- Großhessen
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Groß-Hessen war die provisorische Bezeichnung für das 1945 neu gegründete Land Hessen. Das in der amerikanischen Besatzungszone gelegene Land wurde am 19. September 1945 durch die Proklamation Nr. 2 des Oberbefehlshabers der amerikanischen Streitkräfte in Europa, General Dwight D. Eisenhower, ins Leben gerufen. Am 12. Oktober 1945 setzte die Militärregierung Karl Geiler als Ministerpräsidenten ein. Er amtierte bis zum 20. Dezember 1946. Sein Nachfolger wurde nach der ersten Landtagswahl vom 1. Dezember 1946 als erster gewählter Ministerpräsident Christian Stock. Das Staatsgrundgesetz des Staates Groß-Hessen, die erste Landesverfassung, wurde am 22. November 1945 erlassen. Es wurde am 1. Dezember 1946 durch die neue Verfassung des Landes Hessen aufgehoben. Seitdem wird das Land nur noch Hessen genannt.
Inhaltsverzeichnis
Name
Das neue Land wurde aus den amerikanisch besetzten Gebietsteilen des Volksstaats Hessen und der preußischen Provinzen Kurhessen und Nassau gebildet. Kurhessen und Nassau waren am 1. April 1944 durch Teilung der seit 1868 bestehenden Provinz Hessen-Nassau entstanden. Der Name Groß-Hessen bezog sich auf den Umstand, dass das neue Landesgebiet damit die Territorien (fast) aller früheren hessischen Teilstaaten in einem Land vereinte.
Die bisherige Provinz Hessen-Nassau setzte sich nämlich aus den Territorien von fünf früher selbständigen Staaten zusammen: nämlich des Kurfürstentums Hessen (Kassel), des Herzogtums Nassau (Wiesbaden), der Landgrafschaft Hessen-Homburg, des Fürstentums Waldeck und der Freien Stadt Frankfurt.
Die Staaten, die Hessen im Namen trugen, waren Nachfolgestaaten der 1567 aufgeteilten Landgrafschaft Hessen, die ihren Ursprung im Norden des heutigen Bundeslandes hatte. Obwohl sich der Begriff Hessen also historisch eher auf den nördlichen (Niederhessen) und den mittleren Landesteil (Oberhessen) bezog und die Bewohner Südhessens landsmannschaftlich als Rheinfranken galten, wurde er aufgrund der territorialen Geschichte nun für das ganze neue Land gewählt.
Abgetrennte Gebiete
Zwei bedeutende Teile der Vorgängerterritorien gehörten nicht zur amerikanischen, sondern zur französischen Besatzungszone und wurden vom neu gegründeten Land abgetrennt:
- Der westliche Teil von Nassau (der spätere Regierungsbezirk Montabaur), der Teile des Hintertaunus, des Westerwalds und den Unterlauf der Lahn, jedoch keine größeren Städte umfasste, sowie
- die bisher volkshessische Provinz Rheinhessen, mit Ausnahme der sechs rechtsrheinischen Stadtteile der Provinzhauptstadt Mainz und des Wormser Stadtteils Rosengarten, die bei Hessen verblieben.
Die beiden genannten Territorien gingen statt dessen in das auf dem Gebiet der französischen Zone gegründete Bundesland Rheinland-Pfalz ein, Mainz wurde dessen landsmannschaftlich neutrale (weder rheinisch noch pfälzisch) Landeshauptstadt.
Die zum Landkreis Bergstraße gehörende hessische Exklave Bad Wimpfen wurde in der Proklamation vom 19. September 1945 nicht erwähnt. Am 26. November 1945 erging eine Verfügung der Militärbehörden, dass die Gemeinde künftig dem Landkreis Sinsheim zugeschlagen wurde. Die örtlichen Behörden interpretierten diese Verfügung so, dass die Gemeinde damit auch staatsrechtlich ein Teil von Württemberg-Baden sei. Aufgrund von Widerständen in der Bevölkerung fand am 29. April 1951 eine Volksabstimmung statt, aufgrund derer die Gemeinde ab 1. Mai 1952 zum Landkreis Heilbronn gehörte. Dabei ist es bis heute geblieben. Obwohl Bad Wimpfen de facto ein Teil Baden-Württembergs wurde und es keine Bestrebungen gibt, dies zu ändern, ist die staatsrechtliche Zugehörigkeit nicht endgültig festgestellt.
Der bereits 1944 von Hessen-Nassau abgetrennte Kreis Schmalkalden lag in der sowjetischen Besatzungszone und wurde Teil des von der dortigen Besatzungsmacht gegründeten Landes Thüringen.
