Gebrüder Thonet

Gebrüder Thonet

Die Fa. Gebrüder Thonet ist ein Möbelhersteller, der von Michael Thonet 1849 in Wien gegründet wurde. Im Laufe der Zeit wurde es einer der bedeutendsten Hersteller von Möbeln aus gebogenem Holz in Österreich-Ungarn und im Ausland. Das Unternehmen ist heute zwischen einem österreichischen und einen deutschen Zweig unter dem gleichen Namen Thonet aufgeteilt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Michael Thonet und seine Söhne, von links nach rechts Michael jun., Josef, Michael sen. August, Franz, Jakob (1850er Jahren)
Seite aus dem Gebrüder Thonet Katalog (1904)
Werbung aus dem Jahre 1906

Am 1. November 1853 übertrug Michael Thonet das Geschäft an seine Söhne, obgleich er selber bis an sein Lebensende weiterhin für das Familienunternehmen tätig blieb. Die Gründung und Protokollierung der Firma »Gebrüder Thonet« erfolgte mit diesem Datum. Als mit dem zunehmenden Bedarf und der Vergrößerung des Geschäftes die ursprünglich an der Wiener Gumpendorferstraße errichtete Werkstätte zu klein geworden war, mietete Thonet im Jahre 1853 die neben der Sechshauserlinie gelegene, ehemalige Herrschaft Gumpendorf gehörige Mollardmühle samt Wohnhaus und Nebengebäuden. Nach der Übersiedlung in die Mollardmühle im Sommer 1853 waren dort insgesamt 42 Arbeiter beschäftigt. Während bis dato nur Maschinen mit Handbetrieb zur Erzeugunge verwendet wurden, kam in diesem Jahre die erste kleine Dampfmaschinen in Verwendung.[1]

Bei der sich stetig erweiternden Fabrikation und dem fortwährend steigenden Absatz der gebogenen Möbel erwiesen sich bald auch die Räume der Mollardmühle als unzureichend. Da die Beschaffung des nun in immer größeren Mengen erforderlichen Buchenholzes von geeigneter Qualität sich immer schwieriger gestaltete, entstand das Bedürfnis, die Fabrikation zu verlegen. Notwendig war ein waldreiche, gut bevölkerte Gegend in der Provinz, wo frisch geschlagenes Buchenholz direkt aus dem Wald beschafft werden konnte, und wo billige ländliche Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Die Wahl fiel auf den drei Meilen westliche von der Nordbahnstation Bisenz-Pisek gelegenen Marktflecken Koritschan bei Gaya in Mähren.[2]

Nachdem mit dem damaligen Besitzer der Herrschaft Koritschan, Hermann Wittgenstein, ein mehrjähriger Holzlieferungsvertrag abgeschlossen worden, wurde im Jahre 1856 die erste, große Fabrik zur Erzeugung gebogener Möbel dort errichtet. Michael Thonet übersiedelte bereits im Frühjahr 1856 von Wien nach Koritschan, die Leitung der Wiener Fabrik wurde seinen Söhnen überlassen. Er verfasste selbst die Baupläne und leitete den Bau und die innere Einrichtung der Fabrik.[3]

Am 10. Juli 1856 wurde ein neues Privilegium an die Gebrüder Thonet auf die Anfertigung von Sesseln und Tischfüßen aus gebogenem Holz, dessen Biegung durch Einwirkung von Wasserdämpfen oder siedenden Flüssigkeiten geschieht, verliehen.[4]

Die Inbetriebsetzung der Fabrik Koritschan fand im Jahre 1857 statt. Hierbei wurden jene Grundlagen für die Fabrikation geschaffen, welche auch für die fernere Entwicklung und Ausdehnung davon maßgebend waren. Die Teilung der Arbeit wurde durchgeführt. Professionisten waren an der eigentlichen Sesselherstellung nicht mehr beteiligt. Zu den schweren Arbeiten wurden Männer herangezogen, in den leichteren, wie Raspeln, Polieren, Flechten, Einpacken, usw. nur jugendliche Hilfsarbeiter, meist Mädchen, unterwiesen. Das Rohrflechten hat sich dann später fast ausschließlich zur Hausindustrie entwickelt. Es waren billige Arbeitskräfte vorhanden, die jedoch erst eingeschult werden mussten.[5]

