Gamma-Matrizen

Gamma-Matrizen

Die Dirac-Matrizen (auch Gamma-Matrizen genannt) sind vier Matrizen, die der Dirac-Algebra genügen. Sie treten in der Dirac-Gleichung auf.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Die Dirac-Matrizen \gamma^0,\,\gamma^1\,,\gamma^2\, und \,\gamma^3\, erfüllen definitionsgemäß die Dirac-Algebra, das heißt, die algebraischen Bedingungen

\begin{align}
\gamma^0\gamma^0 &= 1\,, &&&&&\\
\gamma^1\gamma^1 &= -1\,,&\gamma^2\gamma^2 &= -1\,,&\gamma^3\gamma^3 &= -1\,,\\
\gamma^0\gamma^1 &= -\gamma^1\gamma^0\,, &
\gamma^0\gamma^2 &= -\gamma^2\gamma^0\,, &
\gamma^0\gamma^3 &= -\gamma^3\gamma^0\,, \\
\gamma^1\gamma^2 &= -\gamma^2\gamma^1\,, &
\gamma^1\gamma^3 &= -\gamma^3\gamma^1\,, &
\gamma^2\gamma^3 &= -\gamma^3\gamma^2\,.
\end{align}

Diese Bedingungen betreffen Antikommutatoren, also die Summe der Produkte zweier Matrizen in beiden Reihenfolgen,

 \{ A , B \} = A\,B + B\,A\,.

In Indexnotation, in der m und n für Zahlen aus {0,1,2,3} stehen, schreiben sich die Bedingungen an die Dirac-Matrizen zusammenfassend als

 \{ \gamma^m , \gamma^n \} = 2\,\eta^{mn}\,.

Dabei sind ηmn die Komponenten der Minkowski-Metrik

\eta^{00}=1\,,\eta^{11}=\eta^{22}=\eta^{33}=-1\,,\quad \eta^{mn}=0\text{ falls }m\ne n\,.

Eigenschaften

Die Gamma-Matrizen erzeugen eine Clifford-Algebra. Jede irreduzible Darstellung dieser Algebra durch Matrizen besteht aus 4\times 4-Matrizen. Die Elemente des Vektorraumes, auf den sie wirken, heißen Spinoren. Verschiedene Darstellungen der Dirac-Algebra sind einander äquivalent, das heißt, sie unterscheiden sich nur durch die gewählte Basis. Insbesondere sind die negativen transponierten Matrizen -\gamma^{m\,\text{T}} und die hermitesch adjungierten Matrizen \gamma^{m\,\dagger} den Matrizen \,\gamma^m\, äquivalent, denn sie erfüllen ebenfalls die Dirac-Algebra. Es gibt daher eine Matrix A und eine Matrix C, so dass

C \gamma^m C^{-1}=-\gamma^{m\,\text{T}}\ ,\quad
 A \gamma^m A^{-1}=\gamma^{m\,\dagger}\,.

Die Matrix A ist zur Konstruktion von Skalaren, Vektoren und Tensoren aus Spinoren wichtig, die Matrix C tritt bei der Ladungskonjugation auf.

Jedes Produkt mehrerer Dirac-Matrizen lässt sich bis auf ein Vorzeichen als Produkt verschiedener Dirac-Matrizen in lexographischer Ordnung schreiben, denn das Produkt zweier verschiedener Gamma-Matrizen kann auf Kosten eines Vorzeichens umgeordnet werden. Zudem ist das Quadrat jeder Gamma-Matrix 1 oder -1. Die Produkte verschiedener Gamma-Matrizen bilden zusammen mit der Eins-Matrix und den negativen Matrizen eine Gruppe mit den 32 Elementen,

\pm 1\,,\, \pm \gamma^m\,,\, \pm \gamma^m \gamma^n\,,\,m<n\,,\, \pm 
\gamma^l \gamma^m \gamma^n \,,\,l<m<n\,,\, \pm \gamma^0 \gamma^1 \gamma^2 \gamma^3\,,\,l,m,n\in\{0,1,2,3\}\,.

