Flynneffekt

Flynneffekt

Der Flynn-Effekt bezeichnet die Tatsache, dass bis in die 1990er-Jahre die Ergebnisse von IQ-Tests im Mittel höhere Werte erbrachten, die gemessene Intelligenz also offenbar zunahm. Die durchschnittliche Zunahme betrug in den meisten Industrieländern ungefähr drei IQ-Punkte pro Jahrzehnt.[1]. Dieser Trend wurde 1984 vom neuseeländischen Politologen James R. Flynn beschrieben und nach ihm benannt. Wie andere Wissenschaftler feststellen konnten, waren für den Anstieg vor allem Steigerungen der IQ-Punktwerte in der Gruppe jener Getesteten verantwortlich, denen ein IQ von unter 100 attestiert worden war.[2] Ganz besonders fiel auf, dass von Jahr zu Jahr weniger Getestete als geistig behindert eingestuft wurden. Dagegen haben sich die IQ-Werte jener Getesteten, deren Punktwert größer als 100 war, anscheinend nicht erhöht.[3]

Heute ist der „Flynn-Effekt“ nur noch in wenigen Industrienationen (namentlich in Südkorea und Singapur) zu beobachten. In der dritten Welt steigen die Werte hingegen weiterhin an.[4]

Inhaltsverzeichnis

Erklärungsansatz

Flynn und der Ökonom William Dickens führen den Effekt auf die Folgen der industriellen Revolution zurück, die langfristig zu reichhaltigerer Nahrung, besserer Gesundheit, besseren Bildungsangeboten sowie vermehrter Aufmerksamkeit in kleineren Familien und weniger arbeitenden Elternteile führten. Die Messergebnisse zeigten zudem, dass der so genannte Flynn-Effekt nur durch Umwelteinflüsse zustande kommen kann, da sich der Genpool allenfalls in längeren Zeiträumen ändert. [5]

Umkehrung des Flynn-Effekts

Der dänische Psychologe Thomas Teasdale zeigte, dass der IQ, der in den Industrieländern bis in die 1980er-Jahre zunahm, mit Beginn der 1990er-Jahre stagnierte und seit dem Ende der 1990er-Jahre sogar wieder abnimmt. Dies trifft neben Dänemark z. B. auch auf Deutschland, Österreich, die Schweiz, Frankreich und England zu.[6]

Untersuchungen von Jon Martin Sundet (Universität Oslo) an jungen Norwegern scheinen die Umkehrung des „Flynn-Effekts“ zu bestätigen. Er untersuchte die IQs junger Norweger zwischen 1950 und 2002. Bis Mitte der 1990er-Jahre konnte Sundet einen Anstieg feststellen, danach einen Abfall.[7] Es sei vor allem die Fähigkeit, neue Informationen schnell zu verarbeiten, ohne dabei auf Erfahrungen zurückgreifen zu müssen, die abnehme. Wortschatz und Bildung blieben hingegen unverändert.[8]

Auch in Deutschland wurde inzwischen ein Sinken der Intelligenz beobachtet. "Seit 1999 sinkt die Intelligenz unserer Gesellschaft kontinuierlich", sagt Deutschlands führender Intelligenzforscher Siegfried Lehrl, 63. Von einer Verdummung der Deutschen will er (noch) nicht sprechen, betont aber: "Intelligenztests unter Schülern haben gezeigt, dass deren geistige Fähigkeiten nicht mehr an die Jahrgänge vor 1999 heranreichen." Als Grund sieht Lehrl unter anderem das marode Gesundheits- und Bildungssystem und die Fixierung auf Computer, Handy und Spielkonsole.[9]

Gründe für die Umkehrung des Flynn-Effektes

Teasdale glaubt, dass die sinkenden IQ-Werte in Dänemark mit dem sinkenden Interesse an einer akademischen Ausbildung zusammenhängen. In Dänemark sei die Zahl der Jugendlichen zurückgegangen, welche ein Gymnasium besuchen. Wenn die Jugendlichen aber nicht mehr an Tests gewöhnt seien, kämen sie auch mit IQ-Tests schlechter zurecht.[10] Dieser Interpretation zufolge würde es sich bei der Umkehrung des „Flynn-Effekts“ nicht um einen echten Rückgang der Intelligenz handeln, sondern nur um Schwierigkeiten mit den Tests aufgrund mangelnder Gewöhnung.

