Elsaß-Lothringen

Elsaß-Lothringen
Reichsland Elsaß-Lothringen
Wappen Flagge
Wappen des Reichslandes Elsaß-Lothringen
Dienstflagge des Reichslandes Elsaß-Lothringen 1911–1918
Lage im Deutschen Reich
Lage des Reichslandes Elsaß-Lothringen im Deutschen Kaiserreich
 
Landeshauptstadt Straßburg
Regierungsform Teil des Deutschen Kaiserreiches
Staatsoberhaupt Deutscher Kaiser, vertreten durch einen Reichsstatthalter
Dynastie -
Bestehen 1871–1918
Fläche 14.522 km²
Einwohner 1.874.014 (1910)
Bevölkerungsdichte 129 Einwohner/km²
Entstanden aus abgetretenen Gebieten Frankreichs
Aufgegangen in Frz. Départements Moselle, Bas-Rhin, Haut-Rhin
Stimmen im Bundesrat 3 Stimmen (seit 1911)
Kfz-Kennzeichen VI A, B, C
Karte

Reichsland Elsaß-Lothringen ist die Bezeichnung für ein aus Teilen der alten Landschaften Elsass und Lothringen gebildetes Verwaltungsgebiet des Deutschen Reiches von 1871 bis 1918.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

  • Fläche: 14.522 km²
  • Einwohnerzahl (1905): 1.815.000
  • Hauptstadt: Straßburg
  • Größte Städte:
    • Straßburg
    • Colmar (Sitz des Oberlandesgerichtes)
    • Metz

Bevölkerung

Die Volkszählung von 1900[1] ergab folgendes Ergebnis:

Muttersprache:

  • Deutsch: 1.492.347 (86,8 %)
  • Eine andere Sprache: 219.638 (12,8 %)
    • Französisch: 198.318 (11,5 %)
    • Italienisch: 18.750 (1,1 %)
    • Polnisch: 1.410 (0,1 %)
  • Deutsch und eine andere Sprache: 7.485 (0,4 %)

Religiöse/konfessionelle Zugehörigkeit:

  • Katholisch: 1.310.450 (76,21 %)
  • Evangelisch: 372.078 (21,64 %)
  • Andere Christen: 4.416 (0,26 %)
  • Jüdisch: 32.264 (1,88 %)
  • Ohne Angabe: 262 (0,02 %)

Geschichte

Vorgeschichte bis zur Gründung des Reichslandes

Hauptartikel: Geschichte des Elsass

Die heutigen Regionen Elsaß und Lothringen gehörten seit dem Vertrag von Mersen im Jahr 870 zum Ostfränkischen Reich (später Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation). Wie überall bestanden auch hier verschiedene reichsstädtische, geistliche und reichsständische Territorien.

Der größte Teil des späteren Reichslandes wurde durch Frankreich unter Ludwig XIV. im Zuge der Reunionspolitik in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nach und nach annektiert. Straßburg wurde 1681 von Truppen Ludwigs XIV. besetzt. Das Elsaß spielte jedoch noch lange Zeit eine Sonderrolle im französischen Königreich und blieb kulturell deutsch geprägt. Es herrschte auch im Gegensatz zum übrigen Frankreich eine weitgehende Toleranz gegenüber den Protestanten und wirtschaftlich war das Elsaß durch eine Zollgrenze vom übrigen Frankreich getrennt.

In der französischen Revolutionszeit wurde die Region vollständig Teil der französischen I. Republik und blieb auch während des I. Kaiserreiches, der Restaurationszeit, der Julimonarchie, der II. Republik und des II. Kaiserreiches ein Teil Frankreichs. Es war – wie das übrige französische Staatsgebiet – in Départements unterteilt, deren Grenzen sich nicht mit den späteren Grenzen des Reichslandes deckten.

Elsaß-Lothringen im Deutschen Reich

Nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 wurde das Gebiet mit dem Frieden von Frankfurt wieder dem deutschen Hoheitsbereich, dem neu gegründeten Deutschen Kaiserreich angegliedert. Die Grenzziehung im Bereich des Elsaß folgte im Wesentlichen der Sprachgrenze entlang dem Hauptkamm der Vogesen. Die historisch zum südlichen Elsaß (d.h. zum Sundgau) gehörige, aber seit Alters her französischsprachige Stadt Belfort mit ihrem Umland (Territoire de Belfort) an der Burgundischen Pforte verblieb bei Frankreich.

