- Landtag des Reichslandes Elsaß-Lothringen
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Landtag des Reichslandes Elsaß-Lothringen Landesflagge Landeswappen Basisdaten Sitz: Straßburg Wahlsystem: Mehrheitswahl Anzahl der Stimmen: 1 Rechenverfahren: ./. Anzahl der Wahlkreise: 60 Wahlberechtigte: 378.036 Legislaturperiode: 3 Jahre Erste Sitzung: Der Landtag des Reichslandes Elsaß-Lothringen war das Landesparlament und damit die Legislative des Reichslandes Elsaß-Lothringen im deutschen Kaiserreich.
Inhaltsverzeichnis
Landesausschuss
Nach dem Deutsch-Französischem Krieg war Elsaß-Lothringen als Reichsland direkt dem Reich zugeordnet und verfügte über keine eigene Staatlichkeit. Erst durch kaiserlichen Erlass vom 29. Oktober 1874 wurde eine Volksvertretung des Reichslandes eingerichtet: Der Landesausschuss.
Die Mitglieder des Landesausschusses wurden nicht vom Volk gewählt, sondern von den Bezirkstagen benannt. Die drei Bezirkstage für Lothringen, Oberelsass und Unterelsass bestimmten jeweils zehn Mitglieder. 1879 wurde der Landesausschuss erweitert. Die nun 58 Mitglieder wurden von den Bezirkstagen (Lothringen 11, Oberelsass 10, Unterelsass 13) den kreisfreien Städten (jeweils 1 Mitglied aus Straßburg, Mülhausen, Metz und Colmar) und den Landkreisen (20 Mitglieder) indirekt gewählt.[1]
Der Landesausschuss hatte zunächst nur beratende Funktion. 1877 erhielt der Landesausschuss legislative Funktion und ein Haushaltsrecht. Ab 1879 erhielt der Landesausschuss ein Gesetzesinitiativrecht. Seine Beschlüsse bedurften aber der Zustimmung des Bundesrats.
Rechtsgrundlage und Aufbau
Mit der Verfassung des Reichslandes Elsaß-Lothringen vom 31. Mai 1911[2] wurde der Landesausschuss durch einen direkt gewählten Landtag ersetzt.
Erste Kammer
Die erste Kammer bestand aus:
- den zwei römisch-katholischen Bischöfen des Reichslandes (dem Bischof von Metz (Willibrord Benzler) und dem Erzbischof von Straßburg (Adolf Fritzen))
- dem Präsidenten des Oberkonsistoriums der Kirche Augsburgischer Konfession (Friedrich Curtius)
- dem Präsidenten des Synodalvorstands der Reformierten Kirche
- dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Colmar (ab 1913: Hugo Molitor)
- einem Vertreter der Universität Straßburg
- einem Vertreter der Israelitischen Konsistorien (1912-1915: Adolf Ury, 1915-1919: Nathan Netter)[3]
- vier Vertretern der Städte Straßburg, Metz, Colmar und Mülhausen
- vier Vertretern der Handelskammern
- sechs Vertretern des Landwirtschaftsrats
- zwei Vertretern der Handwerkskammer
- drei Vertreter der Gewerkschaften
sowie weiteren Mitgliedern, die auf Vorschlag des Bundesrates durch den Kaiser ernannt wurden.
Die erste Kammer wählte auf ihrer Sitzung am 22. November 1911 ihr Präsidium.
- Präsident: Altbürgermeister Dr. Otto Back
- 1. Vizepräsident: Dr. Johannes Hoeffel, Arzt aus Buchsweiler
- 2 Vizepräsident: Dr. Grégoire, Lothringen
- Schriftführer:
- Dr. Leo Vonderscheer
- Kiener
- Dieboldt-Weber[4]
Zweite Kammer
Die zweite Kammer bestand aus 60 Abgeordneten, die nach dem Grundsatz der Mehrheitswahl in 60 Wahlkreisen für eine Dauer der Wahlperiode von drei Jahren gewählt wurden. Mindestalter für die Wählbarkeit waren 25 Jahre. Das aktive Wahlrecht hatten Bürger ab 25 Jahre.
Landtagswahl 1911
Die ersten und einzigen Landtagswahlen zur 2. Kammer fanden am 22. Oktober 1911 statt (am 29. Oktober 1911 wurde ein einzelner Sitz in einer Nachwahl bestimmt).
