x-\langle x\rangle)\right\rangle }_{=0}+\frac{1}{2}F^{\prime\prime}(\langle x\rangle)\underbrace{\left\langle (x-\langle x\rangle)^{2}\right\rangle }_{=(\Delta x)^{2}}+\left\langle \mathcal{O}(x^{3})\right\rangle \\
 & =F(\langle x\rangle)+\frac{1}{2}F^{\prime\prime}(\langle x\rangle)(\Delta x)^{2}+\left\langle \mathcal{O}(x^{3})\right\rangle \end{align}

Berücksichtigt man nur den ersten Summanden, so erhält man

\langle F(x)\rangle\approx F(\langle x \rangle) \qquad (*)

und somit

m\frac{d^2}{dt^2}\langle x\rangle = F(\langle x\rangle).

In Worten bedeutet dies, dass sich der Erwartungswert der Position auf einer klassischen Bahn bewegt, d.h. der klassischen Bewegungsgleichung folgt. Das Ehrenfest-Theorem führt somit direkt auf eine Analogie der Quantenmechanik zur klassischen Mechanik - hier in Form des zweiten Newton'schen Axioms

m\frac{d^2}{dt^2}x=ma(x)=F(x).

Die Annahme (*) und damit auch die klassische Bewegungsgleichung für quantenmechanische Erwartungswerte gelten allerdings nur dann exakt, falls die Kraft F(x) eine lineare Funktion der Position x ist. Dies gilt für die einfachen Fälle des harmonischen Oszillators oder des freien Teilchens (dann verschwinden alle Ortsableitungen der Kraft vom Grad größer gleich 2). Außerdem kann man sagen, dass (*) gilt, wenn die Breite der Aufenthaltswahrscheinlichkeit klein ist gegenüber der typischen Längenskala auf der die Kraft F(x) variiert. Die Bewegungsgleichung für Erwartungswerte lautet mit der nächsten nichtverschwindenden Korrektur zur klassischen Bewegungsgleichung:

m\frac{d^{2}}{dt^{2}}\langle x\rangle=F(\langle x\rangle)+\frac{1}{2}F^{\prime\prime}(\langle x\rangle)(\Delta x)^{2}

Herleitung

Es sei das betrachtete System im Quantenzustand Ψ. Man erhält somit für die Zeitableitung des Erwartungswertes eines Operators O:

\frac{d}{dt}\langle O \rangle = \frac{d}{dt}\int \Psi^* O \Psi dV = \int \left[\left(\frac{\partial \Psi^*}{\partial t}\right)O\Psi + \Psi^*\left(\frac{\partial O}{\partial t}\right)\Psi + \Psi^* O \left(\frac{\partial \Psi}{\partial t}\right)\right]dV =\int \left[ \left(\frac{\partial \Psi^*}{\partial t}\right) O \Psi + \Psi^* O \left(\frac{\partial \Psi}{\partial t}\right)\right]dV + \left\langle \frac{\partial O}{\partial t}\right\rangle

Man betrachtet nun die Schrödingergleichung

 \frac{\partial \Psi}{\partial t} = \frac{1}{i\hbar}H\Psi

 \frac{\partial \Psi^*}{\partial t} = \frac{-1}{i\hbar}\Psi^*H^*=\frac{-1}{i\hbar}\Psi^*H

Im zweiten Schritt wurde mit H = H * ausgenutzt, dass der Hamilton-Operator selbstadjungiert ist. Einsetzen dieser Relationen liefert nun:

\frac{d}{dt}\langle O\rangle = \frac{1}{i\hbar}\int [-\Psi^* HO \Psi + \Psi^* OH\Psi ]dV + \left\langle\frac{\partial O}{\partial t}\right\rangle=\frac{1}{i\hbar}\langle[O,H]\rangle + \left\langle \frac{\partial O}{\partial t}\right\rangle = \frac{i}{\hbar}\langle[H,O]\rangle + \left\langle \frac{\partial O}{\partial t}\right\rangle

Siehe auch

Literatur

  • Leslie E. Ballentine: Quantum Mechanics: A Modern Development 1. Auflage. World Scientific Publishing, Singapore 1998, ISBN 981-02-4105-4
  • P. Ehrenfest: Bemerkung über die angenäherte Gültigkeit der klassischen Mechanik innerhalb der Quantenmechanik Zeitschrift für Physik A Ausgabe 45, Nummern 7-8 / Juli, 1927, Seiten 455-457.

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