Auch der größte Teil des alten Gesamt-Lothringens (Lorraine) mit der Hauptstadt Nancy (Nanzig) blieb bei Frankreich, die ehemals Freie Deutsche Reichsstadt Metz mitsamt Festung (→ Festung Metz) und Umland wurde allerdings – aus strategisch-militärischen und nicht zuletzt auch aus diesen traditionellen Beweggründen – dem Deutschen Reich zugeschlagen. Der deutschsprachige Bevölkerungsanteil der Stadt selbst lag zum Zeitpunkt der Reichsgründung bei etwa 78 %, Metz war aber eine deutsche Sprachinsel ohne Sprachkorridor zum Mutterland, es lagen ca. 20 km geschlossenes französischsprachiges Gebiet dazwischen. Dadurch wurden 200.000 Lothringer mit französischer Muttersprache Reichsbürger. Es handelte sich dabei zwar nur um ca. 10 % der Bevölkerung Elsaß-Lothringens, somit wesentlich weniger als zuvor und danach deutschsprachige Elsässer in Frankreich, allerdings belastete dieser Umstand die deutsch-französischen Beziehungen in den folgenden Jahrzehnten zusätzlich.

Schon 1871 gab es Pläne für eine strategische Eisenbahnlinie von Berlin über Wetzlar und Koblenz nach Metz, um das neue Reichsland auch militärstrategisch einzubinden. Die Kanonenbahn wurde dann in den 1870er Jahren realisiert. Elsaß-Lothringen wurde, immer im Hinblick auf den nächsten Krieg mit Frankreich, zum am stärksten militarisierten Gebiet des Deutschen Reichs. 1910 waren 4.3 % der ortsanwesenden Bevölkerung Soldaten. Um 1910 waren mit über 80.000 Mann in rund 20 Garnisonen mehr als 10 % des deutschen Heeres im Reichsland stationiert. Elsaß-Lothringen machte nur ca. 3 % der Gesamtfläche des Reiches aus.

Die dortigen Eisenbahnen der privaten Französischen Ostbahn-Gesellschaft (Compagnie des chemins de fer de l'Est) – insgesamt 740 Kilometer Strecken – wurden von Frankreich formal käuflich erworben und dann wieder dem Deutschen Reich verkauft. Der Kaufpreis von 260 Mio. Goldmark wurde auf die Kriegskostenentschädigung angerechnet. Daraus wurden die Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen gebildet, die erste im Eigentum des Deutschen Reiches befindliche Eisenbahn.

Der Status „Reichsland“

Da das neue Reich ein Bundesstaat aus verschiedenen Ländern war, aber man dem Neugewinn zunächst keine Eigenständigkeit zugestehen wollte, wurden verschiedene Möglichkeiten der Eingliederung diskutiert:

  • Angliederung als preußische Provinz
  • Eingliederung nach Bayern (die damals noch bayerische Pfalz wäre mit Lothringen verschmolzen worden, das Elsaß wäre zu Baden gekommen)
  • Neuschaffung eines „Reichslandes“, das dem Reich (also keinem bestimmten Bundesstaat) zugeordnet ist und das vom Kaiser direkt verwaltet wird.

Vor allem die „preußische Lösung“ wurde anfangs von verschiedenen Seiten sehr lebhaft vertreten. Der Historiker Heinrich von Treitschke plädierte 1871 im Reichstag für diese Lösung mit folgender Begründung: „Die Aufgabe, diese entfremdeten Stämme deutscher Nation unserem Lande wieder einzufügen, ist so groß und schwer, dass man sie nur erprobten Händen anvertrauen darf, und wo ist eine politische Kraft im Deutschen Reiche, die die Gabe, zu germanisieren, erprobt hat, wie das alte glorreiche Preußen.“ Angesicht des bevorstehenden Kulturkampfes gegen den Katholizismus machte auch der hohe katholische Anteil unter den Neubürgern Sorgen.

