Entmagnetisierung

Entmagnetisierung

Die Entmagnetisierung (auch Abmagnetisierung, im Zusammenhang mit Bildröhren auch engl. degaussing – wörtlich Entgaußung) ist ein Vorgang, durch den ein Dauermagnet beziehungsweise ein dauermagnetisch gewordenes ferromagnetisches Material seine magnetische Polarisierung ganz oder teilweise verliert.

Inhaltsverzeichnis

Verfahren

Hysteresekurven-Familien beim Entmagnetisieren

Entmagnetisiert werden Materialien meist durch ein erst starkes Wechsel-Magnetfeld, das dann allmählich abklingt. Dieses Magnetfeld muss so stark sein, dass die Koerzitivfeldstärke des aufmagnetisierten Materials erreicht wird. Durch das Wechselfeld erfolgt eine Ummagnetisierung der dauermagnetischen Materialien mit abnehmender Amplitude. Damit wird die Hysteresekurve mit abnehmender Amplitude der magnetischen Feldstärke und der Magnetflussdichte durchlaufen, bis das Dauermagnetfeld null ist. Im nebenstehenden Bild beginnt man beispielsweise rechts oben, dann geht es immer entgegengesetzt dem Uhrzeigersinn nach links unten, dann wieder nach rechts oben, aber nicht mehr so weit, etc. Wenn nach vielen Umläufen die kleinste Schleife am Schnittpunkt der beiden Achsen erreicht ist, kann man das externe Magnetfeld abschalten, das Eisen ist weitgehend entmagnetisiert.

Für die Abschwächung des Wechselfeldes gibt es zwei Methoden: Entweder entfernt man langsam einen tragbaren Elektromagneten, der mit 50 Hz betrieben wird oder man legt in Reihe zur Spule einen Kaltleiter, der den Strom geringer werden lässt. Nach Herstellerangaben von Entmagnetisiereinrichtungen genügen dazu 5 bis 10 Ummagnetisierungen.

Eine Entmagnetisierung kann auch durch mechanische Erschütterungen oder das Erhitzen ferromagnetischer Materialien über die Curie-Temperatur hinaus bewirkt werden.

Anwendungsvarianten

Werkzeuge

Entmagnetisierung ist bei Werkzeugen wichtig, um deren Anziehungskraft für Späne oder Bauteile zu vermeiden oder in Fällen, wo Magnetfelder stören (z. B. Abgleich von Spulen). Hat man keine sogenannten antimagnetischen Werkzeuge zur Verfügung, muss man sie gegebenenfalls entmagnetisieren. Dazu gibt es mit Netzspannung betriebene Elektromagnete. Auch dauermagnetische, treppenförmige Bauteile sind in Gebrauch, über deren Treppenform man die Werkzeuge zieht und so ein abklingendes Wechselfeld in ihnen erzeugt. Solche Geräte können oft auch zur Magnetisierung eingesetzt werden, um für bestimmte Montageaufgaben Werkzeuge auch magnetisieren zu können.

Magnetische Wiedergabe- und Speichermedien

Entmagnetisierdrossel für Tonköpfe von Tonbandgeräten

In analogen Videorecordern und Tonbandgeräten gibt es einen Löschkopf, der ein mit Hochfrequenz betriebener Elektromagnet ist. Mit diesem ist es möglich, die als Magnetisierung vorliegenden Informationen auf dem Band lokal zu löschen, um unmagnetisiertes Band für eine folgende Aufnahme zur Verfügung zu haben. Bei digitalen magnetischen Speichermedien reicht dagegen ein Überschreiben der Informationen.

Durch Entmagnetisierung mit sogenannten Degaussern, die ein großräumiges Wechselfeld erzeugen, können magnetische Speichermedien, wie Disketten, Festplatten und Magnetbänder, schnell in größerer Menge gelöscht werden, um bei deren Entsorgung die Datensicherheit zu gewährleisten.

Auch Geräte und Aufbewahrungssysteme für Magnetbänder, aber auch für Bildröhren und diese selbst, müssen frei von Dauermagnetisierung sein. Daher haben Lautsprecher in Röhren-Fernsehern einen Dauermagnet-Kreis, der − anders als bei gewöhnlichen elektrodynamischen Lautsprechern - kaum ein Magnetfeld um sich herum besitzt oder abgeschirmt ist.

Magnetisierung und Entmagnetisierung spielt auch bei vielen Warensicherungsetiketten eine Rolle.

