Francia (Landschaft)

Francia (Landschaft)

Franzien ist ein deutscher Ausdruck, der zur Bezeichnung einer lateinisch Francia genannten westfränkischen (französischen) Region eingeführt wurde, um sie vom Herzogtum Franken, das seit 906 in den Händen der Familie der Konradiner lag, zu unterscheiden. Gemeint ist der Teil Frankreichs, der nördlich der Loire liegt. Während im späten 9. Jahrhundert das Gebiet zwischen Loire und Seine noch als Neustrien bezeichnet wurde und der Begriff Francia für das Gebiet zwischen Seine und Schelde reserviert war (so etwa bei dem Dichter Abbo von Saint-Germain-des-Prés), wurde im 10. Jahrhundert ganz Neustrien in die Francia mit einbezogen.

„Herzog von Franzien“ ist die deutsche – allerdings unglückliche – Übersetzung des lateinischen Titels dux Francorum („Herzog der Franken“). Diesen Titel führten die westfränkischen Robertiner, die Vorfahren der Kapetinger, seit 936. Im Französischen spricht man von duc de France, man verwendet also das Wort France (Frankreich) auch zur Bezeichnung von Franzien.

In älterer Literatur wird irrtümlich behauptet, die frühen Robertiner (Robert der Tapfere, † 866; Odo, König 888-898; Robert I., König 922-923) hätten den Titel dux Francorum (Herzog der Franken bzw. Herzog von Franzien) geführt. Der einzige Beleg, den es dafür gibt, ist jedoch eine nachweislich gefälschte Urkunde König Odos. Tatsächlich wurde der Titel dux Francorum erst im Jahr 936 eingeführt. Er wurde von König Ludwig IV. dem Überseeischen eigens für den Robertiner Hugo den Großen, den Sohn König Roberts I., geschaffen. Auch Hugo Capet, der Sohn Hugos des Großen, führte diesen Titel. Als Hugo Capet im Jahr 987 zum König erhoben wurde, wurde der Titel nicht mehr neu vergeben, sondern das Herzogtum Franzien abgeschafft.

Die genaue staatsrechtliche Bedeutung des Begriffs dux Francorum ist umstritten. In einer erzählenden Quelle, den Annalen Flodoards von Reims, kommt auch die Bezeichnung ducatus Franciae ("Herzogtum Franzien") vor, in Urkunden und auf Münzen jedoch nur dux Francorum. Zwei Deutungen stehen sich gegenüber. Nach der einen ist dux Francorum in Analogie zu rex Francorum ("Frankenkönig"), dem Titel der westfränkischen Könige, zu verstehen und bedeutet eine Art Vizekönigtum, eine Zuständigkeit für das gesamte Reich. Demnach stand der robertinische Frankenherzog zwischen dem karolingischen Frankenkönig und den übrigen, nachgeordneten Vasallen. Er hatte also eine Stellung ähnlich derjenigen der karolingischen Hausmeier in der Spätphase des Merowingerreichs. Eine solche Position haben die Robertiner Hugo der Große und Hugo Capet tatsächlich angestrebt und zeitweilig faktisch innegehabt. In einer Urkunde von 936 stellte König Ludwig fest, er handle auf den Rat "unseres geliebtesten Hugo, des Frankenherzogs, der in allen unseren Reichen der Zweite nach uns ist". Die andere Deutung, die sich auf den gängigen Sprachgebrauch der Quellen stützt, besagt, dass sich der Titel dux Francorum nicht auf das ganze Westfrankenreich bezog, sondern nur auf einen bestimmten Reichsteil, das Herzogtum Franzien (im Unterschied zu anderen Reichsteilen, Burgund und Aquitanien). – Vermutlich schwankte der Begriff zwischen der weiteren und der engeren Bedeutung; möglicherweise wurde dies auch bewusst im Unklaren gelassen.

Die Grafen von Vermandois führten den Titel comes Francorum ("Graf der Franken"), um formell den dritten Rang im Westfrankenreich zu beanspruchen. Tatsächlich forderten sie ihre Ebenbürtigkeit einerseits mit den Robertinern, andererseits mit den Karolingern, von denen die Grafen von Vermandois in direkter Linie abstammten.

Literatur

  • Walther Kienast: Der Herzogstitel in Frankreich und Deutschland (9. bis 12. Jahrhundert). Oldenbourg, München 1968

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