Bismarck setzte sich im Reichstag für die Lösung ein, dass Elsaß-Lothringen an den Gemeinschaftsstaat überging, nicht zuletzt, weil er vor allem auf die Interessen der süddeutschen Bundesstaaten Rücksicht nehmen musste.

Die Möglichkeit, Elsaß-Lothringen den Status eines Bundesstaats des Deutschen Reiches mit eigenem Landesherrn und eigener Verfassung zuzugestehen, wurde nicht erwogen, nicht zuletzt deshalb, weil man in Preußen der Überzeugung war, dass die Bevölkerung des Landes doch zuerst germanisiert werden müsste. Deshalb wurde das Reichsland zunächst als besetztes Gebiet behandelt und unmittelbar durch das Reich verwaltet. Viele sich zu Frankreich gehörig fühlende, insbesondere französischsprachige Einwohner, die sogenannten Optanten, verließen die Region und zogen unter Mitnahme ihres Vermögens nach Frankreich, insbesondere nach Belfort. Andere verließen die Heimat aus politischen Gründen, gingen in die Schweiz oder die USA.

Ergebnisse der Reichstagswahlen 1874–1912

Die Einwohner erhielten das Wahlrecht zum deutschen Reichstag, in dem das Reichsland ab 1874 mit 15 Abgeordneten (von 397) fortan vertreten war. Die folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse der Reichstagswahlen in Elsaß-Lothringen 1874 bis 1912.[2]

1874 1877 1878 1881 1884 1887 1890 1893 1898 1903 1907 1912
Einwohnerzahl (in Tsd.) 1550 1532 1567 1564 1604 1641 1719 1815 1874
Wahlberechtigte (in %) 20,6 21,6 21,0 19,9 19,5 20,1 20,3 20,3 21,0 21,7 21,9 22,3
Wahlbeteiligung (in %) 76,5 64,2 64,1 54,2 54,7 83,3 60,4 76,4 67,8 77,3 87,3 84,9
Konservative (K) 0,0 0,2 2,8 0,0 12,5 14,7 10,0 4,8
Deutsche Reichspartei (R) 0,2 12,0 0,8 1,5 6,6 7,6 6,1 4,1 3,5 2,7 2,1
Nationalliberale (N) 2,1 0,0 1,9 0,7 11,5 8,5 3,6 10,3
Liberale 0,2
Freisinnige Vereinigung (FVg) 0,0 0,1 6,2 6,4
Deutsche Fortschrittspartei 1,4 0,0 1,8 0,5 14,0
Zentrum (Z) 0,0 0,6 7,1 31,1 5,4
Sozialdemokraten (S) 0,3 0,1 0,4 1,8 0,3 10,7 19,3 22,7 24,2 23,7 31,8
Regionale Parteien (EL) 96,9 97,8 87,5 93,3 95,9 92,2 56,6 47,7 46,9 36,1 30,2 46,5
Sonstige 0,7 0,6 0,2 0,6 0,8 0,2 1,1 1,9 12,0 7,0 5,9 0,2
  1874 1877 1878 1881 1884 1887 1890 1893 1898 1903 1907 1912
Mandatsverteilung
EL 15
EL 15
EL 15
EL 15
EL 15
EL 15
K 1
EL 10
R 1
N 2
S 1
K 3
EL 8
R 1
S 2
FVg 1
K 1
EL 10
R 2
S 1
FVg 1
K 1
EL 9
R 1
N 1
FVg 1
Vp 1
U 1
R 1
EL 7
Z 5
S 2
FVg 1
EL 9
S 5

FVp: Fortschrittliche Volkspartei, durch Zusammenschluss aller linksliberalen Gruppierungen entstanden.

