FOTG

FOTG

Die Frankfurt-Offenbacher Trambahn-Gesellschaft (FOTG) wurde 1882 auf Bestreben von Offenbacher Geschäftsleuten hin gegründet und betrieb ab 1884 die erste kommerzielle elektrische Straßenbahn in Deutschland und die zweite Straßenbahn mit einer Oberleitung.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Es gab verschiedene Versuche für den Nahverkehr zwischen den beiden Städten eine Bahnstrecke einzurichten. 1872 wird die Konzession für eine Dampfstraßenbahn verweigert, weil Dampf und Dreck die Straßen entwerten würde, die von der Dampfstraßenbahn befahren würde. 1881 ließ Werner von Siemens in Lichterfelde zwischen dem Bahnhof und der Kadettenanstalt eine elektrische Straßenbahn bauen, die am 12. Mai 1881 eröffnet wurde. Diese erste elektrische Straßenbahn bezog ihren Fahrstrom (180V Gleichstrom) noch über die Schienen. 1882 folgte in Berlin die erste elektrische Straßenbahn mit einer Oberleitung. Deren Strecke führte von Charlottenburg bis nach Spandau hinaus. Die Stadt hatte jedoch Bedenken gegen die Stromversorgung über an Telegraphenmasten hängende Drahtseile. Der weitere Ausbau wurde verhindert und die erste Straßenbahn mit einer Oberleitung kam über das Experimentierstadium nicht hinaus.

Linienplan aus dem ab dem 21. Juni 1885 gültigen Fahrplan der FOTG

Geschichte der FOTG

Wagen Nr. 7 in Oberrad, 1884

Am 12. Juni 1882 legte ein Offenbacher Konsortium, bestehend aus dem Kommerzienrat Weintraut, dem Bankier Weymann und dem Bankhaus Merzbach, den Behörden in Offenbach und Frankfurt die Ausarbeitung des Projektes „einer elektrischen Straßenbahn zwischen den Endpunkten Deutschherrn-Quai nächst der Alten Brücke und dem Mathildenplatz in Offenbach“ vor, nachdem man in Abstimmung mit der Firma Siemens & Halske zu diesem Vorhaben entschlossen war. Die beiden Städte erteilten am 20. Oktober 1883 dem Vorsitzenden des Konsortiums, dem „Kaufmann G.R.A. Weymann in Offenbach“, die Konzession zum Betrieb einer elektrischen Straßenbahn auf der beantragten Strecke für 25 Jahre. Als Träger des Unternehmens wurde die Frankfurt-Offenbacher Trambahn-Gesellschaft gegründet, der Baubeginn erfolgte noch im gleichen Jahr.

Straßenbahn am Mathildenplatz in Offenbach, um 1890

Der erste Streckenabschnitt Alte Brücke – Buchrainplatz von Sachsenhausen nach Oberrad wurde am 18. Februar 1884 als Meterspurstrecke eröffnet. Die Fortsetzung zum Mathildenplatz in Offenbach folgte am 10. April des gleichen Jahres und war damit mit 6,7 km Länge die damals weltweit längste Straßenbahnstrecke dieser Art. Am 13. Januar 1905 wurde die Straßenbahnlinie von den Städten Frankfurt und Offenbach übernommen und schrittweise auf Normalspur umgestellt, so dass die Straßenbahnlinie 16 vom Lokalbahnhof bis nach Offenbach verlängert werden konnte. Am 28. Oktober 1906 fuhr die im Volksmund Knochemiehl (Knochenmühle) genannte Straßenbahn zum letzten Mal. Triebwagen Nr. 8 und Beiwagen Nr. 13 wurden nach der Betriebseinstellung als Museumsfahrzeuge erhalten, während die übrigen Fahrzeuge verschrottet oder zu Beiwagen für die Städtische Straßenbahn umgebaut wurden. Sie überstanden den Zweiten Weltkrieg verborgen unter Planen und von den Straßenbahnern vergessen im Straßenbahndepot Eckenheim. Heute können sie im Verkehrsmuseum in Frankfurt-Schwanheim besichtigt werden. Die Straßenbahnlinie 16 befährt die Strecke der FOTG auf dem Frankfurter Gebiet noch heute, die Strecken der Offenbacher Straßenbahn wurden dagegen bis 1996 vollständig stillgelegt. Am 18. Februar 2009 begingen der Bürgerverein und der Heimatverein Oberrad das 125. Jahrige Jubiläum mit einer akademischen Feier. Grußworte sprachen der Verkehrsderzernent der Stadt Frankfurt und der Geschäftsführer der Offenbacher Verkehrsbetriebe. Den Hauptvortrag hielt der Leiter des Siemens Corporate Archivs in München[1]. Das Siemens Corporate Archiv[2] besitzt noch heute in seinen Beständen Akten- und Bildmaterial über die FOTG, das für wissenschaftliche oder journalistische Recherchen[3] zur Verfügung steht.