Flynn selbst führt den Rückgang auf den „Wohlstand“ zurück, welcher zu „Dekadenz“ geführt habe.[11]

Nach Lehrl könnte eine mögliche Ursache aber auch darin zu sehen sein, dass von der modernen Gesellschaft überforderte Menschen in konkurrierende, einfach konsumierbare Medienangebote flüchten, die das Gehirn zu wenig fordern.[12] Als weitere mögliche Ursache wurde von Wissenschaftlern die Umweltverschmutzung (insbesondere durch Blei) in Erwägung gezogen.[13][14]

Einzelnachweise

  1. Flynn, J. R. (1984): The mean IQ of Americans: Massive gains 1932 to 1978. Psychological Bulletin, 95, 29-51
  2. Teasdale, T. W., & Owen, D. R. (1989): Continuing secular increases in intelligence and a stable prevalence of high intelligence levels. Intelligence, 13, 255–262
  3. Kanaya, T., Scullin, M. H., & Ceci, S. J. (2003): The Flynn effect and U.S. policies: The impact of rising IQ scores on American society via mental retardation diagnoses. American Psychologist, 58, 778-790
  4. www.med-dent-magazin.de, 07/2006 "Die Menschen werden wieder dümmer."
  5. Jochen Paulus in der Zeit: Gene oder Umwelt? Falsch, Gene mal Umwelt
  6. Teasdale, T. W., & Owen, D. R. (2005): A long-term rise and recent decline in intelligence test performance: The Flynn Effect in reverse. Personality and Individual Differences, 39, 837-843
  7. Sundet, J. M., Barlaug, D. G., & Torjussen, T. M. (2004): The end of the Flynn effect? A study of secular trends in mean intelligence test scores of Norwegian conscripts during half a century. Intelligence, 32, 349-362
  8. http://www.wissenschaft.de vom 16. Mai 2005 "Forscher schlagen Alarm: In den Industrieländern ist der IQ auf Talfahrt."
  9. Mannheimer Morgen vom 22. März 2008 IQ der Deutschen sinkt
  10. www.med-dent-magazin.de, 07/2006 "Die Menschen werden wieder dümmer."
  11. www.med-dent-magazin.de, 07/2006 "Die Menschen werden wieder dümmer."
  12. www.wissenschaft.de vom 16. Mai 2005 "Forscher schlagen Alarm: In den Industrieländern ist der IQ auf Talfahrt."
  13. Grandjean, P. and Landrigan, P. J.: Developmental neurotoxicity of industrial chemicals. The Lancet, published online Nov. 8, 2006; Vol. 368 [1]
  14. www.cbsnews.com vom 7. November 2006 "A 'Silent Pandemic' Of Brain Disorders. Researchers Say Chemical Exposures May Explain Rise in Autism And ADHD"

Literatur

  • Flynn, J. R. (1984). The mean IQ of Americans: Massive gains 1932 to 1978. Psychological Bulletin.
  • Flynn, J. R. (1987). Massive IQ gains in 14 nations: What IQ tests really measure. Psychological Bulletin
  • Teasdale, Thomas W., and David R. Owen. (2005). "A long-term rise and recent decline in intelligence test performance: The Flynn Effect in reverse." Personality and Individual differences
  • Sundet, J. M., Barlaug, D. G., & Torjussen, T. M. (2004). The end of the Flynn effect? A study of secular trends in mean intelligence test scores of Norwegian conscripts during half a century. Intelligence, 32, 349-362.

Weblinks

Siehe auch


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