Lagerarzt

Lagerarzt

KZ-Arzt oder Lagerarzt ist die Sammelbezeichnung für Mediziner, die während des Nationalsozialismus in Konzentrationslagern in der Abteilung V - Sanitätswesen tätig waren. Meistens wird der Begriff KZ-Arzt im Zusammenhang mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von einigen Ärzten begangen wurden, verwendet.

Inhaltsverzeichnis

„Optimale Versuchsbedingungen“

Im Mai 1941 initiierte der KZ-Arzt Sigmund Rascher durch einen Brief, den er an Heinrich Himmler richtete, die Herstellung „optimaler Forschungsbedingungen“ im KZ Dachau. In seiner Forderung an den SS-Führer stellt er „mit großem Bedauern“ fest, „daß leider noch keinerlei Versuche mit Menschenmaterial bei uns angestellt werden konnten“ und betont die Wichtigkeit solcher Menschenversuche für die Höhenflugforschung. Knapp neun Monate später konnte Rascher in Dachau mit seinen Versuchen beginnen.

Tatsächlich fanden spätestens seit 1941 die meisten KZ-Ärzte solche „optimalen Forschungsbedingungen“ in den Konzentrationslagern vor: Josef Mengele etwa testete – unter anderem – die Schmerzempfindlichkeit von Zwillingen, indem er sie ohne Narkose operierte.

Andere Versuche der Lagerärzte bezogen sich auf die Auswirkung der Droge Meskalin und weiterer halluzinogener Substanzen auf den menschlichen Willen, auf die Überlebenschancen der KZ-Häftlinge in gekühlten Wasserbecken sowie in Druckkammern, auf das Finden geeigneter Impfstoffe, indem die Häftlinge gezielt mit Fleckfieber oder Malariasporozoiten infiziert wurden sowie auf die Auswirkungen von Gasbrand.

Auf der Anklagebank des Nürnberger Ärzteprozesses sagte Lagerarzt Karl Gebhardt 1947: „So hat mir, wie ich mich bemühte zu zeigen, das Dritte Reich […] auf ärztlichem Gebiete eine große Chance gegeben. Ich habe die Chance genutzt.“

Profiteure

Es profitierten viele Interessengruppen, die diverse Versuche auch konkret in Auftrag gaben, von den Lagerexperimenten: mitunter das Militär wie die Wissenschaft, die SS wie auch die Pharmaindustrie. Wie etwa die Berliner Ausstellung „Gewissenlos – Gewissenhaft“ aus dem Jahr 2001 belegt, arbeitete Josef Mengele eng zusammen mit dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik. So schickte er regelmäßig Präparate zur Auswertung an das Institut und nahm gezielt Menschenexperimente für ein Forschungsprojekt des dortigen Leiters Otmar Freiherr von Verschuer zur Findung eines Anti-Fleckfieber-Serums vor.

Konsequenzen für die Verantwortlichen

Die angenommene Zahl der von deutschen KZ-Ärzten verursachten Menschenopfer liegt bei über 3000. Doch gerade einmal 20 KZ-Ärzte wurden im Nürnberger Ärzteprozess zur Verantwortung gezogen. Viele der verantwortlichen Mediziner konnten ihre Karriere nach Ende des „Dritten Reichs“ unbelangt fortsetzen. Vor allem die Vereinigten Staaten (in kleinerem Rahmen auch England und die Sowjetunion) profitierten nachträglich von der Erfahrung der Ärzte und ihren Versuchsergebnissen: Im Rahmen des Projektes Paperclip wurden eine Reihe von Wissenschaftlern der Luft- und Raumfahrt und eben solcher KZ-Mediziner in der Absicht wissenschaftlichen Fortschritts noch vor Beginn der Nürnberger Prozesse in die Vereinigten Staaten gebracht, wo sie teilweise bis heute in der Forschung tätig sind.

Entgegen weitverbreiteter Meinungen sind die Ergebnisse der Menschenversuche niemals dem wissenschaftlichen Fortschritt zugute gekommen. Es war schon allein deshalb nicht möglich, weil die zur Beteiligung an den Versuchen gezwungenen Häftlingsärzte nach ihrer Möglichkeit den Versuchspersonen halfen (z. B. Temperaturen fälschen), was die Ergebnisse verfälschte.

Einige KZ-Ärzte

Literatur

  • Norbert Frei: Karrieren im Zwielicht. Hitlers Eliten nach 1945. Campus-Verlag, Frankfurt 2001.
  • Robert N. Proctor: Blitzkrieg gegen den Krebs. Gesundheit und Propaganda im Dritten Reich. Klett-Cotta Verlag, 2002.
  • Winfried Süß: Der Volkskörper im Krieg Gesundheitspolitik, Gesundheitsverhältnisse und Krankenmord im nationalsozialistischen Deutschland 1939 - 1945. Oldenburg Verlag, München 2003.

Weblinks


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