Als auch die von Jahr zu Jahr vergrößerte Koritschaner Fabrik den fortwährend steigenden Bedarf nicht mehr decken konnte, wurden der Reihe nach die Fabriken in Bistritz am Hostein im Jahre 1862, Gross-Ugrócz 1865, Hallenkau mit Filiale Wsetin 1868, Nowo Radomsk 1880 und Frankenberg in Hessen 1890 errichtet. Außerdem kam eine große Anzahl von Filialen und Sägewerken in Betrieb. Während des Herbstmanövers von 1897 befand sich das Hauptquartier von Kaiser Franz Joseph I. in Bistriz am Hostein. Am 3. September des Jahres besuchte der Kaiser die dortige Fabrik. Nach einem Rundgang durch sämtliche Räume des ausgedehnten Etablissements sprach der Kaiser den anwesenden Chefs des Hauses in Worten hoher Anerkennung seine Zufriedenheit aus.[6]

Seit jener Zeit beteiligte sich die Firma Thonet an allen großen Ausstellungen. Die Fabrikate des Hauses wurden in die ganze Welt exportiert.[7]

Kaiser Franz Josef I. zeichnete den Begründer des Hauses mit dem goldenen Verdienstkreuz mit der Krone, sowie mit dem Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens aus, auch die Leistungen der Söhne Michael Thonet's wurden durch Verleihung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens, sowie des Orden der Eisernen Krone III. Klasse anerkannt. Nach dem Tod von Michael Thonet wuchs das Unternehmen und die Bugholzmöbelindustrie weiter. Es war der Verdienst von Thonet, eine neue, bedeutende Industrie geschaffen zu haben. Um das Jahr 1900 betrieben in Österreich-Ungarn und ausserhalb 52 Firmen in mehr als 60 Fabriken die Erzeugung von Möbeln aus gebogenem Holz. In Österreich-Ungarn allein beanspruchte diese Industrie die regelmäßige forstwirtschaftliche Ausnützung von 150.000 ha Buchenwaldungen. Mehr als 140.000 q Bugholzmöbel wurden aus der Doppelmonarchie alljährlich in alle Weltteile exportiert, und etwa 30.000 Menschen fanden auf diesem Erwerbsgebiet Beschäftigung.[8]

Die Familie Thonet investierte als patriotische Kaisertreue viel in Kriegsanleihen während des Ersten Weltkrieges. Der Zusammenbruch der Monarchie und die schwierigen Nachkriegsjahre setzten dem Unternehmen schwer zu. In den 1920er Jahren kaufte sich der jüdische Kaufmann Leopold Pilzer aus Ungarn ein und führt Thonet mit seiner Reihe "Mundus" und später die aus Wien stammende »Jacob & Josef Kohn« zusammen. Pilzer schaffte es das Unternehmen wieder profitabel zu machen, indem er in Stahlrohrmöbeln investierte. Er kaufte in Berlin Unternehmen die für Bauhaus arbeiteten, und führte Entwürfe von Mies van der Rohe, Le Corbusier und Marcel Breuer aus.

Mit dem Anschluss und den Einmarsch der Nazis musste Pilzer zwangsemigrieren und floh in die Vereinigten Staaten. Das Unternehmen Thonet wurde zerschlagen, Pilzer gründete in Nordamerika Thonet Industries auf. Der Zweite Weltkrieg und der Eiserne Vorhang brachten den Verlust der Fabriken in Osteuropa, nur in Österreich und in Deutschland blieb Thonet bestehen. Nach 1945 wurde die Fertigung von Thonet im Werk Frankenberg (Eder) konzentriert, und wird bis heute von der Familie Thonet betrieben.

In Österreich wurde 1963 mit einem Werk in Friedberg (Steiermark) wieder mit der Produktion begonnen. Am 9. Mai 1980 erhielt Gebrüder Thonet KG die staatliche Auszeichnung. Eine Reihe von Managementfehlern führte schließlich zum Verkauf des österreichischen Zweiges an einen deutschen Investor in 1996. 2000 wurde wieder verkauft, diesmal an den italienischen Luxusmöbelhersteller Poltrona Frau. Unter der Führung des Generaldirektors Fiorenzo Mengoni ist "Thonet Vienna" wieder profitabel und international bekannt geworden. Das österreichische Thonet-Werk wurde dennoch 2006 geschlossen, an die ehemalige Produktion erinnert nur noch das Thonet-Museum in Friedberg. Im Juli 2011 wurde das Werksgelände von Poltrona Frau an eine ortsansässige Investorengemeinschaft verkauft[9].

