Fesnojiv

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José Antonio Abreu (* 17. Mai 1939 in Valera, Venezuela) ist ein venezolanischer Komponist, Ökonom, Politiker, Erzieher, Aktivist und Gründer des größten musikalischen Projektes in Venezuela.

Inhaltsverzeichnis

Beruflicher Werdegang

Abreu studierte an der Musikhochschule in Caracas und zugleich Volkswirtschaft und Rechtswissenschaften an der Universität. Später unterrichtete er diese Fächer als Universitätsprofessor. Zugleich trat er als Dirigent auf und gab Konzerte als Cembalist, Organist und Pianist.

Sinfónica de la Juventud Venezolana Simón Bolívar

In Venezuela lebten seit Jahren 75 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. In Caracas lebt ein Großteil der Bevölkerung in Barrios, in denen Kriminalität und Gewalt grassieren.

José Antonio Abreu wollte helfen, das Elend der Kinder und Jugendlichen zu vermindern und ihnen eine Chance zu geben. Als Mittel dazu sah er die Musik an.

1975 gab es in Venezuela zwei Sinfonieorchester, die überwiegend aus europäischen Berufsmusikern bestanden. In diesem Jahr lud Abreu 11 junge Musiker zu einer Musikprobe ein und verkündete ihnen, dass sie jetzt gleich Geschichte schreiben würden. Die zweite Probe zog 25 Musiker an, die dritte 46 und die vierte 75 Musiker. Abreu gründete die Sinfónica de la Juventud Venezolana Simón Bolívar, Namensgeber war der Freiheitskämpfer Simón Bolívar.

Abreu wollte nicht nur ein Sinfonieorchester gründen, sondern die Musik zur Bildung und seelischen und sozialen Stabilisierung von Kindern einsetzen, indem die Musiker ihr Wissen an Kinder aus schlechtesten Verhältnissen weitergeben.

Nationales System der Jugend- und Kinderorchester von Venezuela

Während des Ölbooms überredete Abreu das Gesundheitsministerium, sein soziales Unternehmen zu subventionieren. So entstand das System der Jugend- und Kinderorchester von Venezuela, das sistema. Kern sind die nucléos genannten Musikschulen des sistema. Kinder werden ab einem Alter von zwei Jahren aufgenommen. An sechs Tagen der Woche können Kinder kostenlos Musikinstrumente und Musikstunden nutzen. Sie werden in musikalische Gruppen, später in Ensembles eingeteilt. Die Mitwirkung ist Pflicht. Bei der Ausbildung wird Singen, Tanzen und Bewegung in großem Maß eingesetzt.

Die Kinder genießen in den Musikschulen eine sichere und gewaltfreie Umgebung. Die Musiklehrer arbeiten mit örtlichen Sozialdiensten und dem Waisenhaus zusammen und sorgen für fehlende Kleider, Nahrung oder andere Dinge des täglichen Lebens.

Die Kinder erhalten viel Zuwendung, Aufmerksamkeit und Bestätigung. Sie werden in einer positiven Atmosphäre ermuntert und nicht entmutigt. Sobald die Kinder ein wenig spielen können, geben sie ihr Wissen an kleinere Kinder weiter. Die zahlreichen Musiklehrer arbeiten nach ausgewählten Lehrmethoden unter anderem von Kodály, Suzuki und Solfège.

Abreu gelang es seit 1975, die Unterstützung aller amtierenden Regierungen zu erhalten. Dadurch verfügte Venezuela 2007 über 90 Montalban-Musikschulen mit 250.000 Kindern, 125 Jugendorchester, 57 Kinderorchester und 30 professionelle Sinfonieorchester.

Bei der Fundación del Estado para el Sistema National de las Orquestas Juveniles e Infantiles de Venezuela (Fesnojiv) sind hierfür 1500 Musiklehrer angestellt. Die Gesamtjahreskosten des Projektes betragen 29 Millionen Dollar und sind für ein Entwicklungsland eine ungewöhnlich hohe Summe.

