Glas (Automobil)

Glas (Automobil)
Das Glas-Logo

Die Hans Glas GmbH in Dingolfing war ein deutscher Landmaschinen- und Kraftfahrzeughersteller.

Inhaltsverzeichnis

Die Umorientierung

Die 1883 gegründete Landmaschinenfabrik Glas galt von jeher in Niederbayern als erfolgreiches Familienunternehmen. Eine rückläufige Nachfrage nach Landmaschinen in den 1940er Jahren war Anlass, sich neu zu orientieren.

Der Siegeszug der Vespa in Italien ließ auch im Nachkriegsdeutschland einen Bedarf an Motorrollern erwarten. Unter der Leitung von Juniorchef Andreas Glas begann deshalb die Entwicklung eines Motorrollers, der schon im Juli 1951 mit einem 123-cm³-Zweitaktmotor von ILO in Serie ging, benannt war der Roller nach einem Enkel von Hans Glas mit dem Kosenamen „Goggo“.

Der Goggo-Roller erwies sich als solide und robust, und dies kam am Markt gut an. Der Goggo wurde zu seiner Zeit zum meistverkauften Roller in Deutschland (ca. 60 000 Stück). Ab 1952 war er auch mit 148-cm³- und 197-cm³-Motor und mit Seitenwagen sowie ab 1953 als dreirädriger Lastenroller mit verschiedenen Aufbauten zu haben. 1956 stellte Glas den Bau von Motorrollern ein, nachdem die wirtschaftliche Grundlage für den Autobau gefestigt war und der Zweiradboom zu Ende ging.

Goggomobil

Goggomobil TL 250 (Transporter)
Bekanntestes Fahrzeug: Das Goggomobil

Ein Roller verkörperte im Nachkriegsdeutschland die Sehnsucht nach Mobilität. Der Wunsch nach einem Fahrzeug mit Dach über dem Kopf wurde aber immer größer. Es war der Kleinwagen, den der Markt nun begehrte. Von anderen Automobilherstellern längst erkannt, startete Glas 1952 die Entwicklung eines Kleinwagens. Ab 1955 bot Glas zum Preis von 3000 DM das für eine vierköpfige Familie gedachte, legendäre Goggomobil an. Diese Limousine war ein Raumwunder und solide und robust gebaut. In den folgenden Jahren wurde dieses modifiziert, und es entstanden verschiedene Versionen dieses Gefährts mit maximal 20 PS und 400 cm³.

Das Goggomobil war in der Technik und seinem Gesamtkonzept seinen deutschen Konkurrenten, dem Messerschmitt Kabinenroller, der BMW Isetta, dem Lloyd (Auto) und der Heinkel Kabine weit überlegen. Damit begann der Siegeszug des Dingolfinger Autoherstellers. Ein Jahr nach dem Beginn der Goggo-Produktion exportierte Glas schon in 36 Länder. Täglich stellte man 170 Fahrzeuge her.

1957 entwickelte Glas eine Coupéversion des Goggomobils sowie einen Transporter und einen Pick-Up-Transporter. Es entstand ein Kleinwagen-Familienprogramm, das gut auf die sich abzeichnende Wohlstandsgesellschaft zugeschnitten war. Der Erfolg blieb nicht aus. Das Goggomobil wurde zum erfolgreichsten Kleinwagen Deutschlands.

Erweiterung der Produktpalette

Dennoch blieb das Goggomobil nichts weiter als ein Kleinwagen, und als ein solcher war es mit dem steigenden Wohlstand nicht mehr so begehrt. Glas musste seine Pläne, die Modellpalette zu erweitern, schnell umsetzen.

Glas Isar (1958–1965)

Glas 700 im Januarwetter

Das Produkt dieser Pläne war der Isar, der unglücklicherweise den Beinamen das große Goggomobil bekam. Dieses Automobil erhielt einen 600-cm³-Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor, der 19 PS leistete. Der Isar ging im August 1958 in Serie und wurde später noch durch eine Kombi-Version und ein Modell mit 700 cm³ und 30 PS erweitert. Im ersten Jahr verkaufte sich der Wagen blendend − aber er hatte zu viele „Kinderkrankheiten“. Erst ab 1960 hatte er die Reife, die man eigentlich von Anfang an erwartet hatte. So blieb der Erfolg eher mäßig. Doch das große Goggomobil, später umbenannt in „Glas Isar“, wurde für die Firma Glas das Sprungbrett zum anerkannten Automobilhersteller.

Glas 1004, 1204, 1304 (1962–1968)

Glas S1004

Das zeigte sich 1962, als Glas mit einem neuen Vierzylindermotor die Fachwelt verblüffte. 1000 Kubikzentimeter und 42 PS gehörten in diesen Jahren zum modernsten Motorenkonzept. Als erster Automobilmotor mit einem Zahnriemen für den Antrieb der Nockenwelle war er seiner Zeit zu weit voraus – man misstraute dem Bauteil. Dieser Motor verlieh dem neu konstruierten Coupé S1004 seine sportlichen Qualitäten. Dieses war vor allem in den später lieferbaren TS-Varianten mit serienmäßig bis zu 85 PS auch auf den Rennstrecken sehr erfolgreich und galt gar als Porsche des kleinen Mannes.

Dagegen war die Karosserie eher konventionell bis gewöhnungsbedürftig für das Auge. Ein preisgünstiges Angebot war er aber, und dies machte diesen Nachteil wieder wett. Das Programm wurde ausgeweitet. Eine Limousine und ein Cabrio kamen auf den Markt, 1966 dann eine Schräghecklimousine, der CL. Auch die Motoren wurden derweilen groß und stark. Die Automobilindustrie begann, Glas als ernst zu nehmenden Konkurrenten anzusehen.