Die Zusammenstellung zeigt, dass die große Mehrheit der Bewohner des Reichslandes in den ersten beiden Jahrzehnten dem Deutschen Reich skeptisch gegenüberstanden und regionale Parteien (elsaß-lothringische Autonomisten) wählten (EL). Nach der Entlassung Bismarcks 1890 lockerte sich die Parteienlandschaft jedoch auf und reichsdeutsche Parteien (SPD, Zentrum, Nationalliberale, Linksliberale, Konservative) fanden mehr und mehr Anhänger. Auf dem Land und in den überwiegend französischsprachigen Wahlkreisen Lothringens blieben die Autonomisten weiterhin stark, in den Städten, insbesondere in Straßburg, spielten sie zunehmend nur noch eine untergeordnete Rolle, hier dominierten die Sozialdemokraten. Das zum deutschen Reichstag gültige Mehrheitswahlrecht begünstigte jedoch regionale Parteien und benachteiligte große Massenparteien, wie die SPD.

Die in den Reichstagswahlen 1874-1887 gewählten jeweils 15 elsäsisch-lothringischen Abgeordneten wurden (mit Ausnahme des Abgeordneten Hugo Zorn von Bulach 1884) wegen ihrer Opposition gegenüber der Annexion den „Protestler-Abgeordneten“ zugerechnet (frz. députés protestataires). Kurz nach der ersten Reichstagswahl 1874 in Elsaß-Lothringen stellten die Protestler im Reichstag den Antrag, daß ein Plebiszit über die staatliche Zugehörigkeit des Reichslandes durchzuführen sei: „Der Reichstag möge beschließen, daß die Bevölkerung von Elsaß-Lothringen, die ohne befragt worden zu sein, dem Deutschen Reich durch den Vertrag von Frankfurt eingegliedert worden ist, aufgerufen wird, sich zu dieser Annexion zu äußern.[3]. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit abgelehnt.

Landtag

1911 wurde der erste und einzige Landtag des Reichslandes Elsaß-Lothringen gewählt.

Sprachenfrage

Im Reichsland sprach die Bevölkerung im Jahr 1900 zu 11,6 %, 1905 zu 11,0 % und 1910 zu 10,9 % französisch als Muttersprache. Die Sprachenfrage wurde in einem Gesetz vom März 1872 geregelt: Deutsch wurde grundsätzlich die amtliche Geschäftssprache, in den Landesteilen mit überwiegend französischsprechender Bevölkerung jedoch sollte den öffentlichen Bekanntmachungen und Erlassen eine französische Übersetzung beigefügt werden. In einem weiteren Gesetz von 1873 wurde für die Bezirksverwaltungen von Lothringen und die Kreisverwaltungen derjenigen Kreise, in denen die französische Sprache ganz oder teilweise Volkssprache war, der Gebrauch des Französischen als Geschäftssprache zugelassen.

In einem Gesetz über das Unterrichtswesen von 1873 wurde geregelt, dass in den Gebieten mit Deutsch als Volkssprache diese auch die ausschließliche Schulsprache war, während in den Gebieten mit überwiegend französischsprechender Bevölkerung der Unterricht ausschließlich in französischer Sprache gehalten wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch die allgemeine Schulpflicht eingeführt (in Frankreich erst 1882).

Politische Eigenständigkeit

1874 wurde hier die reichsdeutsche Verfassung eingeführt. Das Land erhielt im Deutschen Reich ab 1877 das Recht, Gesetze vorzuschlagen.

Es besaß nunmehr eine gewisse Eigenständigkeit. Ein beratender Landesausschuss wurde eingerichtet. 1879 wurde das Amt des Statthalters eingeführt, der als Oberhaupt das Reichsland Elsaß-Lothringen repräsentierte.

Ein Staatssekretär im Ministerium für Elsaß-Lothringen leitete die Regierung des Reichslandes. 1884 wurde die Universität Straßburg zur Reichsuniversität.

Während dieser Zeit erlebte das Elsaß eine wirtschaftliche Blütezeit, viele neue Errungenschaften wie die Sozialversicherung und Krankenversicherung wurden entsprechend der Entwicklung in den übrigen Teilen des deutschen Kaiserreichs eingeführt.