Technik

Wagen 8 im Frankfurter Verkehrsmuseum, 2006
Weiche einer Schlitzrohrfahrleitung der FOTG im Frankfurter Verkehrsmuseum

Die Strecke der FOTG war die vierte elektrische Straßenbahnanlage der Welt. Die Technik des Antriebs mit einem Elektromotor und äußerer Stromzufuhr stand noch am Anfang ihrer Entwicklung. Anders als heutzutage bei den meisten elektrischen Schienenfahrzeugen war die Oberleitung zweipolig wie bei heutigen O-Bussen. Die damalige Oberleitung war noch kein Fahrdraht und der Stromabnehmer wurde noch nicht von unten angedrückt; erste Stromabnehmer in Lyra- und in Stangenform kamen erst 1887 und 1889 auf. Stattdessen wurde das Oberleitungssystem der 1883 eröffneten Lokalbahn Mödling–Hinterbrühl in der Nähe von Wien verwendet. Dieses bestand aus einer zweipoligen Fahrleitung in Kupferrohren mit kleinem Durchmesser und einem Schlitz an der Unterseite (Schlitzrohrfahrleitung). In dieser liefen zwei Kontaktwägelchen, die von dem Triebwagen nachgezogen wurden. Bei der FOTG wurde die Schlitzrohrfahrleitung in 5 Metern Höhe aufgehängt. An den drei Ausweichstellen wurden Weichen in der Oberleitung verwendet, die mit den Gleisweichen gekoppelt waren. Da die Kontaktschiffchen dort zu häufigem Herausfallen neigten, wurde auf jedem Triebwagen eine Leiter mitgeführt, um die Kontaktschiffchen schnell wieder einhängen zu können. Die Stromrückführung erfolgte nicht wie heute über die Räder und die Gleise, sondern, ähnlich wie bei einem Trolleybus, über den zweiten Oberleitungsdraht. Damit die Räder keinen Strom leiten konnten, waren sie aus Holz gefertigt und mit einem Stahlreifen zusammengehalten. Als Fahrstrom wurde Gleichstrom mit 300 Volt verwendet. Die Triebwagen hatten einen Elektromotor mit 11 kW, wogen 3,9 t und hatten insgesamt 24 Sitz- und Stehplätze. Die Beiwagen wogen zwischen 2,0 und 2,2 t und hatten zwischen 24 und 27 Sitz- und Stehplätze. Die Sitze waren in Querrichtung angeordnet. Der Motor war fest im Fahrgestell eingebaut und trieb die Räder über Zahnräder an. Der Antrieb über Zahnräder, die Spurweite von 1000 mm und die fehlende Federung führten zu unruhigen Laufeigenschaften und der Bezeichnung Knochemiehl (Knochenmühle).