Landtagswahl 1911 Partei Stimmanteil in % Sitze Elsaß-Lothringische Zentrumspartei 31,0 % 24 Sitze SPD Elsaß-Lothringen 23,8 % 11 Sitze Elsass-Lothringer 16,3 % 10 Sitze Liberal-Demokraten 15,9 % 7 Sitze Unabhängig – Liberal 6,9 % 5 Sitze Unabhängig – Zentrum 1,4 % 1 Sitz Unabhängig Fortschrittlich 1,1 % 1 Sitz Diverse Rechte 0,8 % 1 Sitz (An 100 % fehlende Stimmen = nicht im Landtag vertretene Wahlvorschläge)
Erläuterungen zu den Parteien und Wählerlisten:
- ELZ: Elsass-Lothringische Zentrumspartei
- Unabhängig – Liberal: von den Liberal-Demokraten unterstützte unabhängige Kandidaten
- Unabhängig – Zentrum: vom Zentrum unterstützte unabhängige Kandidaten
- Unabhängig Fortschrittlich: unabhängige, der SPD nahe stehende Kandidaten
- Diverse Rechte: unabhängige, der ELZ nahe stehende Kandidaten
- Elsass-Lothringer: Diverse frankophone Parteien (schwerpunktmäßig aus Lothringen)
Liste der Mitglieder der Zweiten Kammer
Name Partei Bezirk Wahlkreis Wahlkreisnummer Anmerkung Joseph Heinrich Zentrum Oberelsaß Wahlkreis Pfirt Hirsingen 1 Eugen Ricklin Zentrum Oberelsaß Wahlkreis Altkirch-Dammerkirch 2 Präsident Charles Hindelang SPD Oberelsaß Wahlkreis Colmar-Stadt 3 Immer Liberaldemokraten Oberelsaß Wahlkreis Colmar-Münster-Winzenheim 4 Schriftführer Kübler Zentrum Oberelsaß Wahlkreis Neubreisach-Andolsheim 5 Theodor Schlumberger Liberaldemokraten Oberelsaß Wahlkreis Gebweiler-Sulz 6 Rudolf Zentrum Oberelsaß Wahlkreis Bollweiler-Ensisheim-Rufach 7 Leopold Emmel SPD Oberelsaß Wahlkreis Mülhausen I 8 Joseph Schilling SPD Oberelsaß Wahlkreis Mülhausen II 9 Edouard Drumm Liberaldemokraten Oberelsaß Wahlkreis Mülhausen III 10 Jean Martin SPD Oberelsaß Wahlkreis Mülhausen-Land 11 Joseph Brom Dr.Zentrum Oberelsaß Wahlkreis Hüningen-Sierenz 12 [8] Médard Jules Brogly Zentrum Oberelsaß Wahlkreis Habsheim-Landser 13 [9] Emile Wetterlé Zentrum, NB Oberelsaß Wahlkreis Rappoltsweiler-Kaysersberg 14 Laurent Meyer SPD Oberelsaß Wahlkreis Markirch-Schnierlach 15 Remy Zentrum Oberelsaß Wahlkreis Sennheim-Masmünster 16 Eugène Müller Dr.Zentrum Oberelsaß Wahlkreis Thann-St. Amarin 17 Georg Wolf (Straßburg) Liberaldemokraten Unterelsaß Wahlkreis Straßburg I 18 2. Vizepräsident Karl Burger Liberaldemokraten Unterelsaß Wahlkreis Straßburg II 19 Eugen Imbs SPD Unterelsaß Wahlkreis Straßburg III 20 Georg Wolfer SPD Unterelsaß Wahlkreis Straßburg IV 21 Schriftführer Bernhard Böhle SPD Unterelsaß Wahlkreis Straßburg V 22 1. Vizepräsident Jacques Peirotes SPD Unterelsaß Wahlkreis Straßburg VI 23 Richard Fuchs SPD Unterelsaß Wahlkreis Schiltigheim 24 Fischer Zentrum Unterelsaß Wahlkreis Brumath 25 Viktor Fix fraktionslos Unterelsaß Wahlkreis Truchtersheim-Hochfelden 26 Alphonse Gilliot Zentrum Unterelsaß Wahlkreis Erstein-Benfeld 27 Schriftführer Martz Zentrum Unterelsaß Wahlkreis Geispolsheim-Oberehnheim 28 Karl Hauss Zentrum Unterelsaß Wahlkreis Hagenau 29 Atzel fraktionslos Unterelsaß Wahlkreis Bischweiler 30 Michel Liberaldemokraten Unterelsaß Wahlkreis Niederbronn 31 Michel Heysch SPD Unterelsaß Wahlkreis Schirmeck-Saales-Rosheim 32 Nicolaus Delsor Zentrum, NB Unterelsaß Wahlkreis Molsheim-Wasselnheim 33 Joseph Pfleger Dr.Zentrum Unterelsaß Wahlkreis Schlettstadt-Markolsheim 34 [10] Dr. Schott