Gendiät

Gendiät

Als Genotyp-basierte Ernährungsempfehlungen (ugs. Gen-Diät oder auch Nutrigenetik) bezeichnet man eine Ernährungsweise, die der eigenen, genetischen Veranlagung angepasst ist. Dabei ist eine Gen-Diät keine eigene festgelegte Diätform, sondern hat das Ziel, aus den vielen, teils gegensätzlichen Ernährungsempfehlungen die individuell Besten herauszufinden. Grundlage für eine Gen-Diät ist stets eine Gen-Analyse.

Die Ernährungsempfehlungen dienen übergewichtigen oder an Stoffwechselstörungen erkrankten Menschen als Grundlage für eine gezielte Diät und dem normalgewichtigen und gesunden Menschen als Vorsorge-Diät.

Das Gebiet der sogenannten „Genpolymorphismen“ ist noch sehr jung. Noch beschäftigt sich die medizinische Forschung vornehmlich mit Genpolymorphismen, die mit klassischen Krankheiten verknüpft sind und erst in jüngster Zeit auch mit Genen, die potentielle Gesundheitsgefahren wie z. B. Übergewicht beeinflussen können.


Inhaltsverzeichnis

Aufbau und Vorgehen

Am Anfang einer Gendiät steht die Bestimmung der sog. Genpolymorphismen oder SNPs (Single Nucleotide Polymorphism) der Gene. Hierfür wird, unter ärztlicher Aufsicht, Blut abgenommen, oder mit einem kleinen Stab die Innenseite der Wangen abgerieben. Dabei erhält man intakte Körperzellen, die den genetischen Code (Desoxyribonukleinsäure, kurz DNA) enthalten. Die Blutabnahme erfolgt in der Regel bei einem Arzt, die Gewinnung von Zellen aus der Mundschleimhaut kann auch ohne Arzt zu Hause erfolgen. In einem Labor wird die DNA isoliert, aufbereitet und analysiert. Anhand der Ergebnisse können dem Patienten individuelle Ernährungsempfehlungen gegeben werden.

Eine Gen-Diät ist nicht zwangsläufig auf die Behandlung oder Prophylaxe des Übergewichts reduziert. Einige Gene und Genkonstellationen führen z.B. häufiger zu entzündlichen Prozessen im Körper, steigern das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen, Rheuma oder Osteoporose. Eine dem Gen-Defekt angepasste Ernährung kann die Auswirkungen dieser negativen Konstellationen mindern oder gar ganz ausschalten.


Liste von Genen und deren besondere Bedeutung für Übergewicht, Stoffwechselerkrankungen und Ernährung

Gene mit ernährungsrelevanter Bedeutung Genotpyen und Polymorphismen, Eigenschaften
PPAR2-gamma (Peroxisome proliferators - activated receptor gamma gene) Das Gen PPAR-gamma [1] spielt eine zentrale Rolle in der Signalübertragung und hat einen großen Einfluss auf die Insulinresistenz und die Verwertung von Zuckern (orale Glucosetoleranz). Der Faktor gibt also Auskunft darüber, wie man auf hohe Zuckerbelastung reagiert.

Einige Genotypen (Varianten) scheinen die Aktivität des PPAR-gamma zu vermindern [2] und führen damit zu niedrigeren Insulinspiegeln und gesteigerter Insulinempfindlichkeit. Zucker wird schneller in die Zellen transportiert und verbraucht.