Streckenverlauf

Die eingleisige Strecke besaß drei Ausweichstellen bei der Deutschherrnmühle in Frankfurt-Sachsenhausen, bei der Schönen Aussicht in Oberrad und bei der Löwenruhe in Offenbach. Die Strecke begann am südlichen Ende der alten Sachsenhauser Brücke, die damals die wichtigste Verkehrsverbindung zwischen Frankfurt und Sachsenhausen war. Sie führte auf dem Deutschherrn-Quai bis zur Obermainbrücke. Dort bestand Anschluss an die Frankfurter Straßenbahn. Nach dem Passieren des neuen Schlachthofs querte die Strecke ebenerdig die Gleise der Lokalbahn. Anschlißend wurde das Bebraer Eisenbahn-Viadukt passiert. Über die Offenbacher Landstraße und den Mühlberg ging es durch das Sachsenhauser Ostend nach Oberrad. Nach der Durchquerung von Oberrad führte die Strecke nach Offenbach am Main auf die Frankfurter Straße über die Stationen Ludwigstraße, Luisenstraße, Kaiserstraße, Herrnstraße, und Marktplatz zur im Offenbacher Ostend gelegene Endhaltestelle Mathildenplatz. Die später geplante Fortführung der Strecke nach Bürgel und Rumpenheim wurde jedoch durch die schlechte wirtschaftliche Situation der FOTG verhindert.

Betrieb

Am Buchrainplatz in Oberrad entstand ein kleines Depot. Dort entstand außerdem ein bahneigenes Kohlekraftwerk um den Strom für die Strecke zu erzeugen. Die Strecke war eingleisig, es gab drei Ausweichstellen. Der Fahrzeugpark der FOTG bestand lediglich aus zehn Trieb- und sieben Beiwagen, die von der Kölner Firma Herbrand & Cie (mechanischer Teil) und Siemens & Halske (elektrischer Teil) gefertigt wurden. Die Bahnen erreichten eine für damalige Verhältnisse beachtliche Geschwindigkeit von etwa 20 km/h. Durch die noch nicht ausgereifte Technik traten im Fahrbetrieb häufig Pannen auf. Die Kontaktschiffchen fielen oft aus den Kupferrohren und mussten mühsam per Hand wieder eingesetzt werden. Zu diesem Zweck wurde an jedem Triebwagen eine Leiter mitgeführt, um die Kontaktschiffchen wieder einhängen zu können. Auch die Gleisanlagen und der Antrieb waren noch nicht ausgereift. So musste täglich zwischen 11 und 12 Uhr eine halbstündige Betriebspause eingelegt werden, um die Fahrzeuge mit Wagenfett einschmieren zu können. Die Bahn verkehrte zwischen 6 Uhr und 22.40 Uhr. Die Fahrzeit betrug 25 Minuten. Der Fahrpreis für die ganze Strecke betrug werktags 20 und sonntags 25 Pfennig, Teilstrecken kosteten 10 und 15 Pfennig. Im ersten Jahr wurden eine Million Fahrgäste gezählt.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Bürgerverein Oberrad Akademische Feier zum 125-jährigen Jubiläum der ersten elektrischen Straßenbahn in Deutschland am Mittwoch, den 18. Februar 2009
  2. Webseite des Siemens Corporate Archivs
  3. Die Bestände des Siemens Corporate Archivs stehen mit Nachweis eines berechtigten Interesses sowie Nennung des Themas der beabsichtigten Arbeit und des Auftraggebers zur Einsicht und wissenschaftlichen Auswertung zur Verfügung. Möglich sind zum Beispiel Diplomarbeiten, Dissertationen und wissenschaftliche oder journalistische Veröffentlichungen.

Literatur/Quellen

  • Dieter Höltge, Günter H. Köhler: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland. 2. Auflage. 1: Hessen, EK-Verlag, Freiburg 1992, ISBN 3-88255-335-9. 
  • Horst Michelke, Claude Jeanmaire: 100 Jahre Frankfurter Straßenbahnen: 1872 - 1899 - 1972. 1. Auflage. Verlag Eisenbahn, Villigen AG bei Brugg/Schweiz 1972, ISBN 3-85649-018-3. 
  • Helmut Roggenkamp: Die älteste Elektrische muss gehen. In: Eisenbahn Magazin 6/96, Alba Verlag, Düsseldorf.

Weblinks


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