Erwin von Baelz

Erwin von Baelz
Dr. Erwin Bälz

Erwin Bälz (Erwin von Baelz 1905) (* 13. Januar 1849 in Bietigheim-Bissingen, † 31. August 1913 in Stuttgart) war ein deutscher Internist, Anthropologe und Leibarzt der Kaiserlichen Familie und Mitbegründer der modernen Medizin in Japan.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Der Sohn eines Bauunternehmers besuchte in Stuttgart das Eberhard-Ludwig-Gymnasium. Das Studium der Medizin begann er mit 19 Jahren in Tübingen. Nach dem Physikum wechselte Bälz nach Leipzig, wo er 1872 sein Studium abschloss. Im gleichen Jahr trat er eine Stelle als Assistent von Prof. Karl August Wunderlich (1815-1877) an, wurde 1872 promoviert und habilitierte sich 1876. In seiner Studienzeit war er Mitglied der Burschenschaft Germania Tübingen. Über Kontakte mit einem japanischen Patienten wurde er 1876 als O-yatoi gaikokujin für zunächst befristet zwei Jahre an die Medizinische Hochschule Tokio (ab 1877 die medizinische Fakultät der Universität Tokio) als Nachfolger des deutschen Arztes Agathon Wernichs (1843-1896) berufen. Als Hochschullehrer blieb er nahezu 30 Jahre in Japan und unterrichtete über 800 Schüler in der westlichen Schulmedizin. Erwin Bälz gilt in der Medizingeschichte als Entdecker und Erforscher noch unbekannter Erkrankungen in Ostasien. Bälz brachte außerdem die deutsche Medizin durch seine langjährige Tätigkeit als Arzt und Professor in Tokio zu hohem Ansehen in Japan. Die Anthropologie verdankt ihm wichtige Publikationen und Forschungsbeiträge zu den Kulturen und Menschen Ostasiens. Darüber hinaus gilt Bälz in Japan als Wegbereiter der modernen japanischen Medizin, als erwiesener Freund des japanischen Volkes und schließlich als kultureller Vermittler zwischen Deutschland und Japan. Während seines insgesamt 29-jährigen Aufenthaltes in Japan war Bälz nicht nur als Universitätsprofessor tätig. Er wurde auch bei Sitzungen und Beratungen des japanischen Gesundheitsamtes zu Rate gezogen, er führte die Aufsicht über die Universitätsklinik und unterhielt darüber hinaus eine eigene Praxis. Außerdem widmete er sich sowohl anthropologischen als auch ethnologischen Studien, die er auf seinen Reisen durch Japan durchführte. Seine anthropologische und ethnologische Forschungstätigkeit in Japan wurde ihm durch seine Japanisch-Kenntnisse wesentlich erleichtert. Sowohl auf dem Gebiet der Medizin (Lehrbuch der Inneren Medizin, 1890) als auch auf dem Gebiete der Ethnologie bzw. Anthropologie leistete Bälz wichtige Beiträge. Er förderte die japanische Lebensart (Jiujitsu, Balneologie) und bezeigte Japan ein reges Interesse in Sachen Kunst und Poesie. Seine medizinischen Fähigkeiten bedingten seine Berufung zum beratenden Hofarzt in den 1890er Jahren und zum Leibarzt des Kronprinzen. Er besuchte im Sommer 1899 die koreanische Hauptstadt Seoul und Busan und nahm dabei ethnologische Untersuchungen vor. Vom 22. April bis zum 3. Juli 1903 war er erneut in Korea und machte mit Richard Wunsch eine Expedition ins Innere des Landes. 1902 hielt Bälz seine Abschiedsvorlesung an der medizinischen Fakultät der Universität Tokio. Sein Amt als Hofarzt versah er bis zu seiner Heimreise 1905. Gelegentlich seines Abschiedes wurde Bälz vom japanischen Kaiser mit dem „Großkreuz der aufgehenden Sonne“ ausgezeichnet. Zurück in Deutschland stellte Bälz auch seine ärztliche Tätigkeit ein, um sich seinen anthropologischen Studien zu widmen. Sein großes Projekt, ein Lehrbuch über die Menschen Ostasiens zu schreiben, konnte er nicht mehr verwirklichen, da er 1910 an einer Gefäßerkrankung zu leiden begann. Dieser erlag er im Jahre 1913. Um seiner Verdienste willen verlieh der württembergische König im Jahre 1905 Erwin Bälz das Komturkreuz des Kronenordens und erhob ihn in den persönlichen Adelsstand. Bis Mitte der 70-er Jahre wurden aufgrund seines Einflusses die Krankenkarten in deutscher Sprache geführt. Auf seine Initiative hin wurden die vulkanischen Quellen von Kusatsu (200 km von Tokio entfernt) zu dem heute erfolgreichsten Badeort in Japan ausgebaut. Er heiratete eine Japanerin und hatte zwei Kinder. Bälz war auch leidenschaftlicher Kunstsammler, ein Großteil seiner japanischen Kunstwerke ist heute im Linden-Museum in Stuttgart ausgestellt. Eine Steinskulptur an der Eberhard Karls Universität in Tübingen erinnert an seine Verdienste für die japanische Medizin. Seit 1961 besteht eine Städtepartnerschaft zwischen Kusatsu und Bietigheim-Bissingen. Im Stadtmuseum Bietigheim-Bissingen gibt es ein Bälz-Kabinett mit Ausstellungsstücken zu Leben und Werk des gebürtigen Bietigheimers.

Erwin von Bälz und das Judo

Seine sportliche Leidenschaft führte ihn zur Wiederentdeckung und Weiterentwicklung des Judos. An der Kaiserlichen Universität Tokio machte Erwin von Bälz den jungen Studenten Jigorō Kanō auf das alte Jiu-Jitsu aufmerksam. Er regte seinen Schüler dazu an, diese alte Sportart auszuarbeiten und diese für die gesamte japanische Jugend "salonfähig" zu machen. Jigorō Kanō wurde zusammen mit Erwin von Bälz der eifrigste Verfechter und Apostel für diese Sportart.

Bei einem Flottenbesuch von zwei japanischen Kreuzern in Kiel wurde diese wiederentdeckte Kampfkunstart, dem damaligen deutschen Kaiser Wilhelm II. vorgeführt, der daraufhin nach einem Jiu-Jitsu-Meister fragte, der an seiner Militärschule die Kadetten in dieser Kunst unterrichten konnte.

Judo ist eine Abwandlung des Jiu-Jitsu, das von Jigorō Kanō in der heutigen Form entwickelt wurde. Erwin Bälz gilt damit auch heute noch als geistiger Initiator des Judo.

Literatur

  • Bälz, Erwin: Das Leben eines deutschen Arztes im erwachenden Japan. Tagebücher, Briefe, Berichte Hg. Toku Bälz. J. Engelhorns Nachf., Stuttgart 1930
  • Eva Verma: Zwischen Bietigheim und Tokio. E. und Hana von Baeltz in: "...wo du auch herkommst". Binationale Paare durch die Jahrtausende Dipa, Frankfurt 1993 ISBN 3763801960 (S. 104 - 117; zwei Fotos)
  • Frank Käser: Zur Begründung der japanischen Schulmedizin im Japan der Meiji-Zeit. Vorgeschichte, Entscheidung, Folgen, Saarbrücken 2008.

Weblinks


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