Erwin-Oskar Ding-Schuler

Erwin-Oskar Ding-Schuler

Erwin-Oskar Ding-Schuler (* 19. September 1912 in Bitterfeld; † 11. August 1945 in Freising) war SS-Sturmbannführer und erster Lagerarzt des KZ Buchenwald.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Tagebuch der Abteilung für Fleckfieber- u. Virusforschung am Hygiene-Institut der Waffen-SS, Seite 23

Ding-Schuler, unehelicher Sohn eines Kolonialmediziners namens Carl Freiherr von Schuler, wurde von Heinrich Ding 1915 adoptiert.[1] Nach dem erfolgreichen Abschluss seiner Schullaufbahn begann er ein Medizinstudium und trat bereits im Alter von 20 Jahren 1932 der NSDAP (Mitgliedsnr. 1.318.211) und später auch der SS (Mitgliedsnr. 280.163) bei. Schon 1937 erfolgte nach dem medizinischen Examen seine Promotion und ein Aufenthalt an einer SS-Ärztlichen Junkerschule. Ab 1938 war er Lagerarzt im KZ Buchenwald. Als Adjutant fungierte Ding ab 1940 an der SS-Ärztlichen Akademie in Graz. Ab Herbst 1941 war er am Hygiene-Institut der Waffen-SS unter Joachim Mrugowsky in Berlin tätig.[2]

Im Dezember 1941 wurde Ding zusätzlich Leiter der Fleckfieberversuchsabteilung des Hygiene-Instituts der Waffen-SS im KZ Buchenwald. Hintergrund dieser Maßnahme war die im Herbst 1941 erfolgte Ausbreitung dieser Erkrankung im Reichsgebiet. Im Dezember 1941 fanden auf der Suche nach einem geeigneten Impfstoff mehrere Treffen zwischen Vertretern der Wehrmacht, von Herstellerfirmen und Vertretern des für Gesundheitsfragen zuständigen Reichsinnenministeriums statt. Es wurde vereinbart neuartige, aber noch nicht erprobte, Impfstoffe diverser Hersteller an Häftlingen des KZ Buchenwald zu testen.[3] Von Januar 1942 bis zum März 1945 fanden über neun Versuchsreihen mit Fleckfieberimpfstoffen an KZ-Häftlingen statt. Bis zum Januar 1945 wurden 988 Häftlinge Opfer dieser pseudomedizinischen Experimente, von denen viele körperliche Folgeschäden erlitten oder gar an den Versuchsfolgen verstarben.[4] Am 9. Januar 1943 wurde die Fleckfieberversuchsstation in "Abteilung für Fleckfieber und Virusforschung" umbenannt. Ab Januar 1943 wurde der Standortarzt des KZ Buchenwald Waldemar Hoven zeitweise Dings Stellvertreter. Der leitende Häftlingspfleger auf der Fleckfieberstation in Block 46 war Arthur Dietzsch, Dings Arztschreiber Eugen Kogon.[5]

Auch Gasbrand-, Typhus- und Gelbfieberimpfstoffe wurden seitens Ding durch Menschenversuche an Buchenwalder Häftlingen erprobt. Die Forschungsergebnisse publizierte Ding in Fachaufsätzen, die jedoch in Wahrheit von dem KZ-Häftling Eugen Kogon verfasst worden sein sollen. Im September 1944 änderte Ding seinen Nachnamen in Schuler.[6]

Kogon konnte eigenen Angaben zufolge zu Ding-Schuler, nachdem er 1943 dessen Arztschreiber wurde, eine fast vertrauensvolle Beziehung aufbauen. Mit der Zeit sollen sich sogar Gespräche über familiäre Belange, die politische Lage und den Frontverlauf ergeben haben. Durch seinen Einfluss auf Ding-Schuler konnten laut Kogon vielen Häftlingen das Leben gerettet werden. Kogon schildert Ding-Schuler als launigen aber zugänglichen Menschen, der einerseits für den Tod hunderter Häftlinge aufgrund der Menschenversuche zuständig war, aber andererseits auch Häftlingen das Überleben ermöglicht hatte.[7]

