Grundsatzurteil

Grundsatzurteil

Als Grundsatzentscheidung werden Urteile und Beschlüsse oberer oder oberster Gerichte bezeichnet, die Rechtsfragen von grundsätzlichem Interesse erstmals klären oder eine bedeutende grundsätzliche Änderung in der Interpretation geltenden Rechtes vornehmen.

Bedeutung von Grundsatzentscheidungen

In Rechtssystemen, die nach dem Fallrecht aufgebaut sind, haben Grundsatzentscheidungen die Wirkung eines Präzedenzfalls und binden andere Gerichte in ihrer zukünftigen Entscheidungsfindung. Aufgrund ihrer herausragenden Stellung kommen Grundsatzentscheidungen eine sehr hohe Bedeutung zu. Untergeordnete Gerichte müssen unter Beachtung des stare decisis-Prinzips die Entscheidung in ähnlich gelagerten Fällen so anwenden, wie sie das übergeordnete Gericht vorgibt.

In Rechtssystemen, die auf kodifiziertem Recht basieren, haben Grundsatzentscheidungen über den einzelnen Fall hinaus keine direkt bindende Wirkung. Die Ursache dafür liegt in der Ansicht, dass die Rechtssetzung allein der Legislative zusteht und Richter in ihrer Unabhängigkeit nicht eingeschränkt werden soll. In der Praxis werden Grundsatzentscheidungen von anderen Gerichten aber trotzdem oft bei der Auslegung von Gesetzen beachtet, um das Gebot der Rechtssicherheit nicht zu verletzen.

Grundsatzentscheidungen in Deutschland

Im deutschen Rechtssystem fallen Grundsatzentscheidungen gewöhnlich den obersten Gerichtshöfen und dem Bundesverfassungsgericht zu. Aufgrund der besonderen rechtlichen Natur des Bundesverfassungsgerichts haben einige Urteile sofort Gesetzeskraft und damit eine bindende Wirkung inter omnes.

  • Herrenreiter-Fall: Der Bundesgerichtshof entschied 1958, dass bei der unbefugten Veröffentlichung von Bildern einer Person für diese ein Anspruch auf Schmerzensgeld besteht.
  • Geheimer Vaterschaftstest: Anfang 2005 fällte der Bundesgerichtshof ein Urteil, wonach das Ergebnis eines ohne Zustimmung der Mutter und des Kindes eingeholten molekulargenetischen Abstammungsgutachtens nicht als Beweismittel vor Gerichten verwendet werden darf.[1] Das Bundesverfassungsgericht entschied am 13. Februar 2007, dem Gesetzgeber aufzugegeben, bis zum 31. März 2008 eine legale Möglichkeit der Vaterschaftsprüfung zu schaffen.[2]
  • Protokoll-Revision: Der Bundesgerichtshof entschied 2007, dass das Protokoll eines Strafprozesses mittels Einlegung eines Rechtsmittels im Nachhinein berichtigt werden kann. Damit wurde eine hundertjährige Rechtsprechung aufgehoben, die das Protokoll als nicht revisibel ansah.

Quellen

  1. BGH Entscheidung, AZ XII ZR 227/03
  2. BVerfG AZ 1 BvR 421/05
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