Simon Rattle

Simon Rattle
Sir Simon Rattle dirigiert Wagners Rheingold in der Berliner Philharmonie, 2006

Sir Simon Denis Rattle, CBE (* 19. Januar 1955 in Liverpool) ist ein britischer Dirigent und seit 2002 Chefdirigent der Berliner Philharmoniker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Simon Rattle auf einem Plakat der Berliner Philharmonie, 2002

Im Alter von sechzehn Jahren begann Simon Rattle 1971 an der Royal Academy of Music Klavier, Schlagzeug und Orchesterleitung (Bachelor) zu studieren und schloss das Studium 1974 erfolgreich ab.

Im selben Jahr gewann er den Ersten Preis des internationalen John-Player-Dirigentenwettbewerbs. Er wurde daraufhin für drei Jahre Assistenzdirigent für die beiden Orchester (Bournemouth Symphony Orchestra und Bournemouth Sinfonietta) - der Posten war der Hauptpreis des Wettbewerbs, [1] im südenglischen Bournemouth. Dies hinderte ihn jedoch daran, sein bereits begonnenes Master-Studium in Schlagzeug und Orchesterleitung abzuschließen.[2] Während seines Studiums las er sämtliche Romane von Thomas Mann in der Originalsprache.[3]

Rattle leitete verschiedene Orchester als Gastdirigent, bis er 1980 zum Chefdirigenten des City of Birmingham Symphony Orchestra berufen wurde. Mit ihm unternahm er Tourneen durch Mitteleuropa, Skandinavien, den Nahen Osten sowie Nordamerika.

Am 23. Juni 1999 wählten die Berliner Philharmoniker Rattle zum neuen Chefdirigenten und Künstlerischen Leiter, nachdem Claudio Abbado seinen Rückzug zum Ende der Spielzeit 2001/2002 angekündigt hatte. Am 7. September 2002 gab Rattle mit Thomas Adès' Asyla sowie Gustav Mahlers 5. Sinfonie sein Debüt in Berlin.

1980 heiratete er Elise Ross, eine amerikanische Sopranistin, mit der er zwei Söhne hat. 1995 ließ er sich scheiden und heiratete die Schriftstellerin Candace Allen aus Boston. Auch diese Ehe endete, nachdem Sir Simon Rattle die tschechische Mezzosopranistin Magdalena Kožená kennenlernte, mit der er sich 2004 liierte und die er 2008 heiratete. Sie haben zwei Söhne. Kožená und Rattle leben in Berlin.

Leistungen

1977 war er der jüngste Dirigent bei den renommierten Opernfestspielen im englischen Glyndebourne, wo er 1986 George Gershwins Porgy and Bess inszenierte. Zahlreiche Uraufführungen zeitgenössischer Werke sind Simon Rattle ebenso zu verdanken wie seine sporadische Beschäftigung mit Orchestern, die ein historisches Instrumentarium verwenden.

1987 realisierte er beispielsweise mit dem Orchestra of the Age of Enlightenment Wolfgang Amadeus Mozarts Oper Idomeneo in London, der 1989 Le nozze di Figaro folgte.

Bei den Salzburger Festspielen war Simon Rattle ebenfalls häufiger Gast, so musizierte er dort 1999 mit Cecilia Bartoli und dem Orchestra of the Age of Enlightenment.

Zwei Jahre zuvor war er mit dem City of Birmingham Symphony Orchestra erstmals auf Tournee durch Südamerika.

Sein Konzertprojekt Towards the Millennium mit dem City of Birmingham Symphony Orchestra endete im März 2000 mit Konzerten in Birmingham, London, Frankfurt am Main, Baden-Baden und Wien.

Sir Simon Rattle realisierte als Dirigent der Berliner Philharmoniker die Filmmusik zur Süskind-Adaption Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders (2006). Außerdem spielte Rattle mit dem City of Birmingham Symphony Orchestra die Filmmusik des Schotten Patrick Doyle zu Kenneth Branaghs Debütfilm Henry V. ein.

