Freiwilligensurvey

Freiwilligensurvey

Der Freiwilligensurvey (survey englisch für Erhebung, Gutachten) wird seit 1999 im Auftrag der Bundesregierung durchgeführt. Es ist die umfassendste und detaillierteste quantitative Untersuchung zum bürgerschaftlichen Engagement in Deutschland. Beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend heißt die Umfrage Freiwilliges Engagement in Deutschland 1999–2004: Repräsentativerhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement.

Die Umfrage wurde 2004 und 2009 ein weiteres Mal aufgelegt. Seit 2006 liegen die Ergebnisse dieser zweiten Welle des Freiwilligensurveys in ihrer ganzen Breite vor (siehe Weblinks). Viele Bundesländer haben in größerem Umfang eigene Landesauswertungen des Freiwilligensurveys durchführen lassen (z. B. Bremen, Hessen, Berlin, Bayern, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Brandenburg).

Inhaltsverzeichnis

Ergebnisse

2004: 36 % (1999: 34 %) aller Bürger im Alter ab 14 Jahren engagieren sich in Deutschland freiwillig in Verbänden, Initiativen oder Projekten. Weitere 34 % (1999: 32 %) sind öffentlich aktiv in einem Verein oder einer Gruppe tätig, ohne jedoch längerfristig bestimmte freiwillige Aufgaben zu übernehmen. Somit sind insgesamt 70 % der Bevölkerung ab 14 Jahren in gesellschaftliche Gruppierungen eingebunden und aktiv beteiligt. Die öffentliche Einbindung der Bürgerinnen und Bürger und das freiwillige Engagement im engeren Sinne sind damit erheblich größer als bislang angenommen. Es hat einen so hohen Stellenwert, dass der Staat Deutschland ohne freiwilliges Engagement nicht mehr auskommen könnte. Öffentliche Aktivität und freiwilliges Engagement bringen aber auch ein hohes soziales Kapital und eine entwickelte Zivilgesellschaft in Deutschland zum Ausdruck.

Umfang des Engagements

36 % aller Bundesbürgerinnen und -bürger ab 14 Jahren waren 2004 in irgendeiner Form ehrenamtlich oder freiwillig engagiert – und zwar in dem Sinne, daß man in Vereinen, Initiativen, Projekten, Selbsthilfegruppen oder Einrichtungen aktiv mitmacht und dort unbezahlt oder gegen geringe Aufwandsentschädigung freiwillig übernommene Aufgaben oder Arbeiten ausübt (Rosenbladt/Picot 1999). 1999 waren es noch 34 %. Besondere Wachstumsgruppen waren zwischen 1999 und 2004 erwerbstätige Frauen, ältere Menschen ab 60 Jahren (besonders im Alter zwischen 60 und 69 Jahren), Ostdeutsche, Arbeitslose und Migranten. Jugendliche sind häufig freiwillig engagiert und als nicht Engagierte häufig bereit sich zu engagieren. Insgesamt waren 2004 zusätzlich zu den 36 % Freiwilligen weitere 32 % (1999: 26 %) bereit, sich unter Umständen freiwillig zu engagieren, davon 12 % sogar bestimmt (1999: 10 %).

Wer engagiert sich?

Insgesamt sind Personen mit besseren bildungsmäßigen, beruflichen und finanziellen Voraussetzungen und Personen, die sozial stärker integriert sind, eher als andere bereit zur Übernahme freiwilliger, ehrenamtlicher Aufgaben und Arbeiten. Die Bedeutung der Bildung hat sich weiter erhöht. Insgesamt wichtiger als strukturelle Faktoren sind allerdings sozialkulturelle Merkmale, wie eine gute soziale Einbindung, die Kirchenbindung sowie engagementfreundliche Wertorientierungen. Die personelle Basis der freiwilligen, ehrenamtlichen Arbeit ist in verschiedenen Tätigkeitsfeldern aber recht unterschiedlich. So wird insgesamt zwar der größere Teil ehrenamtlicher, freiwilliger Tätigkeiten von Männern ausgeübt. In bestimmten Feldern wird das ehrenamtliche Engagement aber überwiegend von Frauen geleistet. Insbesondere gilt das für Felder mit relativ hohen Anforderungen und Belastungen wie etwa dem sozialen Bereich oder dem Gesundheitsbereich. (Rosenbladt/Picot 1999). An dieser Situation hat sich zwischen 1999 und 2004 nicht viel verändert.