Abreu meinte dazu: „Die Regierung unterstützt mein Projekt genau wegen seiner sozialen Ausrichtung. Der Staat hat sehr gut verstanden, dass das Projekt, wiewohl es mit Mitteln der Musik arbeitet, zuvörderst ein soziales ist: ein Projekt zur Förderung allgemeiner menschlicher Qualitäten. Denn für die Kinder, mit denen wir arbeiten, stellt die Musik fast den einzigen Weg zu einem menschenwürdigen Dasein dar. Armut - das heißt: Einsamkeit, Traurigkeit, Anonymität. Orchester - das heißt: Freude, Motivation, Teamgeist, Streben nach Erfolg. Wir sind eine große Familie auf der Suche nach Harmonie und jenen schönen Dingen, die allein die Musik den Menschen zu bringen vermag.“ Er zitiert gern Mutter Theresa und sagt: „Es ist auch ein geistlicher Kampf für das Wahre, Schöne, Gute - gegen Not und wirtschaftliche Gier.“

Da manchmal die staatlichen Instrumente knapp sind, werden die jüngsten Kinder in sogenannten Papierorchestern mit selbstgebauten Instrumenten aus Papier und Pappe an die Musik und den Umgang mit einem Instrument herangeführt.

Das Sistema hat Orchester und Musiker von außerordentlicher Qualität hervorgebracht. Inzwischen kommen Dirigenten wie Claudio Abbado, Sir Simon Rattle und Zubin Mehta jedes Jahr nach Venezuela, um mit den Jugendlichen zu musizieren.

Aus den Reihen des Orchestersystems sind mittlerweile einige weltweit bekannte Musiker hervorgegangen, darunter Gustavo Dudamel (Dirigent des Sinfónica de la Juventud Venezolana Simón Bolívar) und Aléxis Cárdenas (Geige). Edicson Ruiz (Kontrabass) wurde von einem Nachbarn zur Musikschule gebracht, weil die Mutter sich über das immer gewalttätigere Verhalten ihres Sohnes sorgte. Er wurde mit 17 Jahren das jüngste je aufgenommene Mitglied der Berliner Philharmoniker.

Ehrungen

Das System der Jugend- und Kinderorchester von Venezuela erhielt 1993 den Internationalen Musikpreis der UNESCO. 1998 wurde Abreu von der UNESCO zum Botschafter für den Frieden ernannt, und 2001 war er einer der Träger des Alternativen Nobelpreises. Im Jahr 2005 erhielt Abreu den Bundesverdienstorden für seine außerordentlichen Verdienste um die musikalische Erziehung. Im März 2009 wurde er mit dem Frankfurter Musikpreis und mit dem Blue Planet Award 2008 der deutschen Stiftung Ethik und Ökonomie (Ethecon) [1] ausgezeichnet.

Werke

Abreu komponierte Kammermusik und Klavierwerke, Chöre und geistliche Chorwerke, darunter eine Totenmesse a cappella. Außerdem schrieb er zwei Sinfonien, eine „Neuklassische Sinfonie“ und eine Sinfonische Dichtung.

Quellen

  • Shirley Apthorp: Musik gegen Armut, Verwahrlosung und Kriminalität. Das "Sistema" von Jugendorchestern und Musikschulen in Venezuela. Neue Zürcher Zeitung, Internationale Ausgabe, 12. März 2007, S. 27
  • El Sistema (Originaltitel), Dokumentarfilm, Deutschland, 102 Min., 2009, Regie: Paul Smaczny (zugleich Produzent), Maria Stodtmeier, Kinostart: Donnerstag, 16. April 2009

Literatur

"Sinfonie der Straße. Die venezolanische Jugendorchesterbewegung", in: Matices, Zeitschrift zu Lateinamerika, Spanien und Portugal, Nr. 39/ 2003

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Mitteilung der Stiftung ethecon

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