Beschäftigtendatenschutz

Beschäftigtendatenschutz

Arbeitnehmerdatenschutz ist der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung von Personen in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer. Synonym werden auch die Begriffe Mitarbeiterdatenschutz, Beschäftigtendatenschutz und Personaldatenschutz verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Grundsätzliches

Der Arbeitnehmerdatenschutz berücksichtigt die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf den Datenschutz des Arbeitnehmers. Arbeitgeber und Arbeitnehmer stehen sich zwar rechtlich als gleichwertige Partner gegenüber, der Arbeitgeber ist dem Arbeitnehmer aber wirtschaftlich und strukturell überlegen. Der Arbeitgeber bestimmt nämlich die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsvertrags und legt die Arbeitsbedingungen fest. Er ordnet an, wann, wo und wie der Arbeitnehmer tätig werden muss. Der Arbeitnehmer kann sich diesen Vorgaben in der Regel nicht entziehen. Auf Grund dieser Dominanz des Arbeitgebers wird der Arbeitnehmer als besonders schutzbedürftig angesehen.

Besonders deutlich wird die Schutzbedürftigkeit im Hinblick auf den Datenschutz: Das Recht des Arbeitnehmers, selbst darüber zu bestimmen, ob und welche seiner persönlichen Daten er anderen anvertraut, trifft auf das Weisungsrecht des wirtschaftlich überlegenen Arbeitgebers. Selbstbestimmung und Fremdbestimmung kollidieren miteinander. Der Arbeitnehmerdatenschutz versucht einen Ausgleich zwischen diesen unterschiedlichen Interessen zu finden.

Letztendlich geht es um die Frage, welche Eingriffe des Arbeitgebers in das informationelle Selbstbestimmungsrecht und das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zulässig sind.

Regelungen

Gesetze

Trotz seiner großen praktischen Bedeutung ist der Arbeitnehmerdatenschutz in Deutschland gesetzlich nicht explizit geregelt. Es existiert kein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz. Daher gilt für den Datenschutz im Arbeitsverhältnis das Bundesdatenschutzgesetz. Daneben sind je nach Einzelfall häufig auch spezielle Regelungen zu beachten, beispielsweise im Telemediengesetz und im Betriebsverfassungsgesetz.

2008 brachte die Bundesregierung den Entwurf für ein Gendiagnostikgesetz in den Bundestag ein. Der Entwurf enthält u. a. Regelungen zu Gentests bei Arbeitnehmern. Das Gesetz wird voraussichtlich 2009 in Kraft treten.

In den Jahren 2008/2009 wurde bekannt, dass bedeutende deutsche Unternehmen wie der Lebensmitteldiscounter Lidl und die Deutsche Bahn ihre Beschäftigten mit teilweise unzulässigen Methoden überwachen. Besondere Aufmerksamkeit erlangte die Überwachungsaffäre der Deutschen Telekom. Auf Grund dieser Vorfälle beschloss die Bundesregierung am 18. Februar 2009, als „Sofortmaßnahme“ eine Grundsatzregelung zum Datenschutz der Arbeitnehmer in das Bundesdatenschutzgesetz aufzunehmen. Nach den Bundestagswahlen 2009 will sie den Entwurf für ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz vorlegen.[1]

Betriebsvereinbarungen

In größeren Unternehmen werden datenschutzrechtlich relevante Sachverhalte häufig auch in Betriebsvereinbarungen geregelt, im öffentlichen Dienst in Dienstvereinbarungen. Eine derartige Vereinbarung kann Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Arbeitnehmer rechtfertigen. Zugleich schreibt sie aber auch die Grenzen fest, die der Arbeitgeber nicht überschreiten darf. Typische Fälle sind Betriebsvereinbarungen, die die Nutzung von E-Mail- und Internetdiensten im Betrieb, den Einsatz von Trouble-Ticket-Systemen, Anzeigen auf Telefonanlagen usw. regeln und festschreiben, wann und wie der Arbeitgeber die Einhaltung dieser Nutzungsregeln kontrollieren darf.

Richterrecht

Da die Gesetze den Datenschutz im Arbeitsverhältnis nur sehr lückenhaft regeln und nicht alle Details durch Betriebsvereinbarungen geklärt sind, werden viele Fragen von den Arbeitsgerichten entschieden. Zu nennen sind beispielsweise die Grundsatzurteile des Bundesarbeitsgerichts zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz und zum Mithören von dienstlichen Telefongesprächen. Mittlerweile hat dieses so genannte Richterrecht für den Arbeitnehmerdatenschutz größere Bedeutung als die gesetzlichen Regelungen.

