- Enteisungsmaschine Gantry
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Die Flugzeugenteisung (engl. de-icing) ist ein Vorgang, bei dem ein Flugzeug von Eis und Schnee befreit wird. Die Enteisung ist aus Sicherheitsgründen erforderlich, denn Eis und Schnee erhöhen das Flugzeuggewicht und beeinflussen die Aerodynamik ungünstig.
Inhaltsverzeichnis
Enteisung am Boden
Vor dem Start werden vorhandene Eisansätze durch Enteisungsflüssigkeit oder Heißluft entfernt. Der Start der Maschine muss dann innerhalb weniger Minuten erfolgen.
Außerdem kann eine Schutzschicht aufgebracht werden (engl. anti-icing), die eine erneute Eisbildung auch bei Niederschlag verhindert. Das verwendete Enteisungsmittel ist ein Gemisch aus Wasser, Alkohol (Glykol) und Zusatzstoffen. Es wird darauf geachtet, dass das Mittel aufgefangen wird und biologisch abbaubar ist. Eine Wiederverwendung ist meistens nicht mehr möglich. Das Mischungsverhältnis Enteisungsflüssigkeit zu Wasser ist abhängig von der Außentemperatur, von der Art des Niederschlags und der benötigten Zeit der Schutzwirkung.
Enteisungen finden mit Spezialgeräten mit einem großen Ausleger und einer ferngelenkten Düse an der Spitze auf speziellen Positionen (engl. deicing pads/deicing areas), und Gebäudepositionen oder auch auf dem Vorfeld statt. Die Enteisung muss direkt vor dem Start durchgeführt werden, um die Zeit der Schutzwirkung nicht zu überschreiten. Im Winter treten daher auch bei gut organisierten Flughäfen häufiger Verzögerungen im Flugverkehr durch die notwendige Enteisung der Flugzeuge auf.
Enteisungsflüssigkeiten
Es gibt nach ISO/SAE vier Flüssigkeitstypen. Typ II, III und IV bestehen aus etwa 50 % Glykol und 49 % Wasser und können bei Temperaturen bis mindestens -25 °C eingesetzt werden. Sie sind mit Verdickern versetzt, sodass sie besser anhaften. Dadurch bleibt das Enteisungsmittel länger auf den Oberflächen des Flugzeugs und kann sogar schwammähnlich ein gewisses Maß an winterlichen Niederschlägen in sich aufnehmen und verflüssigen.
Solcherart aufgequollene Enteisungsmittelrückstände können andererseits in größeren Höhen wieder gefrieren und dann in Spalten des Steuerwerks durch Blockierwirkung die Steuerbarkeit des Flugzeuges einschränken. Daher ist es wichtig, diese Rückstände regelmäßig gründlich zu entfernen. [1]
Die Zeit, in der das Flugzeug vor Wiedervereisung geschützt ist, wird Vorhaltezeit (engl. holdover time (HOT)) genannt. Die HOT richtet sich nach Art des Niederschlages, der örtlichen Temperatur (engl. outside air temperature, OAT) und der Stärke des Niederschlages. Ist ein Luftfahrzeug mit z. B. Schnee verunreinigt, entscheidet allein der Pilot oder ein von ihm Beauftragter, ob das Luftfahrzeug enteist wird. Auch das Mischungsverhältnis der Enteisungsflüssigkeit entscheidet der Pilot. Die drei Typen II, III und IV werden entsprechend der benötigten Schutzwirkung in festen Mischungsverhältnissen mit Wasser verdünnt oder bleiben unverdünnt: 100 %, 75 % oder 50 % werden angewandt.
Die Typen II, III und IV unterscheiden sich in den verwendeten Verdickern. Typ III ist für langsam (< 85 Knoten) startende Flugzeuge (selten verwendet), Typ II für schnellere Maschinen und Typ IV entspricht dem Typ II mit einer größeren Scher- und Hitzebeständigkeit und einer längeren Vorhaltezeit.
Das Enteisungsmittel Typ I enthält diesen Verdicker nicht und ist daher gut zum Deicing oder (eingeschränkt) zum Anti-icing bei reinen Frostbedingungen ohne Niederschlag geeignet. Es besteht aus etwa 80 % Glykol und 20 % Wasser und wird entsprechend den jeweiligen Wetterbedingungen mit Wasser verdünnt. Es kann somit auch bei sehr niedrigen Temperaturen eingesetzt werden.[2]
Bei der sogenannten "Two-Step" Enteisung wird vorhandenes Eis durch Typ I Enteisungsmittel entfernt und anschließend mit Typ II,III oder IV eine Schutzschicht zur Verhinderung neuen Eisansatzes aufgebracht. Dies hat weiterhin zum Vorteil, dass die Enteisung mit Typ I gleichzeitig evtl. vorhandene Reste von Typ II,III oder IV abgewaschen werden.
Chemikalien wie Clearway werden zur Enteisung der Landebahnen eingesetzt.