Glas 1300 GT, 1700 GT (1963−1967) und Glas 1700 (1964–1968)

Glas 1300 GT Cabrio

1963 stellte Glas auf der IAA in Frankfurt seine neuen Produkte, das Sportcoupé GLAS 1300 GT und die Limousine 1500, die später als GLAS 1700 in Serie ging, vor und wurde damit zum Mittelpunkt der Messe. Beide Modelle waren vom italienischen Designer Pietro Frua entworfen. Das Publikum war begeistert. Der Verkauf lief gut an, zugleich wurde den Strategen der Firma aber deutlich, dass man damit in die oberen Preisregionen vorgestoßen war, wo mehr als ein überzeugendes Produkt zählte. Es fehlte der Firma an Ansehen und Tradition, und GLAS war für viele immer noch ausschließlich Goggomobil.

Glas 1700 (1964–1968)

Glas 1700 TS

Der Glas 1700 (die Limousine) ist eine völlige Neuentwicklung eines sportlichen Mittelklasse-PKW. Vorgestellt wurde der Wagen auf der IAA 1963. Gebaut wurde der Glas 1700 von September 1964 bis Ende 1967 in einer Stückzahl von 13.789 Exemplaren. Elegante Linienführung und der von Glas als erstem Hersteller verwendete Zahnriemen im Motorenbau kennzeichnen diese Limousine. Ursprünglich als Glas 1500 mit 51 kW (70 PS) geplant, musste der Hubraum u.a. durch das Erscheinen des BMW 1800 vergrößert werden. In Serie ging der Glas dann als 1700 mit 59 kW (80 PS), später 63 kW (85 PS). Zusätzlich wurde noch eine TS' Version angeboten, 74 kW (100 PS).

Nach der Übernahme von Glas durch BMW wurde der Glas 1700 mit BMW-Technik (Motor/Getriebe) als BMW 1800GL und 2000GL, später mit Facelift als BMW 1804 und 2004 in Südafrika gebaut.

Zum Teil kann man dem Karosseriedesign die Weiterentwicklung einer von Frua noch für Borgward entwickelten Fahrzeugs (Hansa 1300) bescheinigen. Der in zwei Prototypen gebaute "Hansa 1300" konnte dann wegen des Borgward-Konkurses in Bremen nicht mehr gebaut werden. Ein Fahrzeug zerschellte bei der Überführung nach Bremen bei einem Unfall in der Schweiz, ein zweites ist bei einem Sammler noch existent. Der Glas 1700 ist heute eine absolute Rarität.

Das Ende

Glas 2600 V8, 3000 V8 (1966–1968)

Der von Pietro Frua gestaltete Glas 2600 V8 ...
... erhielt später ein BMW-Emblem (3000 V8)
Heck

Glas aber griff erneut nach den Sternen, als das Familienunternehmen im Juli 1966 den Glas V8 vorstellte. Seine schnittige Form, ebenfalls von Frua gezeichnet, brachte ihm schnell den Spitznamen „Glaserati“ ein. Doch es wurde lediglich eine Vorserie produziert. Der Produktionsaufwand war zu hoch, und die ganze Kostenstruktur des Unternehmens hatte sich ungünstig entwickelt. Damit konnte sich Glas für die Zukunft nicht mehr absichern.

Übernahme durch BMW

Schließlich stimmte Glas für 9,1 Millionen DM einer Übernahme durch BMW zu, die schließlich am 10. November 1966 erfolgte. Die Glas Automobilwerke in Dingolfing wurden Bestandteil der Bayerischen Motorenwerke. Dies hat den Standort Bayern zu einem bedeutenden Automobilzentrum gemacht. Die Glas-Modelle wurden mit der Zeit aus der Produktion genommen. Als letztes Modell lief ein Goggomobil 1969 vom Band. Der Glas GT wurde als BMW 1600 GT mit BMW-Motoren (und Antriebsstrang) im Jahr 1968 weiterproduziert. Der Glas 2600 V8 wurde als BMW 3000 V8 ebenfalls 1968 noch hergestellt, allerdings nur in geringer Stückzahl. Der 1700er sollte als BMW 1804 und 2004 mit einigen Änderungen in Südafrika eine zweite Chance bekommen.

Ein Enkel des Firmengründers, ebenfalls Hans Glas und Bruder des erwähnten „Goggo“, war bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2004 Werksleiter des BMW-Werkes in Dingolfing. Nach längerer Krankheit verstarb er am 23. Januar 2008 im 63. Lebensjahr.

Nach dem Untergang von Glas

Das Unternehmen Glas ist untergegangen, aber dennoch erfreut sich das Goggomobil noch zahlreicher Fans. In der Nähe von Dingolfing gibt es noch einige Glas-Museen mit vielen ausgestellten Goggomobilen.

Der GLAS Automobil Club International e.V. (gegründet 1975) betreut alle existierenden GLAS-Fahrzeuge und deren Besitzer weltweit mit Informationen, Ersatzteilen, der Club-Zeitschrift und einem Internetportal.

Zeitleiste

Zeitleiste der Glas-Serienmodelle von 1955 bis 1969
Typ unabhängig (Hans Glas GmbH) BMW
50er 60er
5 6 7 8 9 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Kleinstwagen Goggomobil T
Kleinwagen Isar („großes Goggomobil“)
Untere Mittelklasse 1004 / 1204 / 1304
Mittelklasse 1700 1800 GL / 1804 / 2004[1]
Coupé Goggomobil TS
1300 GT / 1700 GT 1600 GT[2]
2600 V8 / 3000 V8 3000 V8[3]
Kleintransporter Goggomobil TL

[1] als BMW (nur für Südafrika) bis Mitte 1974
[2] als BMW
[3] als BMW-Glas

Weblinks


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