ACE (Angiotensin converting enzyme Gen) Das gleichnamige Enzym ACE wird über das ACE-Gen reguliert [3] ACE spielt eine Rolle bei der Blutdruckregulation und dem Elektrolyt-Haushalt, bewirkt über verschiedene Zwischenschritte eine Gefäßverengung und damit eine Erhöhung des Blutdrucks und wird in Verbindung gebracht mit Krankheiten wie Herzkreislauf-Beschwerden, Krebs, Diabetes und Insulin-Resistenz.
VDR (Vitamin D receptor gene) Das VDR-Gen (Vitamin-D-Rezeptor) [4] steuert die Aufnahme von Vitamin D im Körper, es hat ebenfalls Einfluss auf Krankheiten wie Krebs, Osteoarthritis, Hyperparathyreoidismus, Diabetes, koronare Arterien-Erkrankungen, Nierensteine and Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und Hepatitis B.
MTHFR (Methylenetetrahydrofolate Reductase Gen) Das MTHFR-Gen[5] produziert das gleichnamige Schlüssel-Enzym im Folsäure-Stoffwechsel: Das MTHFR-Enzym. Dieses steuert den Folsäure-Haushalt. Folsäure ist Teil der B-Vitamine und essenziell für DNA-Reparaturen und den Protein-Aufbau. Unter anderem wird durch MTHFR auch die Umwandlung von Homocystein zu Methionin vorangetrieben. Homocystein kann in hohen Dosen sehr schädlich auf den Organismus wirken [6].
MTR (Methionine Synthase Gen) Das MTR-Gen regelt ein Enzym, welches an der Überführung von Homocystein zu Methionin beteiligt ist. Eine Variante dieses Gens senkt durch den Eingriff in dieses Enzym-Regelwerk die Wahrscheinlichkeit von Thrombosen.
MS-MTRR (Metyhionine Synthase Reductase Gen) Das Gen MS-MTRR [7] steuert das Enzym Metyhionine-Synthase-Reduktase, welches notwendig ist für die Umbildung von Vitamin-B12-Abkömmlingen. Es wird gebraucht, um adäquate Mengen an Vitamin B12, Folsäure und Methionin in der Zelle zu erhalten und den Homocystein-Spiegel niedrig zu halten.
MnSOD (Manganese Superoxide Dismutase Gen) Das Manganese Superoxide Dismutase-Gen (MnSOD) ist für die Herstellung des gleichnamigen Enzyms verantwortlich. Dieses Enzym ist ein Fresser von freien Radikalen mit antioxidativer Aktivität innerhalb der Zelle, speziell in den Kraftwerken der Zelle, den Mitochondrien. Eine Variante dieses Gens, der Polymorphismus C(-28)T wirkt auf die intrazelluläre Verteilung des Enzyms dadurch, dass es das Enzym innerhalb der Zelle davon abhält in die Mitochondrien zu gelangen. Diesen Polymorphismus nicht zu tragen steht in Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für verschiedene Krankheiten, vor allem Krebs.
GSTM1 (Glutathione S-Transferase mu, M1) Glutathion S-Transferasen (GST) [8] sind eine Gruppe von Genen, welche auch als Entgiftungsgene bekannt sind, sie steuern die Bildung der gleichnamigen Enzyme. Sie sind an der Entgiftung von Antibiotika, Pestiziden, Insektiziden, bestimmten Medikamenten und krebserregenden Stoffen z.B. des Tabakrauches beteiligt.
ApoE Das Apolipoprotein E [9] spielt eine zentrale Rolle im Fettstoffwechsel. Für das APOE-Gen liegen zwei Polymorphismen vor, deren Einfluss auf den Fettstoffwechsel durch die Lebensgewohnheiten und Ernährung individuell beeinflussbar sind. Es handelt sich um die Polymorphismen im Codon 112 und 158. Die jeweiligen Ausprägungen werden immer in Bezug zueinander bewertet, so dass sechs unterschiedliche Konstellationen möglich sind. Jede einzelne Konstellation führt zu unterschiedlichen Risiken und erfordert zum Teil unterschiedliche Verhaltens- und Ernährungsempfehlungen, um den Risiken entgegenzuwirken. Einige Genotyp-Konstellationen sind mit einem sehr hohen Risiko für Fettstoffwechselstörungen und Arteriosklerose verbunden. Patienten haben hohe Anteile von Triglyceriden im Blut. Zudem fördern diese Konstellation die Bildung kleiner aggressiver LDL-Partikel die sich besonders schädigend auswirken. Bei anderen Varianten neigen die Träger schneller zu entzündlichen Reaktionen und haben eine geringere Abwehrkapazität gegen oxidativen Stress.
IL-6 Träger von einigen Varianten dieses Gens, wie z. B. der Wildtyp GG-Genotyp neigen zu entzündlichen Reaktionen und Osteoporose. Ebenso kann IL-6 in Kombination mit TNF-α, ACE und AGT am Entstehen von Arterieller Hypertonie bei chronischen Entzündungsherden beteiligt sein. Nachgewiesen wurde z.B. eine Häufigkeit von chronischen Nierenentzündungen[10] bei Trägern dieses Genotyps. Ernährungsempfehlungen: Eine Ernährungsumstellung für Patienten mit Störungen dieses Typs sollten durch Diät-Spezialisten betreut werden.
TNF-α TNF-α (Tumornekrosefaktor alpha) ist eines der wichtigsten pro-inflammatorischen Zytokine, d. h. eine körpereigene Substanz, die eine Entzündung im Körper verstärkt. So steuert TNF-alpha über andere Zytokine wie Interleukin-1 (IL-1) und Interleukin-6 (IL-6) wesentliche lokale und systemische Entzündungsreaktionen. TNF-α ist an den meisten alle chronisch entzündliche Prozessen beteiligt. Hier besteht Diabetesgefahr. Träger des Genotyps sollten generell wenig Kohlenhydrate zu sich nehmen und regelmäßig Zuckerkontrollen durchführen lassen.
GNB3 GNB3 ist an der Signalübertragung zwischen Effektor und Rezeptor beteiligt. Wildtypträger neigen zu Adipositas und Bluthochdruck und Arteriosklerose[11].