Da jede Darstellung einer endlichen Gruppe bei geeigneter Basiswahl unitär ist, ist auch jede Darstellung der Gamma-Matrizen bei geeigneter Wahl der Basis unitär. Zusammen mit der Dirac-Algebra heißt dies, dass γ0 hermitesch und die drei anderen γ-Matrizen antihermitesch sind,

\gamma^{0\,\dagger}=\gamma^0\,,\,\gamma^{1\,\dagger}=-\gamma^1\,,\,\gamma^{2\,\dagger}
=-\gamma^2\,,\,\gamma^{3\,\dagger}=-\gamma^3\,.

In unitären Darstellungen bewirkt A = γ0 die Äquivalenztransformation zu den adjungierten Matrizen

 \gamma^0 \gamma^m \gamma^0=\gamma^{m\,\dagger}\,.

Die Matrix

 \gamma^5=\mathrm i\, \gamma^0 \gamma^1 \gamma^2 \gamma^3

ist ihr eigenes Inverses,  \gamma^5 \gamma^5 = 1\,, ist hermitesch, antivertauscht mit den Gamma-Matrizen, γ5γm = − γmγ5, und demnach mit jedem Produkt von Gamma-Matrizen mit einer ungeraden Anzahl von Faktoren.

Daher verschwindet die Spur jedes Produktes von Gamma-Matrizen mit einer ungeraden Anzahl von Faktoren.


\begin{align}
 \text{Spur}\, \bigl(\gamma^{i_1}\dots  \gamma^{i_{2n+1}}\bigr)&=
\text{Spur}\, \bigl(\gamma^{i_1}\dots  \gamma^{i_{2n+1}}\gamma^5\gamma^5\bigr)=
-\text{Spur}\, \bigl(\gamma^5\gamma^{i_1}\dots  \gamma^{i_{2n+1}}\gamma^5\bigr)\\
&= -\text{Spur}\, \bigl(\gamma^{i_1}\dots  \gamma^{i_{2n+1}}\gamma^5\gamma^5\bigr)=
-\text{Spur}\, \bigl(\gamma^{i_1}\dots  \gamma^{i_{2n+1}}\bigr)
\end{align}

Im vorletzten Schritt haben wir dabei verwendet, dass die Spur eines Produktes sich bei zyklischer Vertauschung der Faktoren nicht ändert und demnach \text{Spur}\,(\gamma^5\,B)= \text{Spur}\,(B\,\gamma^5) gilt.

Für die Spur eines Produktes von zwei Gamma-Matrizen gilt (weil die Spur zyklisch ist)


\text{Spur}\,\gamma^{m}\,\gamma^{n}
= \frac 1 2 \text{Spur}(\,\gamma^{m}\,\gamma^{n} +\gamma^{n}\,\gamma^{m}) 
= \frac{2\, \eta^{mn}}{2} \text{Spur 1} = 4 \,\eta^{mn}\,.

Die Spur von vier Gamma-Matrizen reduziert man mit der Dirac-Algebra auf die Spur von zwei.


\begin{align}
2\,\text{Spur}\,\gamma^k \,\gamma^l\,\gamma^{m}\,\gamma^{n}= \text{Spur}&(\,\gamma^k \,\gamma^l\,\gamma^{m}\,\gamma^{n}+\gamma^l\,\gamma^{m}\,\gamma^{n}\,\gamma^k )\\
= \text{Spur}&(\,\gamma^k \,\gamma^l\,\gamma^{m}\,\gamma^{n} 
+ \gamma^l \,\gamma^k\,\gamma^{m}\,\gamma^{n}\\
& -\gamma^l \,\gamma^k\,\gamma^{m}\,\gamma^{n}
-\gamma^l \,\gamma^m\,\gamma^k\,\gamma^{n}\\
&+\gamma^l \,\gamma^m\,\gamma^k\,\gamma^{n}
+\gamma^l \,\gamma^m\,\gamma^n\,\gamma^{k})\\
= \text{Spur}&(\, 2\,\eta^{kl}\,\gamma^m\,\gamma^n - \gamma^l\,2\,\eta^{km}\,\gamma^n
+\gamma^l\,\gamma^m\,2\,\eta^{kn}\, )\\
\text{Spur}\,\gamma^k \,\gamma^l\,\gamma^{m}\,\gamma^{n}= 4\,
(\eta^{kl}\,&\eta^{mn} 
-\eta^{km}\,\eta^{ln}
+\eta^{kn}\,\eta^{lm})
\end{align}

Falls also verschiedene Dirac-Matrizen in einem Produkt nicht paarweise auftauchen, verschwindet die Spur des Produktes. Daraus folgt unter anderem, dass die sechzehn Matrizen, die man als Produkt von Null bis vier verschiedenen Gamma-Matrizen erhält, linear unabhängig sind.