Anfang April 1945 erfuhren Kogon und Dietzsch von Schuler, dass sie auf einer Liste mit 46 namentlich genannten Häftlingen standen, welche die SS kurz vor der Befreiung des Lagers noch exekutieren wollte. Schuler rettete Kogon gegen Kriegsende das Leben, indem er diesen in einer Kiste aus Buchenwald herausschmuggelte. Auch Arthur Dietzsch überlebte aufgrund dieser Warnung das Konzentrationslager Buchenwald.[8] Am 25. April 1945 wurde Schuler von US-amerikanischen Truppen verhaftet und beging in der Haft am 11. August 1945 Suizid.[9]

Ding-Schuler ließ nach seinen Angaben durch die Arztschreiber Arthur Gaczinski und später Eugen Kogon ein Tagebuch anfertigen, in dem insbesondere die Fleckfieberversuche dokumentiert wurden. Das Tagebuch wurde von Dezember 1941 bis zum Januar 1945 geführt. Nach Kriegsende wurde es durch Eugen Kogon dem US-amerikanischen Militär ausgehändigt. Es handelt sich höchstwahrscheinlich um eine Abschrift, da Kogon selber angab, das Tagebuch auf Betreiben Ding-Schulers gegen Kriegsende neu verfasst zu haben und andererseits Arthur Dietzsch später aussagte das Original gegen Kriegsende auf Befehl Ding-Schulers verbrannt zu haben. Dennoch wurde es in mehreren Prozessen als Beweismittel genutzt, so im Nürnberger Ärzteprozess und später in einem Prozess gegen den in die Fleckfieberversuche involvierten Arzt Gerhard Rose. Trotz der Zweifel bezüglich der Echtheit des Stationstagebuchs fanden die dokumentierten Versuche nachweislich statt.[10]

Referenzen

  1. Ernst Klee: Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer., Frankfurt am Main, 1997, S. 291
  2. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich: Wer war was vor und nach 1945., Frankfurt am Main 2007, S. 111
  3. Ernst Klee: Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer., Frankfurt am Main, 1997, S. 287ff.
  4. ... von Anilin bis Zwangsarbeit - Eine Dokumentation des Arbeitskreises I.G.Farben der Bundesfachtagung der Chemiefachschaften
  5. Eugen Kogon: Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, 1974, S. 172ff.
    Ernst Klee: Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer., Frankfurt am Main, 1997, S. 291, 327
  6. vgl. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich: Wer war was vor und nach 1945. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007:, S. 112
  7. Eugen Kogon: Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, 1974, S. 318ff.
  8. Eugen Kogon: Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, 1974, S. 338f.
  9. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich: Wer war was vor und nach 1945., Frankfurt am Main 2007, S. 111
    Eugen Kogon: Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, 1974, S. 320
  10. Vgl. Institut für Zeitgeschichte München: Nachlass Arthur Dietzsch, Archiv Bestand ED 112, Band 17: Interview mit Arthur Dietzsch, Tonbandaufnahmen von Ernst Thape 1972
    Die Aussage Dietzschs vom 3. April 1947 beim Nuremberg Trials Project
    Ernst Klee: Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer., Frankfurt am Main, 1997, S. 321ff.

Literatur

  • Ernst Klee: Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer. 3. Auflage. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 1997, ISBN 3-596-14906-1.
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich: Wer war was vor und nach 1945. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007. ISBN 978-3-596-16048-8
  • Eugen Kogon: Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager; Frechen: Komet, 2000; ISBN 3-89836-107-1 (= München: Heyne, 199531; ISBN 3-453-02978-X; Reinbek bei Hamburg: Kindler, 1974)
  • Volker Klimpel: Ärzte-Tode: Unnatürliches und gewaltsames Ableben in neun Kapiteln und einem biographischen Anhang, Königshausen & Neumann, 2005, ISBN 3826027698
  • David A. Hackett: Der Buchenwald-report: Bericht über das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar, C.H.Beck, 2002, ISBN 3406475981

Weblinks


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