Zentrum Unterelsaß Wahlkreis Barr-Weiler 35 Heinrich Wiltberger Zentrum Unterelsaß Wahlkreis Weißenburg-Lauterburg-Selz 36 Alfred Wolf (Hunspach) Liberaldemokraten Unterelsaß Wahlkreis Sulz unterm Walde-Wörth 37 Knöpffler Zentrum Unterelsaß Wahlkreis Zabern-Maursmünster 38 Wehrung Liberaldemokraten(/Zentrum? Unterelsaß Wahlkreis Saarunion-Drulingen 39 Eduard Meyer Liberaldemokraten Unterelsaß Wahlkreis Buchsweiler-Lützelstein 40 Max Donnevert Liberaldemokraten Lothringen Wahlkreis Metz I 41 Jung Lothringer Block Lothringen Wahlkreis Metz II 42 Louis Pierson Lothringer Block Lothringen Wahlkreis Gorze-Verny-Pange 43 Steinmetz Liberaldemokraten Lothringen Wahlkreis Montigny-Sablon 44 Hinsberg Liberaldemokraten Lothringen Wahlkreis Vigy-Rombach 45 Alexis Weber Lothringer Block Lothringen Wahlkreis Bolchen-Falkenberg 46 Joseph Bourger Lothringer Block Lothringen Wahlkreis Busendorf-Teterchen 47 Johann Labroise Lothringer Block Lothringen Wahlkreis Château-Salins-Delme-Vic 48 Barthélémy Lothringer Block Lothringen Wahlkreis Albesdorf-Dieuze 49 Zimmer Lothringer Block Lothringen Wahlkreis Diedenhofen-Großhettingen 50 Schriftführer Fernand Schuman Lothringer Block Lothringen Wahlkreis Kattenhofen-Sierck-Metzerwiese 51 Fick Lothringer Block Lothringen Wahlkreis Fentsch-Algringen 52 Engel Lothringer Block Lothringen Wahlkreis Hayingen-Großmoyeuvre 53 Collet Zentrum Lothringen Wahlkreis Forbach 54 Louis Hackspill Dr.Liberaldemokraten Lothringen Wahlkreis St. Avold 55 Victor Michel Heymès Dr.Zentrum Lothringen Wahlkreis Großtännchen-Saaralben 56 Dr. Müller Zentrum Lothringen Wahlkreis Saarburg-Lörchingen 57 Louis Meyer (Walscheid) Zentrum Lothringen Wahlkreis Pfalzburg-Finstingen-Rixingen 58 Franz Xaver Hoën Zentrum Lothringen Wahlkreis Saargemünd 59 Jacques Hessemann Zentrum Lothringen Wahlkreis Bitsch-Rohrbach-Wolmünster 60 Wahlkreise
Gemäß Wahlgesetz[11] wurden je Landkreis eine festgelegte Zahl von ein-Personen-Wahlkreisen in der Weise durch kaiserliche Verordnung bestimmt, dass die Bevölkerung des Verwaltungskreises möglichst gleichmäßig auf die einzelnen Wahlkreise verteilt wird und die Wahlkreise örtlich zusammenhängen. Auf die Landkreise entfielen folgende Wahlkreise:
Landkreis Zahl der Wahlkreise / Abgeordneten Kreis Altkirch 2 Abgeordnete Kreis Colmar 3 Abgeordnete Kreis Gebweiler 2 Abgeordnete Kreis Mülhausen 6 Abgeordnete Kreis Rappoltsweiler 2 Abgeordnete Kreis Thann 2 Abgeordnete Straßburg 6 Abgeordnete Landkreis Straßburg 3 Abgeordnete Kreis Erstein 2 Abgeordnete Kreis Hagenau 3 Abgeordnete Kreis Molsheim 2 Abgeordnete Kreis Schlettstadt 2 Abgeordnete Kreis Weißenburg 2 Abgeordnete Kreis Zabern 3 Abgeordnete Kreis Metz-Stadt 2 Abgeordnete Landkreis Metz 3 Abgeordnete Kreis Bolchen 2 Abgeordnete Kreis Château-Salins 2 Abgeordnete Kreis Diedenhofen-Ost 2 Abgeordnete Kreis Diedenhofen-West 2 Abgeordnete Kreis Forbach 3 Abgeordnete Kreis Saarburg 2 Abgeordnete Kreis Saargemünd 2 Abgeordnete Im ersten Weltkrieg