Zusammenhang zu Lorentztransformationen

Die sechs Matrizen

\Sigma ^{mn} = \frac{1}{4}\bigl( \gamma^m \gamma^n - \gamma^n \gamma^m\bigr)

bilden die Basis einer Lie-Algebra, die der Lie-Algebra der Lorentztransformationen isomorph ist. Sie erzeugen die zu Lorentztransformationen (die stetig mit der 1 zusammenhängen) gehörigen Transformationen der Spinoren ψ.

Aus 5)2 = 1 und \text{Spur}\,\gamma^5=0 folgt, dass die Matrizen


P_L = \frac{1-\gamma^5}{2}\,,\quad
P_R = \frac{1+\gamma^5}{2}

Projektoren sind,

(P_L)^2=P_L\,,\,(P_R)^2=P_R\,,

die auf zueinander komplementäre, zweidimensionale Unterräume projizieren,

P_L\,P_R=0\,,\ \text{Spur}\,P_L=\text{Spur}\,P_R=2\,,\quad P_L+P_R=1\,.

Weil γ5 mit den Erzeugenden von Spinortransformationen vertauscht,

\gamma^5 \Sigma^{mn}= \Sigma^{mn}\gamma^5\,,

sind die Unterräume, auf die PL und PR projizieren, invariant unter den von Σmn erzeugten Lorentztransformationen, mit anderen Worten: Die links- und rechtshändigen Anteile, ψL = PLψ und ψR = PRψ, eines Spinors ψ transformieren getrennt voneinander.

Die Spinortransformation führt bei Größen, die man aus \overline{\psi}=\psi^\dagger A=\psi^\dagger \gamma^0, Gamma-Matrizen und einem eventuell von ψ verschiedenen Spinor χ zusammensetzt, zu einem Transformationsgesetz, das am Indexbild ablesbar ist. Es transformieren

  •  \overline \psi \chi wie ein Skalar,
  •  \overline \psi\gamma^m \chi wie die Komponenten eines Vierervektors,
  •  \overline \psi\Sigma^{mn} \chi wie die Komponenten eines antisymmetrischen Tensors,
  •  \overline \psi\gamma^m\gamma^5 \chi wie die Komponenten eines axialen Vierervektors,
  •  \overline \psi\gamma^5 \chi wie ein Pseudoskalar.

Dirac-Darstellung

In einer geeigneten Basis haben die Gamma-Matrizen die auf Dirac zurückgehende Form (wir schreiben verschwindende Matrixelemente nicht aus)


\begin{array}{c c}
\gamma^0 = \begin{pmatrix} 1 &  &  &  \\  & 1 &  &  \\  &  & -1 &  \\  &  &  & -1 \end{pmatrix}\,,&
\gamma^1 = \begin{pmatrix}  &  &  & 1 \\  &  & 1 &  \\  & -1 &  &  \\ -1 &  &  &  \end{pmatrix}\,,\\ \,& \,\\
\gamma^2 = \begin{pmatrix}  &  &  & -\mathrm i \\  &  & \mathrm i &  \\  &  \mathrm i & & 
\\ -\mathrm i &  &  &  \end{pmatrix}\,, &
\gamma^3 = \begin{pmatrix}  &  & 1 &  \\  &  &  & -1 \\ -1 &  &  &  \\  & 1 &  &  \end{pmatrix} \,.
\end{array}

Diese Matrizen lassen sich kompakter mit Hilfe der Pauli-Matrizen schreiben (jeder Eintrag steht hier für eine 2 \times 2-Matrix):

 
\gamma^0 = \begin{pmatrix} 
  1  &  \\
     & -1
\end{pmatrix}\,,\quad 
\gamma^i = \begin{pmatrix} 
         & \sigma^i \\
 -\sigma^i & 
\end{pmatrix}\, ,\;i\in\{1,2,3\}\,,\quad
\gamma^5 = \begin{pmatrix}
  & 1 \\
 1 & 
\end{pmatrix}\,.

