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Die Reine Rechtslehre ist eine Weiterentwicklung des Rechtspositivismus. Sie wurde begründet von Hans Kelsen (1881-1973).
Nur das positive Recht kann der Reinen Rechtslehre zufolge als Recht gelten. Ziel der Reinen Rechtslehre ist, das Recht von den ihm fremden Beimengungen soziologischer, psychologischer, ethischer und politischer Art zu scheiden. Die Reine Rechtslehre vertritt das Postulat der Trennung zwischen der Sphäre des Seins, d.h. des Faktischen, und des Sollens, des Normativen.
Inhaltsverzeichnis
Exemplarische Form des Rechtspositivismus
Hans Kelsen steht mit seiner reinen Rechtslehre exemplarisch für den Rechtspositivismus, als dessen konsequentester und für die Rechtsphilosophie des 20. Jahrhunderts einflussreichster Vertreter er gilt. Dem Rechtspositivismus gemein ist die Betonung der strengen Wissenschaftlichkeit der Rechtswissenschaft, worunter eine Beschränkung auf das real erfahrbare Recht unter Ausschluss metaphysischer Gründe verstanden wird. Dies führt zur auch für die reine Rechtslehre grundlegenden Annahme der Trennungsthese und der Relativitätsthese.
Relativitätsthese / Kritik des Naturrechts
Die Relativitätsthese verneint die menschliche Erkenntnis einer absoluten Norm und beruht damit auf einem ethischen Nonkognitivismus. Mit Verweis auf die geschichtlich auftauchenden, höchst unterschiedlichen Auffassungen über unverfügbare, objektive Wertmaßstäbe erweist sich ein jedes Wertsystem als Kulturerscheinung, und somit als relativ. Es existiert kein - für Menschen ersichtliches - Kriterium objektiver Art zur Beurteilung der inneren, moralischen Richtigkeit einer Norm.
Trennungsthese
Hieraus folgt die Trennungsthese. Recht und Moral sind zwei von einander unabhängige Wertsysteme. Gerechtigkeit ist für Kelsen Teilaspekt der Moral und, wie er ausführt, ein irrationales Ideal, das sich mit Wissenschaftlichkeit nicht verträgt. Das bedeutet, dass jede Rechtsnorm unabhängig von ihrem Inhalt gültig, d. h. als verbindlich anzusehen ist. "Jeder beliebige Inhalt [kann] Recht sein."
Theorie des positiven Rechts
Recht ist für Kelsen danach eine Ordnung inhaltlich beliebiger Zwangsnormen, verstanden als rein formale Kategorie. Seine Geltung insgesamt wird durch die Wirksamkeit seines Zwanges bedingt. Zum Begriff positiven Rechts gehört danach, dass ein Unterlassen eines rechtlich gebotenen Verhaltens rechtlich organisierte Zwangsmaßnahmen nach sich zieht. Einer darüber hinaus gehenden Rechtfertigung des Zwanges bedarf es nicht, dessen Rechtfertigung dem Bereich des nicht-empirischen Sollens entstammen muss und daher nicht Gegenstand der reinen Rechtslehre sein kann.
Annahme der Grundnorm
Die Kategorien „Sein“ und „Sollen“ sind nach neukantianischer Auffassung streng zu trennen. Weder kann von einem Sein ein Sollen, noch von einem Sollen ein Sein abgeleitet werden. Eine Norm, die nichts anderes als eine Sollensanordnung ist, kann ihre spezifische Existenz, d. h. ihre Geltung, nur von einer anderen – im Stufenbau der Rechtsordnung höherstehenden – Norm ableiten. Dies führt zwangsläufig zu einem infiniten Regress. Um diesem Regress eine Grenze zu setzen, führt Kelsen die sogenannte Grundnorm ein, einen Begriff, den der große österreichische Völkerrechtler Alfred Verdross (1890 bis 1980) bereits 1921 in seinem Werk „Die Einheit des völkerrechtlichen Weltbildes“ ersonnen hat. Die Grundnorm ist nicht gesetzt und hat auch keinen Inhalt. Sie wird vorausgesetzt, um eine Rechtsordnung in sich abzuschließen. Die Grundnorm ist demnach eine transzendentallogische Voraussetzung. Davon ausgehend wird eine Rechtsordnung als die Summe jener Normen definiert, die sich auf eine Grundnorm zurückführen lassen. In der 1. Auflage der „Reinen Rechtslehre“ (1934) hat Kelsen seine Grundnorm als Hypothese aufgefasst. In der 2. Auflage (1960) geht er dazu über, die Grundnorm als „Fiktion“ anzusehen.
Verhältnis zu anderen Lehren
Die Reine Rechtslehre steht dem Naturrecht, aber auch der soziologischen Rechtsschule von Max Weber und Eugen Ehrlich ablehnend gegenüber. Ihr Rechtsbegriff, der sich auf Setzung und Zwang gründet, gründet sich letztlich auf Macht.
Einer der Hauptantipoden der Reinen Rechtslehre war Carl Schmitt.
Siehe auch: Rechtsphilosophie, Staatstheorie
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