Projekte in Berlin

Sir Simon Rattle bei einer Orchesterprobe in der Berliner Philharmonie, 2007

Bereits zu Beginn seiner ersten Spielzeit 2002/2003 rief Rattle das „Education-Programm“ Zukunft@Bphil ins Leben. Im Januar 2003 realisierte er das vierte Projekt des Programms, das durch den Dokumentarfilm Rhythm Is It! große Bekanntheit erreichte. 250 Berliner Kinder und Jugendliche aus 25 Nationen studierten mit dem Choreographen Royston Maldoom ein Tanzprojekt zur Musik von Strawinskis Sacre du Printemps ein. Von den Berliner Philharmonikern begleitet, fand die Aufführung in der Arena Berlin statt. Die Entstehung und Realisierung dieses Projekts dokumentiert der Film Rhythm Is It! von Thomas Grube und Enrique Sánchez Lansch, der auf der Berlinale gezeigt wurde und mit dem Bayerischen Filmpreis und dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde.[4] Im Rahmen seines Engagements für den musikalischen Nachwuchs dirigiert Rattle einmal im Jahr ein Jugendorchester mit Berliner Schülern. Darüber hinaus leitete er 2008 eine Probe des Bundesjugendorchesters und ist Vorstandsmitglied der Orchester-Akademie der Berliner Philharmoniker.

Weitere Projekte des Programms waren Strawinskis Der Feuervogel (2005), Ravels Daphnis & Chloé und Orffs Carmina Burana (2006) – die letzteren beiden in Zusammenarbeit mit dem Rundfunkchor Berlin und Simon Halsey.

Einspielungen

Unter seinen mehr als 60 Schallplattenaufnahmen finden sich zahlreiche Werke des etablierten Konzertprogramms, wie etwa alle Symphonien und Klavierkonzerte Ludwig van Beethovens mit den Wiener Philharmonikern. Als herausragende Leistungen gelten aber besonders seine Einspielungen der 8. Sinfonie (diese mit dem City of Birmingham Symphony Orchestra), der 5. Sinfonie und des Entwurfs der 10. Sinfonie Gustav Mahlers (letztere 1980 mit dem Bournemouth Symphony Orchestra und nochmals 1999 mit den Berliner Philharmonikern) – es ist seit über 25 Jahren ein Anliegen Rattles, die Aufführungsversion Deryck Cookes von der Werkskizze jener 10. Sinfonie dem Publikum vorzustellen. Rattle setzte sich darüber hinaus erfolgreich für die Werke Karol Szymanowskis ein; er gilt außerdem, gleich seinem Lehrer John Carewe, [5] als ein vorzüglicher Haydn-Dirigent.

Ehrungen

Ehrungen und Auszeichnungen wurden dem Künstler in Fülle zuteil, darunter Ehrendoktorwürden der Universitäten Birmingham, Leeds, Liverpool und Oxford. 1987 wurde Simon Rattle mit dem CBE ausgezeichnet und 1994 von der britischen Königin Elisabeth II. als Knight Bachelor in den Adelsstand erhoben. Der deutsche Musikpreis ECHO Klassik würdigte ihn als Dirigent des Jahres 2003. Simon Rattle ist Ehrenmitglied der Wiener Konzerthausgesellschaft. Außerdem gewann er im Jahr 2007 die Goldene Kamera als Spezialpreis für „Integration“. 2009 bekam er vom Bundespräsidenten das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Im Jahre 2010 wurde er zum Ritter der Ehrenlegion (Chevalier de la Légion d'Honneur) ernannt.

Die Berliner Philharmoniker und ihr Künstlerischer Leiter Sir Simon Rattle wurden am 17. November 2007 als Internationale UNICEF-Botschafter benannt. Das Orchester ist damit die erste Institution, die diesen Titel trägt, und der einzige Internationale UNICEF-Botschafter aus Deutschland.[6]

Literatur

  • Nicolas Kenyon: Simon Rattle. Abenteuer der Musik. Henschel, Berlin 2007, ISBN 978-3-89487-552-7.
  • Annemarie Kleinert: Berliner Philharmoniker von Karajan bis Rattle. Jaron, Berlin 2005, ISBN 3-89773-131-2, S. 1–189 (online).
  • Angela Hartwig: Rattle at the door. Sir Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker 2002 bis 2008. Evrei-Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-00-028093-1

Weblinks

Einzelnachweise

  1. „Sir Simon Rattle über seine eigene Erziehung“, rhythmisit.com
  2. Wolfgang Schreiber: Große Dirigenten. 2005
  3. Interview mit Simon Rattle, RBB, 24. Juni 2007
  4. „Die aktuellen Neuigkeiten rund um Rhythm is it!“, rhythmisit.com
  5. Kenyon, Nicolas: Simon Rattle. Abenteuer der Musik. Ausgabe von 2002. Henschel Verlag, Berlin 2002
  6. UNICEF: Berliner Philharmoniker und Sir Simon Rattle werden Internationale UNICEF-Botschafter. 17. November 2007

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