Weyl-Darstellung

Die nach Hermann Weyl benannte Weyl-Darstellung heißt auch chirale Darstellung. In ihr ist γ5 diagonal,


\gamma^5 = \begin{pmatrix}
 -1 &  \\
  & 1
\end{pmatrix}\,,\quad
P_L = \frac{1-\gamma^5}{2} = \begin{pmatrix}
 1 &  \\
  & 0
\end{pmatrix}\,,\quad
P_R = \frac{1+\gamma^5}{2} = \begin{pmatrix}
 0 &  \\
  & 1
\end{pmatrix}\,.

Im Vergleich zur Dirac-Darstellung ist einfach γ0 durch γ5 und γ5 durch − γ0 ausgetauscht:

\gamma^0 = \begin{pmatrix}
  & 1 \\
 1 & 
\end{pmatrix}\,,\quad
\gamma^i = \begin{pmatrix}
  & \sigma^i \\
 -\sigma^i & 
\end{pmatrix}\,,\quad
\gamma^5 = \begin{pmatrix}
 -1 &  \\
  & 1
\end{pmatrix}

Die Weyldarstellung ergibt sich durch einen unitären Basiswechsel aus der Dirac-Darstellung,


\gamma^m_{\text{Weyl}}=U\,\gamma^m_{\text{Dirac}}U^{-1}\text{ mit }
U=
\frac{1}{\sqrt{2}}
\begin{pmatrix}
1 & 1\\
-1 & 1
\end{pmatrix},\ 
U^{-1}=U^\dagger=
\frac{1}{\sqrt{2}}
\begin{pmatrix}
1 & -1\\
1 & 1
\end{pmatrix}\,.

Spinortransformationen transformieren in der Weyl-Basis die ersten beiden und die letzten beiden Komponenten des Dirac-Spinors getrennt.

Die chirale Darstellung ist von besonderer Bedeutung in der Weyl-Gleichung, der masselosen Dirac-Gleichung.

Majorana-Darstellung

In der Majorana-Darstellung sind alle Gamma-Matrizen imaginär. Dann ist die Dirac-Gleichung ein reelles Differentialgleichungssystem,


\begin{align}
\gamma^{0} &= \begin{pmatrix}
  & -\sigma^2 \\
 -\sigma^2 & 
\end{pmatrix}\,,&
\gamma^{1} &= \begin{pmatrix}
  &\mathrm  i\sigma^3 \\
\mathrm i\sigma^3 & 
 \end{pmatrix}\,,&\\
&\, & &\\
\gamma^{2}&= \begin{pmatrix}
\mathrm  i &  \\
  & -\mathrm i
\end{pmatrix}\,,&
\gamma^{3} &= \begin{pmatrix}
  & -\mathrm i\sigma^1 \\
 -\mathrm i\sigma^1 & 
\end{pmatrix}\,,&
\gamma^{5} &= \begin{pmatrix}
  & \mathrm i \\
 -\mathrm i & 
\end{pmatrix}\,.
\end{align}

Dirac-Algebra in höheren Dimensionen

  • Ferdinando Gliozzi, Joel Sherk and David Olive, Supersymmetry, Supergravity Theories and the Dual Spinor Model, Nucl. Phys. B122, 253-290, 1977

Bücher

  • James Bjorken und Sidney Drell: Relativistische Quantenmechanik, BI-Wissenschaftsverlag, Mannheim, 1990, (BI-Hochschultaschenbuch Band 98), ISBN 3-411-00098-8
  • Michael Peskin and Daniel V. Schroeder: An Introduction to Quantum Field Theory, Addison-Wesley Publishing Co., New York, 1995, ISBN 0-201-50397-2
  • J. M. Jauch and F. Rohrlich: The theory of photons and electrons, Addison-Wesley Publishing Co., New York, 1955

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