Glaspalast Augsburg

Glaspalast Augsburg
Nordfront des Glaspalastes

Der Glaspalast ist ein Industriedenkmal in Augsburg, welches 1910 als vierte und letzte Ausbaustufe (Werk IV: Aumühle) der Mechanischen Baumwollspinnerei und Weberei Augsburg (SWA) in Betrieb genommen wurde. Er liegt an der nach dem ersten großen Firmenleiter der SWA benannten Otto-Lindenmeyer-Straße (früher Gabenstraße). Die Produktion endete 1988 mit dem Konkurs der Firma. Das Bauwerk war zeitweise im Besitz der Stadt Augsburg und wurde 1999 an Ignaz Walter verkauft. Als Refinanzierung der Renovierung wurde hierbei der Abriss der Weberei-Shedhallen des Werkes gestattet. Dieses Neubaugebiet wird heute als Aumühle bezeichnet, wodurch der ehemalige Werkname fortlebt. Der Glaspalast wird heute überwiegend kulturell genutzt.

Inhaltsverzeichnis

Bauwerk

Nordfront des Glaspalastes

Das Werk IV (Aumühle) wurde vom Bauunternehmen Thormann & Stiefel AG, die später in der Walter-Bau aufging, nach Plänen des Stuttgarter Architekten Philipp Jakob Manz in nur neun Monaten erbaut.[1]. Er ist ein früher deutscher Stahlskelettbau. Der Spinnereigeschossbau besteht aus fünf Geschossen mit je 13 Fensterachsen. Diese großflächig und vor allem allseitig durchfensterte Fassade gab der Spinnerei ihren Namen. Manz verwirklichte hierbei das Prinzip der Tageslichtfabrik im Geschossbau. Umfangreiche Berechnungen des Architekten zu Lichteinfall und Lichtstreuung gingen dem Entwurf voraus, immerhin sollten Raumtiefen von 45 Metern ausgeleuchtet werden.

Charakteristisch sind mehrere Risalite: das östlichen Treppenhaus als Eckrisalit, der südlich davon gelegene Staubturm (im Bild rechts nicht zu sehen) und das als Hauptakzent die Nordfront teilende Treppenhaus mit dem dreigeschossig aufgebauten Sprinklerturm mit Glockenhaube und Fahnenstange. Diese Seite wirkt asymmetrisch, da rechts ein Turmabschluss fehlt und das Treppenhaus den Bau nicht mittig teilt. Auffällig ist auch die nahezu fensterlose Westfront. Beides sind die Folgen einer bereits im Entwurf vorgesehenen baulichen Erweiterung des Werkes, die jedoch auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung der SWA nie vorgenommen wurde.

Im Gegensatz zu seinen Vorgängern (Werk I-III) liegt der Glaspalast an keinem der zahlreichen Kanäle. Auf Wasserkraft wurde hier gänzlich verzichtet. Die Energie lieferte eine Dampfmaschine (erbaut von der M.A.N.) von zunächst 2500 PS (1850 kW), dann 5000 PS (3700 kW). Die Maschine trieb durch den Seilgang die Stockwerkstransmissionen an. In den 1950er Jahren wurde auf elektrischen Einzelantrieb umgestellt.[2]

An den Kosten der 2006 abgeschlossenen Renovierung des Industriedenkmales beteiligte sich die Stadt Augsburg mit rund 1 Mio. Euro und der Freistaat Bayern mit rund 900.000 Euro.[3] Die Museumsräume sind vom Eigentümer des Komplexes, dem Bauunternehmer Ignaz Walter, gemietet.[4][5]

Geschichte

Nach seiner Fertigstellung im Jahr 1910 diente der Glaspalast als Baumwollspinnerei. Ende der 1980er Jahre wurde die SWA schließlich Opfer der Textilkrise hierzulande, weil die Produktion im Ausland kostengünstiger erfolgen konnte. Die Stadt Augsburg unternahm im Jahr 1987 den Versuch, durch Erwerb des Gebäudes für 14 Millionen DM die wirtschaftliche Situation des Unternehmens zu stabilisieren und damit Arbeitsplätze zu retten. Der Konkurs 1988 konnte jedoch nicht verhindert werden.