Bildröhren

Farb-Bildröhren in Monitoren und Fernsehern enthalten magnetisierbare Teile (Loch- bzw. Schlitzmaske), die, wenn sie dauermagnetisch geworden sind, die Elektronen ablenken, was zu Farbverfälschungen führt. In den Geräten wird daher bei jedem Einschalten der Netzspannung eine Entmagnetisierung (degaussing) durchgeführt. Das erfolgt mit einer Spule, die um die Bildröhre geschlungen ist. Sie wird beim Einschalten über einen sogenannten Posistor − ein mit einem Heizelement versehenen Kaltleiter-Widerstand (PTC) − direkt an die Netzspannung geschaltet und erzeugt durch Eigenerwärmung des Kaltleiters ein abklingendes magnetisches Wechselfeld. Das Heizelement dient dazu, den PTC noch etwas weiter zu erwärmen, sodass der Strom durch die Entmagnetisierungsspule null wird.

Schiffe

Bei militärischen Schiffen muss die z. B. durch das Erdmagnetfeld aufgenommene Magnetisierung reduziert werden, um die Schiffe für Magnetminen und Torpedos mit Magnetzünder schwerer auffindbar zu machen.

Die Entmagnetisierungsanlagen für Schiffe der Deutschen Marine befinden sich in Wilhelmshaven und in Kiel. Die Volksmarine der DDR nutzte dafür eine etwa 2,8 Kilometer östlich von Vilm geschaffene künstliche Insel im Rügischen Bodden.[1]

Manche Schiffe besitzen zusätzlich eine eigene Magnetische Eigenschutzanlage mit der nicht nur die dauermagnetischen Eigenschaften des Rumpfes, sondern auch andere magnetische Signaturen, wie die elektromagnetischen Felder von Generatoren, kompensiert werden. Es gab früher auch Versuche, bei denen um den Schiffskörper gelegte Spulen zur Fernzündung von Seeminen eingesetzt werden sollten.

Magnetisch geschirmte Räume für den Biomagnetismus

Zur diagnostischen Untersuchung der während der Hirn-, Nerven- oder Herzaktivität auftretenden Magnetfeldern mit einer Feldstärke von wenigen pT bis nT, ist es notwendig, die um viele Größenordnungen stärkeren magnetischen Störfelder der urbanen Umgebung des Messortes und das allgegenwärtige Erdmagnetfeld von ca. 40µT abzuschirmen. Dazu kommen magnetische Abschirmräume aus hochpermeablem Material (z.B. Mu-Metal) zum Einsatz. Ein prominenter Vertreter ist der BMSR-2, der magnetisch bestgeschirmte Raum der Erde, der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Berlin.[2] Diese Räume müssen regelmäßig entmagnetisiert werden, um das Restfeld innerhalb des Raum möglichst gering zu halten und so Messungen von Feldern bis in den fT-Bereich zu erlauben.

Feinmechanik

Feinmechanische Konstruktionen, z. B. mechanische Uhrwerke müssen gegebenenfalls entmagnetisiert werden, um ungewollte Haft- und Störkräfte zu vermeiden.

Ursachen der Aufmagnetisierung

"Die Ursachen für die Aufmagnetisierung von Werkstücken sind sehr vielfältig und lassen sich in der Praxis nicht immer einfach ermitteln. Es sind aber in der Regel künstlich erzeugte Magnetfelder, welche in der unmittelbaren Umgebung der Werkstücke wirken. Diese können ungewollter Art oder gewollten Ursprungs sein, z.B. Magnettransport, Linearschwinger, Induktionshärtung, Magnetgreifer, Magnetspannvorrichtungen usw.. Mechanische Vibration und Kaltverformung unter Einwirkung dieser Magnetfelder verstärken oder Begünstigen den Vorgang der Aufmagnetisierung."[3]

Kartenlesegeräte (z. B. für EC-Karten, Firmenausweise, Kreditkarten mit Magnetstreifen oder einer RFID-Einrichtung) können die am Handgelenk getragene Armbanduhr magnetisieren, was zu Funktionsstörungen der Uhr führen kann. Im Rahmen einer Uhrüberprüfung oder -reparatur sollte diesem Aspekt Rechnung getragen werden und die Uhr routinemäßig entmagnetisiert werden

Fachliteratur

  • Günter Springer: Fachkunde Elektrotechnik. 18.Auflage, Verlag - Europa - Lehrmittel, Wuppertal, 1989, ISBN 3-8085-3018-9
  • Richard P. Feynman, Robert B. Leighton, Matthew Sands: Vorlesungen über Physik. 3. Auflage, Oldenbourg Verlag, München Wien, 2001, ISBN 3-486-25589-4
  • F. Thiel, A. Schnabel, S. Knappe-Grüneberg, D. Stollfuß, and M. Burghoff: Demagnetization of magnetically shielded rooms, Rev. Sci. Instrum. 78, 035106 (2007) (13 pages), http://link.aip.org/link/?RSINAK/78/035106/1

Einzelnachweise

  1. Frank Pergande: "Die Insel Vilm". Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. Juli 2009
  2. Abbildung des BMSR-2
  3. Entmagnetisierungstechniken und Entmagnetisierungsvarianten. (Scholz Rissprüftechnik GmbH)

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