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Studienseminare sind Einrichtungen, an denen angehende Lehrer ihre zweite Phase der Lehrerausbildung absolvieren. Die Bezeichnung „Referendar“ wird dabei nur für Anwärter verwendet, die sich auf eine Laufbahn im höheren Dienst vorbereiten (Gymnasium, berufliche Schule, Gesamtschule). Für Auszubildende an Grundschulen, Hauptschulen, Realschulen und Förderschulen im gehobenen Dienst wird die Bezeichnung „Lehramtsanwärter“ bzw. „Lehreranwärter“ verwendet (siehe auch Lehramtsreferendariat).
Inhaltsverzeichnis
Organisation und Ziele
Rechtlich handelt es sich um den Schulen und ihren jeweiligen Organisationsformen zugeordnete Einrichtungen, die der Aufsicht des Staates unterstehen und weisungsgebunden sind, im Unterschied zu den Universitäten, für die die Verfassungsgarantie der Freiheit von Forschung und Lehre gilt.
Die Ausbildungsdauer beträgt je nach Schulform und Bundesland 1,5 bis 2 Jahre. Ziel der Ausbildung ist es, auf der Grundlage eines wissenschaftlichen Hochschulstudiums eine professionelle Reflexions- und Handlungsfähigkeit als Lehrerin oder Lehrer aufzubauen. Dabei verfolgt die Ausbildung vielfach das Leitbild eines „reflektierenden Praktikers“ (Donald A. Schön). Professionelle Reflexions- und Handlungskompetenz schließt eine Reihe von Teilkompetenzen ein, die die Lehrerin und den Lehrer befähigen, die beruflichen Anforderungen in folgenden berufsspezifischen Funktionen sachgemäß und verantwortlich wahrzunehmen: Unterrichten, Erziehen, Diagnostizieren und Fördern, Beraten, Leistung messen und beurteilen, Organisieren und Verwalten, Evaluieren, Innovieren und Kooperieren. In vielen Bundesländern richtet sich die Ausbildung nach vorgegebenen Kompetenzen und Standards, die im Verlauf des Vorbereitungsdienstes erworben und nachgewiesen werden sollen.
Geschichte
Diese Einrichtung von Studienseminaren für die zweite Phase der Lehrerbildung ist europaweit singulär; sie ist das Ergebnis eines längeren historischen Prozesses, der zunächst nur die Lehrer an Gymnasien betraf. Während die Ausbildung von Volksschullehrern bis in die Zeit der Weimarer Republik (und länderspezifisch noch darüber hinaus) an Präparandenanstalten und Lehrerseminaren erfolgte, durchliefen Lehrer an höheren Schulen ein akademisches Studium, an das sich – nach einigen Vorläufern – etwa in Preußen seit 1890 ein verbindliches Seminarjahr an einem ausgesuchten Gymnasium anschloss. Seit 1924/25 wurde dieses „Anstaltsseminar“ ergänzt durch ein zweites Ausbildungsjahr an einem „Bezirksseminar“, das im Kern bereits die heutige Organisationsform der Studienseminare aufwies. Das gymnasiale Ausbildungsmodell eines Vorbereitungsdienstes an Studienseminaren wurde aber erst in der 139. Sitzung der Kultusministerkonferenz am 9. Oktober 1970 in Frankenthal auf alle Lehrämter übertragen. Der Vorbereitungsdienst für alle Lehramtsanwärter erfolgt seither an „besonderen Ausbildungsinstitutionen“.
Leistung
Eine Evaluation der berufsspezifischen Professionalisierung im Rahmen der zweiten Phase der Lehrerausbildung ist bisher nur für begrenzte Bereiche geleistet worden. Eine wissenschaftlich fundierte empirische Gesamtuntersuchung der Leistung der 2.Phase steht noch aus. Dennoch sind die Studienseminare derzeit die einzigen Institutionen in der Lehrerausbildung, in denen systematisch aktuelle pädagogische und fachdidaktische Erkenntnisse in eine praktische Überprüfung und methodische Anwendung überführt werden. Daher attestiert der OECD-Bildungsbericht von 2004 der zweiten Phase, dass sie „eine einzigartige Gelegenheit zum ‚Lernen im Beruf‘, d.h. zum Erwerb und zur Weiterentwicklung von Lehrkompetenzen in der alltäglichen Schulpraxis“ liefert. Eine Reihe von Studienseminaren haben innovative, kompetenzorientierte Ausbildungskonzepte entwickelt, so z.B. die Studienseminare Paderborn[1] und Koblenz[2].
Da die zweite Phase der Lehrerausbildung zum einen in der Seminararbeit im Studienseminar (Hauptseminare, Fachseminare) erfolgt, zum anderen von der jeweiligen Ausbildungsschule und den dort tätigen Fachkollegen (in NRW auch Ausbildungkoordinatoren) getragen wird, können sich die Auszubildenden durchaus auch in einem Spannungsfeld unterschiedlicher Ansprüche und Zielsetzungen wiederfinden. Die strukturell bedingte Doppelrolle der Lehramtsanwärter als Lernende und Lehrende verlangt ihnen anspruchsvolle Balanceakte und Rollendistanz ab. Zwar haben die Studienseminare moderne andragogische Ausbildungskonzepte entwickelt (z.B. der „selbständige Lerner“); dennoch ist der Vorbereitungsdienst strukturell geprägt durch eine Ambivalenz zwischen selbstverantwortlichem Lernen der Lehramtsanwärter und Fremdbeurteilung durch die Seminarausbilder.
Studienseminare in den Bundesländern
- In Baden-Württemberg existieren sieben Staatliche Seminare für Didaktik und Lehrerbildung in Freiburg, Heilbronn, Karlsruhe, Reutlingen, Rottweil, Schwäbisch Gmünd und Stuttgart[3] mit den Abteilungen Grund- und Hauptschule, Realschule, Sonderschule, Gymnasium und berufliche Schule, 15 Seminare mit ein oder zwei Abteilungen und vier Pädagogische Fachseminare für die Ausbildung von Fachlehrern für musisch-technische Fächer.
- In Nordrhein-Westfalen existieren 46 Studienseminare an 38 Standorten für die zweite Phase der Lehrerbildung [4]
- In Niedersachsen gibt es 54 Studienseminare, davon 18 Studienseminare für den gymnasialen Bereich [5]
- In Rheinland-Pfalz gibt es 23 Studienseminare, davon 6 Studienseminare für den gymnasialen Bereich [6]
Literatur
H. Lenhard: Zweite Phase an Studienseminaren und Schulen, in: Blömeke, S. [2004], Reinhold, P., Tuoldziecki, G., Wildt, J. (Hrsg.): Handbuch Lehrerbildung. Braunschweig/Bad Heilbrunn: Westermann/Klinkhardt, 275-290 H. Lenhard: Die zweite Phase der Lehrerbildung. Ein Modell mit Zukunft? In: Pädagogik 57, Heft 11, 2005, S. 46-49. Auch in: V. Huwendiek/H. Kretzer (Hrsg.): Stärken und Zukunftsfähigkeit der Zweiten Phase, Sonderheft Seminar 2005/2006, S. 9-15
Fußnoten
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