Mit dem Beginn des ersten Weltkriegs bestanden Zweifel an der Loyalität der Bewohner des Reichslandes zum Deutschen Reich. Dies galt auch für eine Reihe von Abgeordneten des Landtages. Die militärische Führung in Elsaß-Lothringen fürchtete eine kritische Debatte des Krieges. Anstelle der diskutierten Auflösung des Landtags wurde beschlossen, dass der Landtag zwar tagen durfte, um den Landeshaushalt und anstehende Gesetze zu beschliessen, die Beschlussfassung jedoch ohne politische Debatte zu erfolgen hatte. Unter diesen Voraussetzungen erfolgte die 1915er Session des Landtags vom 8. bis 15. April 1915. Im Folgejahr setzten die Abgeordneten durch, dass zumindest in nichtöffentlicher Sitzung der Budgetkommission eine offene Debatte erfolgen durfte. Im Landtag erfolgte sowohl in der 1916er Session vom 26. April bis 26. Mai 1916 als auch in der des Jahres 1917 (5. Juni bis 12. Juli 1917) und in der letzten regulären Session vom 12. bis 30. April 1918 keine Debatte mehr.[12]
1918/19
Am 11. November 1918 erklärte sich der Landtag Elsaß-Lothringens zum Nationalrat und damit zur alleinigen Autorität des Reichslandes. Man rief einen Tag später ein souveränes Elsaß-Lothringen aus und übernahm damit alle Aufgaben des Ministeriums und des Reichsstatthalters. Diese Eigenständigkeit wurde jedoch von der französischen Besatzungsmacht nicht anerkannt. Am 6. Dezember 1918 sprach sich der Landtag für den Anschluss an Frankreich aus. Das Reichsland Elsaß-Lothringen und mit ihm der Landtag wurde am 17. Oktober 1919 aufgelöst und fortan von einer Generaldirektion in Paris verwaltet.
Gebäude
Der Landtag hatte seinen Sitz im heutigen Théâtre National de Strasbourg. Das neoklassizistische Gebäude wurde zwischen 1888 und 1892 durch die Architekten August Hartel und Skjold Neckelman für den Landesausschuss errichtet. Die heutige Adresse lautet Place de la République.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Gesetz auf Wikisource; hier: § 12 ff.
- ↑ Text der Verfassung von 1911
- ↑ Ernest Hamburger: Juden im öffentlichen Leben Deutschlands, 1968, ISBN 3168292923, Seite 392 Online
- ↑ Fritz Bronner: Die Verfassungsbestrebungen des Landesausschusses für Elsaß-Lothringen 1875-1911, 1926, Seite 142-143
- ↑ Regierung und Landtag von Elsaß-Lothringen 1911–1916. Biographischstatistisches Handbuch. Mühlhausen 1911
- ↑ rappoltstein.de Abgeordnetenliste
- ↑ Wilhelm Heinz Schröder: Biographien Sozialdemokratischer Parlamentarier in den deutschen Reichs- und Landtagen 1867–1933
- ↑ [1]
- ↑ [2]
- ↑ [3]
- ↑ Wahlgesetz
- ↑ Fritz Bronner: Die Verfassungsbestrebungen des Landesausschusses für Elsaß-Lothringen 1875-1911, 1926, Seite 344
Literatur
- Wahlen in Deutschland
- Statistisches Landesamt für Elsass-Lothringen: Die Landtagswahlen von 1911 in Elsass-Lothringen. Sondernummer der Nachrichten des Statistischen Landesamts für Elsass-Lothringen. Druckerei der Straßburger Neuesten Nachrichten AG, Straßburg 1911, S. 5–37.
- Hermann Hiery: Wahlen und Wahlverhalten im Reichsland Elsaß-Lothringen 1871–1914. In: Ara und Kolb: Grenzregionen im Zeitalter der Nationalismen – Elsaß-Lothringen / Trient-Triest. 1998
- Regierung und Landtag von Elsaß-Lothringen 1911–1916. Biographisch-statistisches Handbuch. Mühlhausen 1911
- Verhandlungen der Zweiten Kammer des Landtags für Elsaß-Lothringen. (12 Bände), Straßburger Druckerei und Verlagsanstalt, vormals R. Schultz u. Comp., 1912–1917
- Verfassung vom 31. Mai 1911 Online
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