Erst im Jahre 1911 wurde Elsaß-Lothringen den übrigen deutschen Bundesstaaten gleichgestellt und erhielt eine eigene Verfassung und ein eigenes, frei gewähltes Parlament, eine eigene rot-weiße Flagge und drei Vertreter im deutschen Bundesrat. Das Parlament bestand aus zwei Kammern: die erste Kammer bestand aus Abgeordneten der Handels- und Landwirtschaftskammern, der Städte und Religionsgemeinschaften, der Universität und des Oberlandesgerichts, während die 60 Abgeordneten der zweiten Kammer in freier, gleicher und geheimer Wahl für fünf Jahre gewählt wurden. Dennoch gab es auch Probleme, insbesondere mit den nicht gerne gesehenen preußischen Verwaltungsbeamten und Militärs, wie die Vorgänge um die Zabern-Affäre zeigten.

Oberpräsidenten und Reichsstatthalter 1871–1918

Oberpräsident des Reichslandes Elsaß-Lothringen
Nr. Name Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit
1 Eduard von Moeller 1871 1879
Reichsstatthalter des Reichslandes Elsaß-Lothringen
Nr. Name Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit
1 Edwin von Manteuffel 1879 1885
2 Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst 1885 1894
3 Hermann Fürst zu Hohenlohe-Langenburg 1894 1907
4 Karl Graf von Wedel 1907 1914
5 Nikolaus Michael Louis Hans von Dallwitz 1914 1918
6 Rudolf Schwander 1918 1918

Kurzzeitige Unabhängigkeit als Republik Elsaß-Lothringen Ende 1918

Am Kieler Matrosenaufstand waren auch Elsässer beteiligt, da man diese nicht an der Westfront einsetzen wollte und deswegen zur Marine geschickt hatte. Am 9. November wurde in Berlin die Republik ausgerufen (Novemberrevolution), am 10. November 1918 floh der Kaiser aus seinem Hauptquartier im belgischen Spa in die Niederlande, am 11.11. trat der Waffenstillstand von Compiègne in Kraft, der u. a. vorsah, daß Elsaß-Lothringen innerhalb von 15 Tagen zu räumen ist. [4] Wilhelm dankte zwar offiziell erst am 28. November 1918 ab, aber das Reichsland Elsaß-Lothringen war durch seine Flucht de facto in die Unabhängigkeit entlassen. Der Landtag unter Eugen Ricklin rief am 11. November 1918 die unabhängige Republik Elsaß-Lothringen aus.

Nach etwa einer Woche rückten französische Truppen ein, am 17. November in Mülhausen, dann in Colmar und Metz, und am 21. November wurde Straßburg erreicht. Dies beendete die Unabhängigkeit. Anfangs reagierten einige Bevölkerungsteile enthusiastisch auf die Rückkehr nach Frankreich. Dies ließ nach, als die Franzosen begannen, ihre Assimilationspolitik durchsetzten.

Teil von Frankreich

Das Reichsland bzw. die Republik Elsaß-Lothringen wurde am 17. Oktober 1919 aufgelöst und fortan von einer Generaldirektion in Paris verwaltet.

Vertreibungen

Die Bewohner des Elsaß wurden ab dem 14. Dezember 1919 in vier Gruppen eingeteilt, je nach Abstammung:

  1. A Vollfranzosen: Einwohner, die selbst oder deren Eltern/Großeltern vor 1870 in Frankreich oder Elsaß-Lothringen geboren worden waren
  2. B Teilfranzosen: ein Eltern-/Großelternteil stammte schon vor 1870 aus Frankreich oder Elsaß-Lothringen
  3. C Ausländer: Einwohner, die selbst oder deren Eltern/Großeltern aus einem mit Frankreich verbündeten oder neutralen Staat stammten
  4. D Deutsche: Einwohner die selbst oder deren Eltern/Großeltern aus dem übrigen Deutschen Reich oder aus Österreich-Ungarn stammten.

Eine ähnliche Einteilung wurde 1935 in den Nürnberger Rassegesetzen angewandt.

Personen der Klasse D, nach 1870 eingewanderte Personen deutscher Abstammung und deren Nachkommen, insgesamt etwa 200.000 Menschen, wurden vertrieben. Nachdem US-Präsident Woodrow Wilson auf die Regierung in Paris Druck ausgeübt hatte, konnte etwa die Hälfte von ihnen in den folgenden Monaten wieder nach Elsaß-Lothringen zurückkehren.

