Grazer Zuckerfabrik

Grazer Zuckerfabrik

Die 1825 gegründete und heute nicht mehr bestehende Grazer Zuckerfabrik hatte nicht nur selbst Bedeutung für die steirische Industriegeschichte, sondern sie stand auch auf einem historisch bemerkenswerten Areal.

Inhaltsverzeichnis

Die Geschichte des Areals

Louis Bonaparte, der Bruder Napoleons und bis 1810 König von Holland ging nach seiner Abdankung nach Österreich ins Exil, wo er sich Graf Ludwig von Saint Leu nannte. Im November 1810 traf er in Graz ein. Am 17. August 1811 kaufte er im Bezirk Geidorf das Haus Geidorfstraße 2 (heute Herdergasse 3) mit einem großen umgebenden Grundstück. Der Vorbesitzer war Graf Vinzenz von Sauer, der es erst 1801 von Sigismund Freiherr von Schwitzen gekauft hatte. Dieser hat es 1784 von Aloisisa Buresch (Edle von Greifenbach) erworben. Bis dahin war es ein Teil des großen, nach einem ungarischen Grafengeschlecht benannten Erdodischen Freigartens. Nach einigen Vergrößerungen reichte der Garten des Exkönigs bis zur heutigen Liebiggasse. Er wohnte jedoch nur bis 1813 auf seinem Besitz in Graz und ging dann aus politischen Gründen nach Italien.

Im Mai 1814 ging Ludwigs Anwesen in den Besitz seines Bruders Jérôme Bonaparte über, der bis 1813 König von Westfalen war und den Namen Graf von Harz führte. Dieser verkaufte es im November 1814 an Cäcilie Freiin von Bouvier. In der Zwischenzeit ist das ehemalige Herrenhaus zur Kaserne geworden, die auch als Spital genutzt wurde. 1821 erwarb Fürst Johannes von Liechtenstein das gesamte Anwesen.

Die Zuckerfabrik

Letzter noch sichtbarer Rest der Zuckerfabrik (2003)

Schon fünf Jahre später veräußerte der Fürst seine Neuerwerbung um nur 2000 Gulden an die 1825 gegründete "k. k. privilegierte Zuckerraffinerie in Graz". Kurz danach wurden etliche Gebäude der Fabrik durch Feuer zerstört. An ihre Stelle trat 1828 ein Neubau. Die Zuckerfabrik hatte danach mehrere aufeinanderfolgende Besitzer, bis sie 1837 vom Wiener Bankhaus Arnstein und Eskeles aufgekauft wurde. Zu den damals durchgeführten Modernisierungen gehörte auch die erste Dampfmaschine der Steiermark. Sie diente dazu, Wasser aus dem Kroisbach zur Fabrik zu pumpen. 1863 ging sie in den Besitz einer neuen Aktiengesellschaft über. Der bis dahin verarbeitete Rohrzucker wurde immer mehr durch Rübenzucker ersetzt. In den 1870er Jahren erreichte die Fabrik mit einer Jahresproduktion von 11.000 Tonnen jährlich ihr Maximum, doch bald danach, nämlich 1881, auch ihr Ende. Das frühere Wohnhaus des Exkönigs wurde im April 1881 verkauft

Zum Anwesen der Zuckerfabrik gehörte auch der bereits im 18. Jahrhundert errichtete turmartige "Venustempel", der an einer Ecke eine "schwarze Madonna" trug. Er war 1820 bis 1856 im Besitz des Arztes Anton Haas und wurde 1873 an jene Aktiengesellschaft verkauft, die auch im Besitz der Zuckerfabrik war. Etwa 1905 wurde der Venustempel abgetragen. Der 1797 im selben Areal erbaute sogenannte "Mozarttempel" (das älteste Mozart-Denkmal weltweit) existiert jedoch noch heute.

Die spätere Entwicklung des Areals

Die letzten Alleebäume nach dem Sturm (2003)

Das Herrenhaus (Herdergasse 3) war später ein Landesschülerheim und beherbergt heute das Steirische Volksbildungswerk, den Naturschutzbund Steiermark und die Steiermärkische Berg-und Naturwacht. Bis 2002 bestand in unmittelbarer Nähe (jenseits der Herdergasse) eine zuletzt in kirchlichem Besitz befindliche Kleingartensiedlung, die noch geringe Mauerreste der ehemaligen Zuckerfabrik aufwies. In diesem Jahr erfolgte der Bau einer von den Architekten Martin Küng und Peter Reitmayr groß angelegten Wohnhaussiedlung. Ein einzeln stehendes Fundament-Stück der ehemaligen Fabrik wurde in die im Inneren gelegene Grünanlage architektonisch integriert. Die Alleebäume, die das Fabriksareal zur Mariatrosterstraße (heute Heinrichstraße) hin begrenzten verschwanden nach und nach. Die letzten wurden durch einen großen Sturm am 29. August 2003 schwer beschädigt und bald danach entfernt.

Literatur

  • Robert Janeschitz-Kriegl: Der Besitz Ludwig Bonapartes in der heutigen Grazer Heinrichstraße und die ehemalige k. k. privilegierte Zuckerraffinerie daselbst. In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark Jahrgang 56 (1965), Seite 141-148.

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