Einzelnachweise

  1. PPARγ and human metabolic disease. V. Krishna K. Chatterjee, V. Krishna K. Chatterjee and Stephen O’Rahilly, Department of Clinical Biochemistry and Department of Medicine, University of Cambridge, Addenbrooke’s Hospital, Cambridge, United Kingdom. The Journal of Clinical Investigation http://www.jci.org Volume 116 Number 3, March 2006. Page 581ff
  2.  ;The PPARG Pro12Ala Polymorphism Is Associated With a Decreased Risk of Developing Hyperglycemia Over 6 Years and Combines With the Effect of the APM1 G-11391A Single Nucleotide Polymorphism Diabetes Riphed Jaziri1,2, Stephane Lobbens3, Roberte Aubert1, Franck Péan1, Saida Lahmidi3, Martine Vaxillaire3, Isabelle Porchay1, Naïma Bellili1, Jean Tichet4, Beverley Balkau5, Philippe Froguel3,6, Michel Marre1,2,7, Frédéric Fumeron1,2 for the DESIR Study Group 55:1157-1162, 2006
  3. Angiotensin-Converting Enzyme I/D and -Adducin Gly460Trp Polymorphisms. From Angiotensin-Converting Enzyme Activity to Cardiovascular Outcome Hypertension Yan Li; Laura Zagato; Tatiana Kuznetsova; Grazia Tripodi; Gianpaolo Zerbini; Tom Richart; Lutgarde Thijs; Paolo Manunta; Ji-Guang Wang; Giuseppe Bianchi; Jan A. Staessen. Angiotensin-Converting Enzyme I/D and -Adducin Gly460Trp Polymorphisms. 2007;49:1291.
  4. The BsmI vitamin D receptor restriction fragment length polymorphism (bb) influences the effect of calcium intake on bone mineral density. Kiel DP, Myers RH, Cupples LA, Kong XF, Zhu XH, Ordovas J, Schaefer EJ, Felson DT, Rush D, Wilson PW, Eisman JA, Holick MF. T J Bone Miner Res. 1997 Jul;12(7):1049-57
  5. Prevalence and effects of gene-gene and gene-nutrient interactions on serum folate and serum total homocysteine concentrations in the United States: findings from the third National Health and Nutrition Examination Survey DNA Bank. Yang QH, Botto LD, Gallagher M, Friedman JM, Sanders CL, Koontz D, Nikolova S, Erickson JD, Steinberg K. Am J Clin Nutr. 2008 Jul;88(1):232-46.
  6. Födinger M, Buchmayer H, Sunder-Plassmann G.: Molecular genetics of homocysteine metabolism. Miner Electrolyte Metab 1999;25:269–78. PMID 10681651
  7. Genetic polymorphisms predisposing to hyperhomocysteinemia in cardiac transplant patients. Miriuka SG, Langman LJ, Evrovski J, Miner SE, D'Mello N, Delgado DH, Wong BY, Ross HJ, Cole DE. Transpl Int. 2005 Jan;18(1):29-35
  8. Genetic factors in individual responses to environmental exposures. Hirvonen A. J Occup Environ Med 1995 Jan;37(1):37-43, Review
  9. Association of Apolipoprotein E Genotypes With Lipid Levels and Coronary Risk. Anna M. Bennet, PhD; Emanuele Di Angelantonio, MD, MSc; Zheng Ye, PhD; Frances Wensley, MSc; Anette Dahlin, BSc; Anders Ahlbom, PhD; Bernard Keavney, MD, FRCP; Rory Collins, FRCP, FMedSci; Björn Wiman, MD, PhD; Ulf de Faire, MD, PhD; John Danesh, MSc, DPhil, FRCP, 2007, JAMA. Journal of the American Medical Association. Ausgabe 2007;298:1300-1311.
  10. Peripheral tissue release of interleukin-6 in patients with chronic kidney diseases: effects of end-stage renal disease and microinflammatory state.. Garibotto G, Sofia A, Procopio V, Villaggio B, Tarroni A, Di Martino M, Cappelli V, Gandolfo MT, Aloisi F, De Cian F, Sala MR, Verzola D., Department of Internal Medicine, Nephrology Division, Genoa University, Genoa, Italy.; Kidney Int. 2006 Jul;70(2):384-90. Epub 2006 Jun 7
  11. Associations of a human G protein beta3 subunit dimorphism with insulin resistance and carotid atherosclerosis.. Wascher TC, Paulweber B, Malaimare L, Stadlmayr A, Iglseder B, Schmoelzer I, Renner W., Department of Internal Medicine, University of Graz, Graz, Austria.; Stroke. 2003 Mar;34(3):605-9. Epub 2003 Feb 20


Siehe auch


Literatur

  • Artemis P. Simopoulos, J.M. Ordovas: Nutrigenetics and Nutrigenomics. S Karger AG, 2004, ISBN-10: 3805577826, ISBN-13: 978-3805577823

Weblinks

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