Motivation

Hauptmotiv des freiwilligen Engagements ist das Bedürfnis der Bürger/innen zur gesellschaftlichen Mitgestaltung (wenigstens oder gerade im Kleinen). Dazu kommt das Bedürfnis nach sozialen Kontakten und sozialer Einbindung. Altruistische Motive, Spaß zu haben und mit sympathischen Menschen in Kontakt zu kommen, stehen im Vordergrund der konkreten Erwartungen an die freiwillige Tätigkeit. Für drei Viertel ... ist es darüber hinaus wichtig, Kenntnisse und Erfahrungen zu erweitern. Ein möglicher beruflicher Nutzen ist dagegen nur für eine Teilgruppe von rd. 20 % von Bedeutung. (Rosenbladt/Picot 1999). An dieser Situation hat sich 2004 nicht viel verändert. Allerdings nimmt bei jungen Leuten und Arbeitslosen die so genannte Interessensorientierung (eigene Interessen und Probleme sowie der berufliche Nutzen als Hintergrund des Engagements) deutlich zu.

Bewertung

Diese Umfrage ist wichtig, weil der Staat durch sie anerkennt, dass bürgerschaftliches Engagement in Deutschland weit verbreitet ist. Die Umfrage zeigt den Organisationen, dem Staat und der Wirtschaft, dass die Engagierten etwas leisten und welche Unterstützung dazu führt, daß sich mehr Menschen engagieren. Man kann die Bürgergesellschaft als einen dritten Sektor neben Staat und Wirtschaft ansehen, als ein unverzichtbares Potential, um gesellschaftliches Leben in Deutschland zu organisieren. Es wurde die Enquête-Kommission Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements des Bundestags ins Leben gerufen, die seit dieser Legislaturperiode in einem Unterausschuß des Bundestages weiterlebt, um Freiwilligenarbeit zu fördern und eine bessere Einbindung der Bürger in den politischen Entscheindungsprozess zu ermöglichen.

An der Untersuchung könnte kritisiert werden, dass sie Begriffe teilweise unklar verwendet. So wird nicht eindeutig genug zwischen Engagement unterschieden, das unentgeltlich geschieht oder aber mit gewissen Zahlungen verbunden ist. Nicht anders lässt sich erklären, dass bei den Problemnennungen für das Engagement das Thema Geld/Bezahlung eine so große Bedeutung hat. Wenn hier nur ehrenamtliches Engagement (freiwillig und unentgeltlich bei Erstattung real auftretender Kosten) gemeint wäre, dürfte dies kein Problem darstellen.

Literatur

  • Gensicke, Thomas/Picot, Sibylle/Geiss, Sabine: Freiwilliges Engagement in Deutschland 1999-2004. Repräsentative Erhebung im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. TNS Infratest Sozialforschung München 2006. Ca. 400 Seiten. Erscheint im September 2006 im VS-Verlag für Sozialwissenschaften. Berichte bereits über Internet-PDF erhältlich (Freiwilliges Engagement in Deutschland 1999-2004).
  • Rosenbladt, Bernhard von: Freiwilligenarbeit, ehrenamtliche Tätigkeit und bürgerschaftliches Engagement. Überblick über die Ergebnisse. Repräsentative Erhebung im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. TNS Infratest Sozialforschung München 1999
  • Burmeister, Laura/Schacher, Dirk: "Freiwilligensurvey 2009. Bremen engagiert sich. Ergebnisse und Trends." Freie Hansestadt Bremen, Die Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales, Referat Bürgerschaftliches Engagement, Freiwilligenarbeit, Selbsthilfe und Sponsoring in Kooperation mit der Freiwilligen-Agentur Bremen (Hrsg.). Bremen. 2010

Weblinks


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