Falsche Erinnerung

Falsche Erinnerung

Als falsche Erinnerungen oder Pseudoerinnerungen werden Gedächtnisinhalte bezeichnet, die keinem vergangenen tatsächlich erlebten Geschehen entsprechen und dennoch als faktisch so erlebt empfunden werden. Sie können entweder rein fiktiv sein oder aber in wesentlichen Punkten vom tatsächlichen Geschehen abweichen. Von hoher juristischer Relevanz ist dieses Phänomen bei der Bewertung von Aussagen vor Gericht. Sie unterscheiden sich von der bewussten Falschaussage (Lüge) dadurch, dass der Betreffende selbst seine Aussage für richtig hält, sie ist mithin ich-synton.

Es gilt als gesichert, dass das Einspeichern der falschen Erinnerungen ein zeitlich eng begrenztes Phänomen ist und sowohl als Folge einer Suggestion als auch spontan (ohne äußere Beeinflussung) unter Stress oder bei Erschöpfungszuständen auftreten kann. Der Begriff ist damit methodisch abgrenzbar gegen pathologische Wahnvorstellungen, wie sie als Symptom einiger psychischer Störungen auftreten können.

Wesentlich ist, dass die gedankliche und gefühlsmäßige Reproduktion des Gedächtnisinhaltes als Abbild eines vergangenen, wachbewussten Geschehens erlebt wird - anders als bei einer Erinnerung an einen Traum, eine Vision oder eine aktive Imagination: Dort ist dem Erinnernden bewusst, dass seiner Erinnerung keine solche äußere Realität entspricht. Auch im Fall einer lückenhaften, vagen Erinnerung ist sich der Erinnernde dieser Unvollständigkeit und Unvollkommenheit bewusst.

Hirnphysiologische Experimente (zum Beispiel zur Gesichtserkennung) haben gezeigt, dass auch Gedächtnisinhalte an die sich ein Mensch korrekt erinnert, die Beteiligung unbewusster psychischer Abläufe in entscheidendem Umfang erfordert: Entgegen gängiger Annahme können nicht alle zutreffend reproduzierbaren Gedächtnisinhalte vor ihrer Speicherung vollständig durch das Nadelöhr des Bewusstseins laufen, sie gelangen also nicht oder nur ausnahmsweise in vollem Umfang zur Bewusstheit.

Diese Erkenntnis sowie die Beobachtung, dass falsche Erinnerungen zumeist von starken Emotionen begleitet sind, bilden den Ausgangspunkt für die aktuellen Forschungsansätze.

In den USA spielen falsche Erinnerungen in Prozessen um Satanismus und Kindesmissbrauch eine große Rolle. Vor dem religiösen Hintergrund des in den USA und in Kanada weit verbreiteten protestantischen Fundamentalismus kam es wiederholt zu Anschuldigungen wegen Satanismus auf der Grundlage falscher Erinnerungen, die Gerichtsverhandlungen, Verurteilungen, Berufungen und erfolgreiche Schadensersatz-Prozesse nach sich zogen. [1] Psychotraumatologischen Erkenntnissen zufolge kommt es andererseits nach traumatischen Erfahrungen (insbesondere in der Kindheit) oft zur Dissoziation (Abspaltung) von Gedächtnisinhalten aus dem Bewusstsein. (Derartige Umstände können aus naheliegenden Gründen nicht zur Grundlage experimenteller Gedächtnisforschung gemacht werden.)

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. Ofshe, Richard, Watters, Ethan, Die mißbrauchte Erinnerung. Von einer Therapie, die Väter zu Tätern macht, dtv, 1996, ISBN 3423305568, passim

Literatur

  • Martin Gardner, Falsche Erinnerungen (I+ II) in: Gero von Randow, Der Fremdling im Glas, Reinbek 1996, S.133-157
  • Vielfalt e.V. (Hrsg.): Traumatische Erinnerungen, Band I: Forschung und Therapie, Bremen 2002
  • Martha Schalleck: Rotkäppchens Schweigen. Die Tricks der Kindesmissbraucher und ihrer Helfer, Freiburg/Br. 2006 ISBN 978-3-936544-80-0

Siehe auch

Weblinks


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