Freiherr von Neurath

Freiherr von Neurath
Konstantin Freiherr von Neurath im Jahr 1939 in Uniform als Reichsprotektor von Böhmen und Mähren

Konstantin Hermann Karl Freiherr von Neurath (* 2. Februar 1873 in Kleinglattbach bei Vaihingen an der Enz, Württemberg; † 14. August 1956 in Enzweihingen, Württemberg) war ein deutscher Politiker, im wesentlichen in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur. Er war Mitglied der NSDAP und SS-Mitglied. Von 1932 bis 1938 war er Außenminister, zwischen 1939 und 1941 Reichsprotektor von Böhmen und Mähren.

Neurath gehörte zu den 24 im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof angeklagten Personen und wurde am 1. Oktober 1946 in allen vier Anklagepunkten schuldig gesprochen und zu 15 Jahren Haft verurteilt, aus der er 1954 entlassen wurde.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Konstantin von Neurath als Korpsstudent in Tübingen, um 1896

Neurath wurde als Sohn eines Gutsbesitzers geboren und trat 1892 nach einem Studium der Rechtswissenschaften in Tübingen und Berlin sowie anschließender Promotion in den Dienst der württembergischen Justiz ein. Er war Mitglied des Corps Suevia Tübingen.

Am 30. Mai 1901 heiratete er in Stuttgart Marie Auguste Moser von Filseck (1875–1960); die Kinder Konstantin (* 1902) und Winifred (* 1904) gingen aus dieser Ehe hervor.

Karriere als Diplomat

von Neurath als Botschafter in Rom (1929)

1901 wechselte von Neurath in den diplomatischen Dienst und nahm eine Stelle als Assessor im Auswärtigen Amt in Berlin ein. Er erhielt 1903 eine Stelle als Vizekonsul in London, die er bis 1908 behielt. 1909 wurde er dort zum Legationsrat befördert, von wo er 1914 nach Konstantinopel wechselte und dort bis 1916 die Stelle des Botschaftsrats bekleidet. In dieser Zeit nahm er als Reserveoffizier eines württembergischen Grenadierregiments aktiv am Ersten Weltkrieg teil.

1917 zog sich von Neurath aus eigenem Wunsch aus dem diplomatischen Dienst zurück und war 1917/18 Chef des Zivilkabinetts bei Wilhelm II., König von Württemberg. Er erhielt den Titel eines Königlich Württembergischen Kammerherrn.

Am 13. Dezember 1919 kehrte er mit Genehmigung des Reichspräsidenten Friedrich Ebert in den diplomatischen Dienst zurück und wurde Gesandter in Kopenhagen, bekleidete von 1921 bis 1930 den Posten des Botschafters in Rom und kehrte in der Zeit von 1930 bis 1932 als Botschafter nach London zurück.

Reichsaußenminister

Bereits nach dem Tod von Gustav Stresemann 1929 favorisierte Reichspräsident Paul von Hindenburg von Neurath als neuen Außenminister, seine Berufung auf diesen Posten war allerdings zu diesem Zeitpunkt aufgrund fehlender parlamentarischer Unterstützung nicht möglich. Erst als Hindenburg im Juni 1932 ein nicht mehr auf den Reichstag gestütztes „Präsidialkabinett“ unter Franz von Papen bildete, avancierte Neurath zum Außenminister dieses „Kabinetts der Barone“. Er behielt sein Ministeramt auch in den folgenden Kabinetten Kurt von Schleichers und Adolf Hitlers als Exponent einer konservativen Fachbeamtenschaft bei.

Von Neurath stand für eine konservativ-revisionistische deutsche Außenpolitik und konnte sich anfänglich mit den außenpolitischen Zielen Hitlers (z. B. die Wiederbesetzung des Rheinlandes) gut identifizieren. Hitler wiederum beabsichtigte durch den anerkannten Diplomaten von Neurath seinem unerfahrenen Kabinett auf internationalem Parkett mehr Ansehen und Seriosität zu geben. Dessen Bewegungsfreiheit wurde jedoch durch die Konkurrenz des im Hintergrund agierenden NS-Nebenaußenpolitikers Joachim von Ribbentrop und dessen „Büro Ribbentrop“ ab etwa 1936 immer stärker eingeschränkt.

1937 trat von Neurath der NSDAP bei und erhielt den Rang eines SS-Gruppenführers. Bereits vorher war er Mitglied der von Hans Frank gegründeten nationalsozialistischen Akademie für Deutsches Recht.[1]

Nach der Hoßbachkonferenz vom November 1937 zeigte sich von Neurath tief bestürzt über die dort offenbarten Kriegspläne Hitlers. Bald darauf wurde er im Zuge der Blomberg-Fritsch-Krise am 4. Februar 1938 als Außenminister abgelöst und durch seinen Konkurrenten Ribbentrop ersetzt.

Hitler ernannte Neurath im Februar 1938 zum Reichsminister ohne Geschäftsbereich, als welcher er bis zum 30. April 1945 formal in der Regierung vertreten blieb. Zugleich wurde er – allerdings machtloser – Präsident des Reichskriegsrates.

Reichsprotektor von Böhmen und Mähren

Nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch deutsche Truppen am 15. März 1939 wurde von Neurath – möglicherweise als Beschwichtigungsgeste gegenüber den Briten – Reichsprotektor von Böhmen und Mähren, wo er unter anderem für die Unterdrückung der politischen Kultur der Tschechen und die Durchsetzung der Nürnberger Gesetze zuständig war. Hitler hielt Neurath jedoch für nicht brutal genug, um die zunehmende tschechische Widerstandsbewegung zu unterdrücken. Er beurlaubte ihn deshalb im September 1941 zunächst dauerhaft, um seine Vollmachten an den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich bzw. nach dessen Ermordung durch tschechische Widerstandskämpfer Mitte 1942 an Kurt Daluege zu übertragen. Neurath reichte erst im August 1943 seinen formellen Rücktritt als Reichsprotektor ein und wurde durch den bisherigen Reichsinnenminister Wilhelm Frick ersetzt.

Gleichzeitig wurde Neurath zum SS-Obergruppenführer befördert, was dem Rang eines Generals entsprach.

Angeklagt in Nürnberg

Konstantin von Neurath während des Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesses (ca. 1946)

Am 6. Mai 1945 wurde von Neurath durch französische Truppen gefangengenommen und dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg überstellt. Dort wurde er 1946 wegen „Verschwörung gegen den Weltfrieden, Verbrechen gegen den Frieden, Planung und Durchführung eines Angriffskrieges, Kriegsverbrechen“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ angeklagt und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.

Aus gesundheitlichen Gründen wurde er am 6. November 1954 aus dem Kriegsverbrechergefängnis Spandau entlassen. Die letzten zwei Lebensjahre verbrachte er auf seinem Gut Leinfelderhof bei Enzweihingen.

Literatur

  • John L. Heineman: Hitler's first foreign minister. Constantin Freiherr von Neurath, diplomat and statesman. University of California Press, Berkeley 1979, ISBN 0-520-03442-2

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 434.

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