Das Gebäude wurde 1989 an einen Immobilienkaufmann veräußert, jedoch nach Uneinigkeiten über die Erschließung für Einzelhandelszwecke von der Stadt wieder zurückgenommen. Danach gab es mancherlei Nutzungskonzepte für das Industriedenkmal. So scheiterte ein Versuch des Oberbürgermeisters Peter Menacher, das Gebäude Lothar-Günther Buchheim als Standort für das von ihm geplante Museum der Phantasie anzubieten. 1997 gründete sich in Augsburg ein Verein zur Errichtung eines Textilmuseums, der den Glaspalast hierfür ins Gespräch brachte.

Im Jahr 1999 kaufte der Bauunternehmer Ignaz Walter für 10,3 Millionen DM das Gebäude von der Stadt. Er wollte das Objekt als Zentrum für Kultur und Medien gestalten, wobei das Erdgeschoss für das Textilmuseum noch geraume Zeit im Gespräch blieb, bis sich die Stadt zu dessen Einrichtung auf dem ehemaligen Gelände der Augsburger Kammgarn-Spinnerei (AKS) durchrang. 2002 eröffnete der Eigentümer seine private Kunstsammlung im neuen Museum Walter und die Galerie Noah ließ sich in der Baulichkeit nieder. Im Jahr 2006 wurde das gegenwärtige Nutzungskonzept realisiert.[6]

Aktuelle Nutzung

Zentrum für moderne Kunst

Seit Mai 2006 sind im 1. und 2. Stockwerk das Kunstmuseum Walter und die Galerie Noah untergebracht. Das Kunstmuseum Walter zeigt auf 5.500 m² die Privatsammlung des Unternehmers Ignaz Walter. Schwerpunkt der Sammlung ist die zeitgenössische Kunst. Als Höhepunkt gilt die Glaskunst von Egidio Costantini, dessen zahlreiche Werke in Zusammenarbeit mit Künstlern wie Picasso, Miró und Braque entstanden.

Am 23. Mai 2006 wurden im Erdgeschoss zeitgleich das städtische H2 – Zentrum für Gegenwartskunst und die Staatsgalerie Moderne Kunst, eine Zweiggalerie der Pinakothek der Moderne eröffnet.

Ballett- und Musicalakademie

Im 2. Obergeschoss befinden sich seit 2005 die Übungssäle der von Natalie Böck und István Németh geleiteten Ballettakademie.

Forschung

Im dritten Stock befinden sich die circa 700 m² großen Büroräumlichkeiten der Fraunhofer IWU Projektgruppe RMV.

Rechenzentrum

Im mehreren Stockwerken befindet sich ein Rechenzentrum der KUMAgroup GmbH.

Literatur

  • Renz, Kerstin: Industriearchitektur im frühen 20. Jahrhundert. Das Büro von Philipp Jakob Manz. Deutsche Verlags Anstalt, München 2005, ISBN 3-421-03492-3.
  • Wilhelm Ruckdeschel: Industriekultur in Augsburg. Settele, Augsburg 2004, ISBN 3-932939-44-1.
  • Günther Grünsteudel, Günter Hägele, Rudolf Frankenberger (Hrsg.): Augsburger Stadtlexikon. 2. Auflage. Perlach, Augsburg 1998, ISBN 3-922769-28-4.
  • Bernd von Hagen, Angelika Wegener-Hüssen: Denkmäler in Bayern. Band VII.83. Stadt Augsburg. Lipp, München 1994, ISBN 3-87490-572-1.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Renz: Industriearchitektur im frühen 20. Jahrhundert. S.84
  2. Ruckdeschel: Industriekultur in Augsburg. S.97f
  3. Bayer. Staatsministerium für Wissenschaft,Forschung und Kunst: Staatsgalerie Moderne Kunst – Glaspalast Augsburg
  4. Millionen-Projekt im Glaspalast, Welt am Sonntag, München, 21. Mai 2006
  5. Ignaz Walter: Adaptiere oder imitiere nie das Kunstverständnis eines anderen!
  6. Glaspalast – eine Chronik, Augsburger Allgemeine vom 24. Mai 2006
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