Infrarotenteisung
In Newark (USA) und seit Januar 2006 auch in Oslo kommt eine Infrarotenteisungsanlage zum Einsatz. Hier werden Flugzeuge bis zu einer Größe eines Airbus A320 oder einer Boeing 737 in einer Halle mit der Wärme von Infrarotlampen enteist. Danach können sie in der Halle durch das Aufbringen einer Anti-icing-Flüssigkeit gegen Wiedervereisung geschützt werden. Dieses Verfahren gilt als umweltfreundlich und ist je nach Kontamination des Flugzeugs mit winterlichen Anhaftungen auch recht schnell.
Gantry
Die Gantry war eine stationäre Enteisungsanlage auf dem Flughafen München (MUC). Sie wurde Ende der 80er Jahre entwickelt und kam in acht Wintersaisons zum Einsatz. Die Flugzeuge wurden dabei in die Maschine hinein geschleppt und dort enteist.
2001 hätte sie aufgrund der fehlenden Eignung für Flugzeuge mit Winglets und größeren Flugzeugen wie der Boeing 777, Boeing 747 oder dem Airbus A380 modernisiert werden müssen. Jedoch brauchen mobile Enteisungsfahrzeuge heutzutage weniger Personal und sind kosteneffizienter - somit hätte sich die Modernisierung nicht gelohnt. Heute ist die Anlage außer Betrieb.
Enteisung in der Luft
Auch in der Luft wird zwischen deicing (deutsch Eisbeseitigung) und anti-icing (deutsch Eisverhinderung) unterschieden.
Flugzeuge, die für Instrumentenflüge unter Vereisungsbedingungen zertifiziert sind (also u.a. die allermeisten Passagiermaschinen), haben meistens an den Flügelvorderkanten, Leitwerk, Triebwerken und sonstigen Flächen, an denen sich gefährlicher Eisansatz bilden kann, beheizbare Flächen.
Elektrisches Deicing
Bei Propellermaschinen geschieht diese Beheizung durch elektrischen Strom oder durch boots. Der Energiebedarf für eine thermische Enteisung mittels Strom ist extrem hoch. Deshalb wird diese Methode eher als Notfallverfahren benutzt. Um die Stromleistung des Flugzeuges nicht zu überfordern, werden immer nur einzelne Heizflächen (paarweise, symmetrisch) und nicht alle auf einmal in Intervallen (z. B. 5 Min.) eingeschaltet. Das Problem sind unsymmetrische Enteisungen am Propeller, die zu so starken Vibrationen führen können (2500 RPM - Umdrehungen je Minute), dass der Motor beschädigt wird. Bei starken Vibrationen ist sofort die Drehzahl möglichst weit zu reduzieren. Deshalb empfiehlt es sich, den Eisansatz (Vereisung) ganz zu vermeiden. Bei elektrischer Enteisung am Vierblattpropeller müssen jeweils zwei gegenüberliegende Propellerblätter gleichzeitig enteist werden.
Mechanisches Deicing
Kleinere Maschinen verfügen auch heute noch an den gefährdeten Stellen über Gummimatten (engl. boots), die während des Fluges durch Pressluft zyklisch aufgeblasen werden und so Eisansatz absprengen können.
Chemisches Anti-icing
Alternativ gibt es auch Enteisungssysteme, die an den gefährdeten Stellen Enteisungsflüssigkeit (Isopropanol- oder Glykolhaltig) aus feinen Bohrungen herauspressen. Auf diese Weise wird ein Eisansatz verhindert, allerdings ist die maximale Einsatzdauer durch die Tankgröße eingeschränkt. Dieses Enteisungsverfahren wird besonders für Propeller eingesetzt.
Thermisches Anti-icing
Bei Düsenflugzeugen, die mit ihren Triebwerken genügend Leistungsüberschuss liefern, geschieht die Beheizung durch Zapfluft aus dem Triebwerk (thermal anti ice - TAI). Die sehr heiße Zapfluft wird durch Hohlräume hinter der Flügelvorderkante geblasen. Die Hitze kann das Material (Aluminium) schwächen und schädigen. Deshalb muss die Temperatur in diesem Bereich überwacht werden. Am Boden darf thermal anti ice nicht eingesetzt werden, da der kühlende Fahrtwind fehlt. Zum Start wird thermal anti ice auch möglichst ausgeschaltet, um den Triebwerken nicht Startleistung zu entziehen. Bei Ausfall eines Triebwerkes während des Startes könnte wegen der Zapfluft für thermal anti ice die fehlende Leistung den kritischen Unterschied zwischen „Start mit einem Triebwerk“ und „Unfall während des Starts“ ausmachen. Dasselbe gilt für die Landung, da der Pilot immer auf ein Durchstarten vorbereitet ist.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Untersuchungsbericht Nr. 5X007-0/05 der BFU
- ↑ Enteisungsmittel, nice-services.aero, abgerufen 16. November 2008
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