Bereits 1932 war der hessen-nassauische Kreis Schaumburg an die Provinz Hannover übertragen worden. Er wurde deshalb 1946 Bestandteil des Bundeslandes Niedersachsen.
Die hessische Hauptstadtfrage
In der Proklamation Nr. 2 wurde zunächst keine Hauptstadt für das neu gegründete Land Groß-Hessen festgelegt. Als Landeshauptstadt kamen vier Städte in Frage: die drei ehemaligen Residenzstädte Darmstadt, Wiesbaden und Kassel sowie die mit Abstand größte Stadt des Landes, Frankfurt am Main.
Frankfurt galt aufgrund seiner deutschlandpolitischen Rolle im 19. Jahrhundert (Sitz des Deutschen Bunds und der Nationalversammlung) als aussichtsreicher Kandidat für den Sitz einer westdeutschen Teilregierung (siehe Hauptstadtfrage der Bundesrepublik Deutschland). Die Stadt, die bis 1866 eine Freie Stadt und seitdem eine preußische Provinzstadt ohne die zu einem Verwaltungssitz gehörenden Behörden mit ihrer Beamtenschaft gewesen war, zeigte anfangs wenig Identifikation mit dem neuen Bundesland und verzichtete folglich darauf, sich um den Sitz der Landesregierung zu bewerben. Überdies waren im Luftkrieg annähernd 70% der Stadt zerstört worden; etwa die Hälfte der rund 500.000 Einwohner war obdachlos und hatte die Stadt vorübergehend verlassen müssen, zudem war fast 10% des verbliebenen Wohnraums durch das amerikanische Militär beschlagnahmt worden.
Auch gegen Kassel und Darmstadt sprachen die schweren Kriegszerstörungen, gegen Kassel außerdem die periphere Lage im äußersten Norden des Landes und der amerikanischen Besatzungszone. Das vergleichsweise gering zerstörte Wiesbaden, außerdem günstig im Schwerpunkt des Landes, dem Rhein-Main-Gebiet gelegen, war bereits Sitz der Militärregierung für den Regierungsbezirk Wiesbaden. Mit der Gründung von Groß-Hessen wurde die Kompetenz der Militärregierung unter dem amerikanischen Obersten James R. Newman auf das ganze Land ausgedehnt. Damit war bereits eine Vorentscheidung für den künftigen Regierungssitz gefallen. Am 12. Oktober 1945 wurde die Organisationsverfügung Nr. 1 der Militärregierung von Groß-Hessen verkündet, in der es unter Punkt 1 heißt: Mit Wirkung vom 12. Oktober 1945, 12 Uhr, wird die Gründung der zivilen Landesregierung für Großhessen mit Sitz in Wiesbaden verkündet.
Wiesbaden und die beiden anderen ehemaligen Residenzstädte wurden als Sitz der drei Regierungspräsidien bestätigt.
Regierungsbezirke
Zu den bereits in der Provinz Hessen-Nassau bestehenden Regierungsbezirken Kassel und Wiesbaden, die territorial leicht verändert wurden, trat nun der aus dem bisherigen Volksstaat gebildete Regierungsbezirk Darmstadt. Der Zuschnitt der drei Regierungsbezirke entsprach weitgehend dem der drei größten früheren Teilstaaten:
- Der Regierungsbezirk Wiesbaden umfasste wie bisher die Gebiete des ehemaligen Landes Nassau (jedoch ohne die genannten, zur französischen Zone gefallenen Gebiete), die bis 1944 zum Regierungsbezirk Kassel gehörenden „kurhessischen“ Kreise Hanau, Gelnhausen und Schlüchtern sowie die Stadt Hanau, die Stadt Frankfurt am Main und die ehemalige Landgrafschaft Hessen-Homburg.
- Der Regierungsbezirk Darmstadt umfasste den ehemaligen Volksstaat, jedoch ohne Rheinhessen, also die beiden übrigen ehemaligen hessischen Provinzen Oberhessen und Starkenburg.
- Der Regierungsbezirk Kassel umfasste die ehemaligen Länder Kurhessen und Waldeck und entsprach bis auf die drei an Wiesbaden abgegebenen Kreise dem Bezirk aus preußischer Zeit.
Literatur
- Die Konstituierung des Landes „Groß-Hessen“ vor 50 Jahren. Band 6 der Hessischen Schriften zum Föderalismus und Landesparlamentarismus, Wiesbaden 1996, ISBN 3-923150-12-1
Siehe auch
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