Funkstation am Herzogstand

Funkstation am Herzogstand

Die Funkstation am Herzogstand war eine Funkanlage, die von 1920 bis 1946 am Herzogstand in der Nähe von Kochel am See in Bayern errichtet und betrieben wurde. Die Anlage wurde von der C. Lorenz AG als unabhängiges Betriebsmittel für den Funkverkehr auf Längstwellen zwischen Deutschland und dem fernen Osten konzipiert, da die bestehenden Groß-Funkstationen hauptsächlich dem Verkehr nach Westen dienten.

Ab 1930 wurde die Einrichtung als Forschungs- und Versuchsstation der Technischen Hochschule München zur Ionosphärenforschung genutzt.

Inhaltsverzeichnis

Der Bau der Bergantenne

Der Aufbau der Bergantenne

Da die Kosten für die Masten einer Großstation für die Firma unerschwinglich waren, sollte die Antennenanlage in den Bergen aufgehängt werden. Der 1735 m hohe Herzogstand zwischen Kochelsee und Walchensee in den Bayerischen Alpen schien aus mehreren Gründen besonders geeignet: Der Gipfel ist ganzjährig zugänglich, am Stationsplatz war ausreichend Trinkwasser und Kühlwasser vorhanden und das nahe gelegene Walchenseekraftwerk versprach eine sichere, kostengünstige Energieversorgung.

Für die beabsichtigte Bauart der Antenne gab es keine Erfahrungen. Als freie Spannweite ergab sich eine Entfernung von über 2,5 km, bei einem Höhenunterschied von 800 m. Um eine ausreichende Höhe der Antenne über Grund zu erreichen, sollte das Seil am unteren Aufhängepunkt waagrecht auflaufen, was eine enorme Spannung des Seiles erforderte. Aufgrund der zusätzlich zu erwartenden Belastung durch Wind, aber auch durch Schnee und Eis kam nur Stahldraht höchster Festigkeit in Frage.

Ein erstes dünnes Stahlseil wurde im Sommer 1920 gespannt. Abstrahlungsmessungen ergaben bei Wellenlängen von 12,6 km und 9,7 km im Vergleich zur Großfunkstelle Nauen die 1,3-fache Strahlung bzw. die 1,6-fache im Vergleich zum Überseesender Eilvese. Bis zum Frühsommer 1925 wurden 3 Antennen fächerförmig zum Gipfelgrat des Herzogstandes gezogen. Um eine bessere Leitfähigkeit zu erreichen, wurde das Stahlseil mit einem Mantel aus Aluminium versehen. Die Seile wurden in einer eigens aufgebauten Seilereianlage im Gipfelbereich gefertigt. Im Bereich des Gipfels waren die Antennen an einbetonierten Stahlankern fixiert. Am unteren Abspannpunkt wurde eine bewegliche Aufhängung verwendet, um ein Nachgeben der Seile bei Belastung durch Schnee und Eis zu ermöglichen.

Das Stationsgebäude

Stationsgebäude und Wohnhaus im Langental

Das Stationsgebäude für die Sendeanlagen und ein Wohnhaus wurden von der Oberpostdirektion München unter der Leitung von Robert Vorhoelzer und Walther Schmidt im Jahr 1927 im Langental oberhalb des Kochelsees errichtet. Hier wurden auch umfangreiche Erdungsanlagen gebaut.[1]

Nach der Fertigstellung erschien ein weiterer Ausbau und Betrieb der Station technisch und wirtschaftlich nicht sinnvoll, da mittlerweile weltweite Funkverbindungen auf Kurzwelle kostengünstiger mit wesentlich kleineren Antennen durchgeführt werden konnten.

Ionosphärenforschung

Die Anlagen wurden ab 1930 dem Physikalischen Institut der Technischen Hochschule München für Forschungsarbeiten zur Verfügung gestellt. Unter der Leitung von Jonathan Zenneck entstand hier die erste deutsche Ionosphärenforschungs-Station. Zennecks Assistent Georg Goubau nutzte außerhalb seiner Programmzeiten den Münchener Rundfunksender für die Sendung kurzer Zeichen (Impulse) auf Mittelwelle. Die Echosignale wurden zunächst in wenigen km Entfernung in Kochel, dann an der Station selbst registriert. Später wurden, insbesondere von Walter Dieminger Impuls-Sendungen mit eigenen Sendern durchgeführt, die auch in größeren Entfernungen empfangen wurden. Dafür wurden eigene Antennen errichtet; die Bergantenne wurde 1934 abgebaut. Kochel-Berlin war die erste Impuls-Fernverbindung, mit der Rudolf Eyfrig Aufschlüsse über die verschiedenen Ausbreitungswege der Kurzwellen zwischen Ionosphäre und Erde ermittelte. Eine Sende-Empfangs-Anlage mit variabler Frequenz wurde von Georg Goubau und Theo Netzer erstellt, ab 1937 in Betrieb genommen und bis 1946 durchlaufend betrieben. Die Ergebnisse vermittelten ein Bild der Dichte freier Elektronen in Abhängigkeit von der Höhe, das für die Vorhersage der Ausbreitungs-Bedingungen hilfreich wurde.

Das Ende der Station

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Stationsbetrieb unter US-amerikanischer Aufsicht bis 1946 fortgesetzt, alle vorhandenen Registrierungen jedoch nach Amerika verbracht. Weil in der Besatzungs-Ära Ionosphärenforschung verboten war, wurde der Betrieb dann untersagt, alle Anlagen abgebaut, die Betriebsgebäude abgerissen.

Gedenkstein für die Ionosphärenforschungsstation

Heute findet man neben einem Gedenkstein in der Nähe des Walchenseekraftwerkes nur noch Reste der Verankerungen der Antennenseile sowie einige Fundamente der Stationsgebäude im Wald.

Ähnliche Anlagen

Eine Längstwellen-Funkstation mit einer Bergantenne wurde 1923 bei Malabar auf der Insel Java im heutigen Indonesien für den Funkverkehr mit Holland in Betrieb genommen.

Ähnliche Sendeantennen wurden nach dem 2. Weltkrieg für 3 Sender des Omega-Navigationsverfahren (in Aldra, Hawaii und Trinidad), für den Längstwellensender JXN bei Aldra, für die Jim Creek Naval Radio Station und für den Längstwellensender auf Tavolara errichtet.

Literatur

  • O. Scheller: Der Bau der Bergantenne am Herzogstand. Elektrische Nachrichten-Technik, Band 3, Heft 7, Juli 1926
  • G. Goubau u. J. Zenneck: Anordnung für Echomessungen an der Ionosphäre. Hochfrequenztechnik und Elektroakustik, Band 40, Heft 3, Sept. 1932
  • W. Dieminger: Ionosphäre FIAT Review of German Science, Band 17, Sept. 1948
  • R. Eyfrig: Kleinheubacher Berichte herausgegeben vom Fernmeldetechnischen Zentralamt Darmstadt, Band 18, 1975
  • Die Funkstation am Herzogstand. Dokumentation, herausgegeben von H. Renner, Kochel, 2007

Einzelnachweise

  1. Florian Aicher, Uwe Drepper (Hrsg.): Robert Vorhoelzer – Ein Architektenleben. Die klassische Moderne der Post, München 1990, S. 283.
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