Glaskeramik

Glaskeramik
Typisches Glaskeramikkochfeld

Glaskeramiken sind Werkstoffe, die aus Glasschmelzen durch gesteuerte Kristallisation hergestellt werden. Die Verarbeitung der Schmelze verläuft analog zur Verarbeitung bei Gläsern, abschließend wird das Glas aber meist durch eine spezielle Temperaturbehandlung in einen teils polykristallinen und teils glasigen, keramischen Zustand überführt. Das Resultat ist ein glasähnliches Produkt mit neuen Eigenschaften.

Inhaltsverzeichnis

Eigenschaften und Anwendungen

Es existieren viele unterschiedliche glaskeramische Systeme. Einige der wichtigsten sind das MgO x Al2O3 x nSiO2-System (MAS-System), das ZnO x Al2O3 x nSiO2-System (ZAS-System), Glaskeramiken aus Lithium-Disilikat und Glaskeramiken mit Phlogopit als Grundsystem.

Für das mit Abstand bedeutendste System jedoch werden als Hauptbestandteile Lithiumoxid, Aluminiumoxid und Siliciumdioxid verwendet. Dieses für die glaskeramische Industrie wichtigste System wird auch als LAS-System bezeichnet und existiert in vielen Abwandlungen. Als Keimbildner wird meist Zirconium(IV)-oxid in Kombination mit Titan(IV)-oxid zugesetzt. Zu den in diesem System anzutreffenden Hauptkristallphasen, einem Hochquarz-Mischkristall (HQMK) und einem Keatit-Mischkristall (KMK), haben Hummel[1] und Smoke[2] grundlegende Arbeiten geleistet.

Glaskeramiken des LAS-Systems mit HQMK als Hauptkristallphase besitzen durch ihren geringen Wärmeausdehnungskoeffizienten von etwa 0,1·10-6 1/K (im Bereich 20 bis 700 °C) eine sehr gute Thermoschockbeständigkeit. Liegt die chemische Zusammensetzung des reinen Li2O x Al2O3 x nSiO2-Systems bei n > 3,5 , wandelt sich der HQMK ab etwa 950 °C in Keatit-Mischkristall um. Die Phasenumwandlung ist irreversibel und rekonstruktiv, also mit dem Aufbruch von Bindungen gekoppelt. Trotzdem sind sich die beiden Kristallphasen, wie Li zeigen konnte, in ihren Strukturen sehr ähnlich.[3] Nach der Umwandlung steigt der Wärmeausdehnungskoeffizient der Glaskeramik aufgrund des höheren Wärmeausdehnungskoeffizient des KMK auf etwa 1·10−6 1/K (im Bereich 20 bis 700 °C) an.

Charakteristisch für diese Glaskeramik, die als Verbundwerkstoff aus Glas und Kristallen zu verstehen ist, ist also ein sehr geringer oder sogar negativer Wärmeausdehnungskoeffizient in unterschiedlichen Temperaturbereichen, wodurch ein Bruch durch Temperaturschock vermieden wird. Es lassen sich daher mit diesen Phasen Glaskeramiken mit hervorragenden Thermoschockeigenschaften bei ebenfalls sehr guter mechanischer Festigkeit realisieren. Durch das Mengenverhältnis der Glasphase zur Kristallphase kann der Wärmeausdehnungskoeffizient einer Glaskeramik an verschiedenste Anforderungen angepasst werden.

Anwendungen ergeben sich in vielfältiger Weise als Material für Lasergyroskope oder als Schutzgläser mit hoher Temperaturwechselbeständigkeit, sowie im Haushaltsbereich als Kochfeld und Kochgeschirr. Spiegelträger großer Teleskope werden heute aus Glaskeramiken angefertigt, ebenso Hochleistungsreflektoren für digitale Projektoren. In Laboratorien haben Glaskeramikplatten Asbestdrahtnetze als Unterlage beim Erhitzen abgelöst.

Die größten Hersteller von Glaskeramik, Schott, Nippon Electric Glass und Corning (Eurokera) haben sich hauptsächlich auf diese Anwendungen fokussiert. Bekannt sind Produktnamen wie zum Beispiel Ceran und KeraBlack im Bereich Kochfelder und Zerodur für Teleskop-Spiegelträger sowie die der transparenten Glaskeramik Robax und Pyroceram für Kaminsichtscheiben, ebenso wie Firelite and Neoceram.

Siehe auch

  • Fortadur, Faserverstärkung in Glaskeramik

Einzelnachweise

  1. Hummel F.A.: "Thermal expansion properties of some synthetic lithia minerals", Journal of the American Ceramic Society, 1951, Band 34 (8), S. 235–239.
  2. Smoke E. J.: "Ceramic compositions having negative linear thermal expansion", Journal or the American Ceramic Society, 1951, Band 34, S. 87–90.
  3. Li C.T.: "Transformation mechanism between high-quartz and keatite phases of LiAlSi2O6 composition", Acta Crystallographica, 1971, B27, S. 1132–1140; doi:10.1107/S0567740871003649.

Literatur

  • P. W. McMillan, The glass phase in glass-ceramics, Glass Technology, 1974, Band 15 (1), S. 5-15
  • H. Bach (Herausgeber), Low thermal expansion glass ceramics, Springer-Verlag (1995).

Weblinks


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