Nachwirkungen

Aufgrund der französischen Assimilierungspolitik wuchs innerhalb der elsässischen Bevölkerung der Mißmut. Dies förderte eine starke autonomistische Bewegung. Bei den Wahlen zur französischen Nationalversammlung erzielten die elsässischen Autonomisten, die mit der kommunistischen Partei sowie den bretonischen und korsischen Nationalisten kooperierten, in allen elsässischen Wahlkreisen die absolute Mehrheit der Stimmen. Die Abgeordneten und Politiker, die sich für Autonomie aussprachen, wurden vom französischen Staat oft zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt, der Führer der Autonomistenpartei, Karl Roos, am 7. Februar 1940 in Nancy wegen angeblicher Spionage hingerichtet.

Zweiter Weltkrieg – deutsche Besatzung

Ab dem 19. Juni 1940 besetzte die Wehrmacht das Elsaß.

Unter den Nationalsozialisten wurde Elsaß-Lothringen zwar nicht offiziell, aber faktisch dem Großdeutschen Reich eingegliedert. Nach dem Sieg über Frankreich hoffte man auf einen Frieden im Westen, der durch eine direkte Annexion Elsaß-Lothringens zusätzlich erschwert worden wäre.

1941 wurde die Reichsuniversität Straßburg gegründet.

Ab 1942 galt auch für die Elsässer und Lothringer die allgemeine Wehrpflicht. Viele von ihnen mußten ihren Kriegsdienst „Malgré-nous“ in der Wehrmacht bzw. in der Waffen-SS ableisten; es gab unter ihnen allerdings auch Freiwillige. Vierzehn Elsässer (einschliesslich ein Freiwilliger) waren beim Massaker von Oradour-sur-Glane beteiligt.

Nachkriegszeit in Frankreich

Nach dem Zweiten Weltkrieg betrieb die französische Regierung sprachlich eine Assimilierungspolitik („c'est chic de parler français“). Dadurch geriet die deutsche Muttersprache (Elsässerdeutsch und insbesondere das Lothringische) so ins Hintertreffen, dass die Mehrheit der jungen Leute (die nach etwa 1970 Geborenen) sie heute nicht mehr sprechen können (Quelle: Sondages de 2001 des DNA Dernières Nouvelles d’Alsace).

Seit 1972 gibt es in Elsaß und Lothringen wieder regionale Parlamente. Autonomistisch orientierte Parteien, beispielsweise Alsace d’abord, erhalten derzeit unter 10 % der Wählerstimmen.

Die 1871 durch den Anschluß Elsaß-Lothringens verursachten Grenzänderungen der Departements Meurthe (danach Meurthe-et-Moselle), Moselle und Vosges sowie die Abspaltung des Territoire-de-Belfort vom Département Haut-Rhin wurden von Frankreich nach 1918 beibehalten. Die seitherigen Départements Haut-Rhin, Bas-Rhin und Moselle sind deckungsgleich mit den im Reichsland geschaffenen Bezirken Oberelsaß, Unterelsaß und Lothringen. Auch die nach 1871 eingeführte Verwaltungsgliederung auf kommunaler Ebene wurde von Frankreich nicht rückgängig gemacht, so daß die jetzigen Arrondissements den nach 1871 gebildeten Kreisen entsprechen (wenn man von jüngeren Zusammenlegungen wie etwa Selestat-Erstein absieht).

Das Gebiet des ehemaligen Reichslandes („Alsace-Moselle“) hat innerhalb Frankreichs einige Besonderheiten aus der Zeit vor 1918 bewahrt. Dazu gehören zusätzliche Feiertage (Karfreitag, zweiter Weihnachtsfeiertag), einige Eigenheiten im Rechtswesen sowie die Nichtanwendung des französischen Laizitätsgesetzes von 1905 auf bestehende Religionsgemeinschaften: Priester, Pastoren und Rabbiner sind infolge des Konkordats von 1801 staatliche Gehaltsempfänger, in der Schule wird Religionsunterricht erteilt, es gibt staatliche theologische Fakultäten an der Universität Straßburg und staatlich refinanzierte konfessionelle Schulen. Für nach 1918 entstandene Religionsgemeinschaften, wie Muslime und orthodoxe Christen, gilt allerdings auch hier das Laizitätsgesetz. Der Eisenbahnverkehr verläuft nach wie vor rechts (im übrigen Frankreich Linksverkehr).