Das Thonet Museum im Werk Frankenberg (Eder) präsentiert Design- und die Firmengeschichte. Auch das Museum der Stadt Boppard zeigt eine Dauerausstellung mit Bugholzmöbeln von Thonet.

Das Museum für angewandte Kunst, MAK Wien besitzt eine große Möbelsammlung und zeigt in seiner Dauerausstellung einen Überblick über hundert Jahre Thonet’scher Produktion sowie jener der Gebrüder Kohn und der Möbelfabrik Danhauser.

Technik

Normalerweise bricht beim Biegen von Holz die Außenseite (= Zugseite). Durch die Verwendung eines Zugbandes wird die Dehnung der Außenzonen begrenzt, dafür wird aber die Innenzone (= Druckzone) stärker gestaucht. Vorher muss allerdings das Lignin des Holzes durch Wasserdampf oder durch Kochen erweicht werden. Nach dem Biegen müssen die Formteile eingespannt (gegen Rückformung gesichert) getrocknet werden, um eine Rückstellung zu vermeiden. Der Vorteil des Biegens besteht darin, dass kaum Holzverlust auftritt (im Gegensatz zu spanenden Verfahren wie Fräsen o. ä.) und trotz dünner Querschnitte und relativ engen Radien eine hohe Festigkeit der Formlinge erreicht wird. Eingesetzt wurde das Bugholz für die Fertigung von Stühlen, Fauteuils, Schaukelstühlen, Sofas, Klaviersessel usw. Im 20. Jahrhundert wurde das Verfahren von skandinavischen Designern wie Alvar Aalto, Bruno Mathsson und Yngve Ekström wieder aufgenommen.

Einzelnachweise

Thonet Schaukelstuhl Nr. 17, um 1870
  1. Dargebracht von den Industriellen Oesterreichs unter dem hohen Protectorate Seiner K. und K. Hoheit des Durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Franz Ferdinand (Hrsg.): Gebrüder Thonet. In: Die Gross-Industrie Oesterreichs. Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum Seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I.. 3, Leopold Weiss, Wien 1898, VII. Holz- und Schnitzwaaren-Industrie; Wohnungseinrichtungen, S. 325.
  2. Gebrüder Thonet. In: Die Gross-Industrie Oesterreichs. S. 325
  3. Gebrüder Thonet. In: Die Gross-Industrie Oesterreichs. S. 326
  4. Gebrüder Thonet. In: Die Gross-Industrie Oesterreichs. S. 326
  5. Gebrüder Thonet. In: Die Gross-Industrie Oesterreichs. S. 326
  6. Gebrüder Thonet. In: Die Gross-Industrie Oesterreichs. S. 327
  7. Gebrüder Thonet. In: Die Gross-Industrie Oesterreichs. S. 326
  8. Gebrüder Thonet. In: Die Gross-Industrie Oesterreichs. S. 326
  9. Kleine Zeitung, Ausgabe Hartberg, vom 21. Juli 2011

Literatur

  • Albrecht Bangert: Thonet Möbel. Bugholz-Klassiker von 1830-1930. Heyne, München 1997, ISBN 3-453-13047-2
  • Hans H. Buchwald: Form from Process. The Thonet chair. Carpenter Center for the Visual arts, Cambridge Mass. 1967
  • Reinhard Engel, Marta Halpert: Luxus aus Wien II. Czernin Verlag, Wien 2002. ISBN 3-7076-0142-0
  • Andrea Gleininger: Der Kaffeehausstuhl Nr. 14 von Michael Thonet. Birkhäuser, Frankfurt/M. 1998, ISBN 3-7643-6832-2
  • Heinz Kähne: Möbel aus gebogenem Holz. Ein Blick in die Sammlung der Stadt Boppard. Boppard 2000
  • Heinz Kähne: Thonet Bugholz-Klassiker. Eine Einführung in die Schönheit und Vielfalt der Thonet-Möbel. Rhein-Mosel Verlag, Briedel 1999, ISBN 3-929745-70-4
  • Heinz Kähne: Die Thonets in Boppard. Sutton Verlag, Erfurt 2008. ISBN 978-3-86680-368-8
  • Brigitte Schmutzler: Eine unglaubliche Geschichte. Michael Thonet und seine Stühle. Landesmuseum, Koblenz 1996, ISBN 3-925915-55-9
  • Sembach, Leuthäuser, Gössel: Möbeldesign im 19. Jahrhundert, Benedikt Taschen GmbH, Köln 1990, ISBN 3-8228-0365-0

Weblinks

 Commons: Gebrüder Thonet – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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