Siehe auch: Elsaß, Geschichte des Elsaß

Kreise im Reichsland Elsaß-Lothringen 1918

Bezirk Lothringen

Stadtkreis

1. Metz

 
Übrige Kreise

1. Bolchen
4. Diedenhofen-West
7. Saarburg

2. Château-Salins
5. Forbach
8. Saargemünd

3. Diedenhofen-Ost
6. Metz, Land

Bezirk Oberelsaß

Kreise

1. Altkirch
4. Mülhausen

2. Colmar
5. Rappoltsweiler

3. Gebweiler
6. Thann

Bezirk Unterelsaß

Stadtkreis

1. Straßburg

 
Übrige Kreise

1. Erstein
4. Schlettstadt
7. Zabern

2. Hagenau
5. Straßburg, Land

3. Molsheim
6. Weißenburg

Literatur

  • Ernst Bruck: Das Verfassungs- und Verwaltungsrecht von Elsaß-Lothringen. 3 Bände. Trübner, Straßburg 1908–1910 (Digitalisat)
  • Stefan Fisch: Das Elsaß im deutschen Kaiserreich (1870/71–1918). In: Michael Erbe (Hg.): Das Elsass. Historische Landschaft im Wandel der Zeit. Stuttgart 2003, S. 123–146.
  • Ernst Moritz Mungenast: Der Zauberer Muzot. Roman. Heyne, Dresden 1939; später Schneekluth, Darmstadt (5. Auflage), zuletzt Schneekluth, München 1971, ISBN 3-7951-0220-0.
  • Hans-Ulrich Wehler: Elsaß-Lothringen von 1870 bis 1918. Das „Reichsland“ als politisch-staatsrechtliches Problem des zweiten deutschen Kaiserreichs. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. Band 109, 1961, S. 133 ff.
  • Wilcken, Niels: Architektur im Grenzraum. Das öffentliche Bauwesen in Elsaß-Lothringen (1871-1918). (=Veröffentlichungen des Instituts für Landeskunde im Saarland, Bd. 38), Saarbrücken 2000, 384 Seiten, ISBN 978-3-923877-38-6

Film

  • Die Elsässer: Ein französischer Spielfilm aus dem Jahre 1996 mit Irina Wanka und Sebastian Koch. Der Film besteht aus vier Episoden zu je 90 Minuten Dauer und erzählt die Geschichte des Elsaß zwischen 1870 und 1953 anhand der Geschichte fiktiver Familien.

Einzelnachweise

  1. http://www.verwaltungsgeschichte.de/elsasslothringen.html#bevoelkerung
  2. Volkszählung vom 31. Dezember 1910, veröffentlicht in: Vierteljahreshefte und Monatshefte sowie Ergänzungshefte zur Statistik des Deutschen Reiches. Zusammengefasst in: Gerhard A. Ritter, unter Mitarbeit von M. Niehuss (Hrsg.): Wahlgeschichtliches Arbeitsbuch – Materialien zur Statistik des Kaiserreichs 1871–1918. Verlag C.H. Beck München, ISBN 3-406-07610-6
  3. Les députés « protestataires » d'Alsace-Lorraine (dort auf Französisch zitiert: « Plaise au Reichstag décider que les populations d'Alsace-Lorraine qui, sans avoir été consultées, ont été annexés à l'Empire germanique par le Traité de Francfort, soient appelées à se prononcer spécialement sur cette annexion. »)
  4. "III. Sofortige Räumung der besetzten Gebiete: Belgien, Frankreich, Luxemburg sowie von Elsaß-Lothringen. Sie ist so zu regeln, daß sie in einem Zeitraum von 15 Tagen nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes durchgeführt ist. Die deutschen Truppen, welche die vorgesehenen Gebiete in dem festgesetzten Zeitraum nicht geräumt haben, werden zu Kriegsgefangenen gemacht. Die gesamte Besetzung dieser Gebiete durch die Truppen der Alliierten und der Vereinigten Staaten wird in diesen Ländern dem Gang der Räumung folgen. [...] " [1]

Weblinks


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