Datenschutz bei Leistungs- und Verhaltenskontrollen

Siehe Hauptartikel: Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Berührungspunkte zwischen dem Datenschutz der Arbeitnehmer und den Interessen des Arbeitgebers ergeben sich insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber Leistungs- und Verhaltenskontrollen durchführt. Hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an den Kontrollen und beeinträchtigen die Kontrollen die Rechte des Arbeitnehmers nicht oder nur gering, so handelt der Arbeitgeber im Regelfall rechtmäßig. Greift der Arbeitgeber zur Überwachung auf technische Einrichtungen zurück, beispielsweise auf Videokameras, Zeiterfassungssysteme oder elektronische Zutrittskontrollen, so hat der Betriebs- oder Personalrat eine Mitbestimmungspflicht.[2]

Oft können für den Datenschutz erforderliche Verfahrensbeschreibungen[3] bei Betriebsvereinbarungen (oder Dienstvereinbarungen) zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle durch technische Einrichtungen wiederverwendet werden und damit die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Betriebsleitung erheblich vereinfachen.

Einzelfälle

Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Eine Videoüberwachung durch den Arbeitgeber stellt wegen des mit ihr verbundenen Überwachungsdrucks einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Arbeitnehmer dar. Deshalb ist sie nur in besonderen Ausnahmefällen zulässig. Anerkannte Gründe für eine zulässige Videoüberwachung sind ein besonderes Sicherheitsbedürfnis (z. B. Videoüberwachung des Schalterraums einer Bank) sowie das Interesse des Arbeitgebers daran, von Arbeitnehmern begangene Straftaten (Diebstähle, Unterschlagungen, Sachbeschädigungen) aufzuklären. Der Arbeitgeber muss die Arbeitnehmer auf die Videoüberwachung hinweisen. Die Videoüberwachung unterliegt zudem der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Das Bundesarbeitsgericht hat 2003 in einem Grundsatzurteil entschieden, dass auch eine heimliche Videoüberwachung im Einzelfall zulässig sein kann. Voraussetzung sei, dass „der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft sind, die verdeckte Video-Überwachung praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt und insgesamt nicht unverhältnismäßig ist“. Lägen diese Voraussetzungen vor, komme es nicht mehr darauf an, ob der Betriebsrat der Videoüberwachung vorab zugestimmt habe. [4]

Eine Videoüberwachung, mit der der Arbeitgeber ganz allgemein kontrollieren will, ob die Arbeitnehmer sich ordnungsgemäß verhalten und die gewünschte Leistung erbringen, ist in jedem Fall unzulässig. Die betroffenen Arbeitnehmer können sich einer derartigen Überwachung durch Arbeitsverweigerung entziehen.

Im März 2008 berichtete das Magazin Stern von heimlichen Überwachungsmaßnahmen bei der Discounterkette Lidl. Mitarbeiter und Kunden seien ohne ihr Wissen gefilmt und abgehört worden.[5] Das Unternehmen räumte ein, dass es„ mit Kameraanlagen und in Filialen mit extrem hohen Inventurverlusten zeitlich begrenzt mit Detekteien“ zusammenarbeite. Dies geschehe, um „durch Diebstahl verursachte Inventurverluste zu vermeiden“. Eine systematische Bespitzelung sei nicht gewollt gewesen.[6] Die für Lidl zuständig Aufsichtsbehörde für den Datenschutz geht den Vorwürfen gegen den Discounter nach.[7]

PC-Überwachung

Regelungen in Bezug auf die Überwachung der PC-Tätigkeiten von Arbeitnehmern finden sich unter Anderem in der Bildschirmarbeitsverordnung und im Betriebsverfassungsgesetz. Gemäß Ziffer 22 des Anhangs zur Bildschirmarbeitsverordnung darf „[o]hne Wissen der Benutzer […] keine Vorrichtung zur qualitativen oder quantitativen Kontrolle verwendet werden“. Damit ist dem Arbeitgeber ein heimlicher Einsatz von Überwachungssoftware und -hardware wie beispielsweise Keyloggern verboten. § 87 Absatz 1 Nr. 6 des Betriebsverfassungsgesetzes bestimmt darüber hinaus, dass „Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen“, der Mitbestimmung des Betriebsrats bzw. im öffentlichen Dienst des Personalrats, vgl. § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG unterliegen.

Laut einer Umfrage der Jobbörse StepStone vermuten 47 Prozent der befragten deutschen Arbeitnehmer, dass ihre E-Mail- und Internetaktivtitäten vom Arbeitgeber kontrolliert werden. Weitere 29 Prozent wissen nicht, ob sie überwacht werden oder nicht. 24 Prozent der befragten Arbeitnehmer sind sich sicher, dass in ihrem Unternehmen keine Onlineüberwachung erfolgt. [8]

Personalakten

Dem Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung steht grundsätzlich ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers gegenüber, für das Arbeitsverhältnis maßgebliche Informationen über die Persönlichkeit und Gesundheit des Arbeitnehmers zum Zweck einer berechtigten späteren Verwertung zu sammeln. Der Arbeitgeber ist allerdings verpflichtet, die Personalakte sorgfältig zu verwahren und ihren Inhalt vertraulich zu behandeln. Dies gilt vor allem dann, wenn die Personalakte besonders schützenswerte Informationen, zum Beispiel zum Gesundheitszustand des Arbeitnehmers, enthält.[9]

Literatur

  • Wolfgang Däubler: Gläserne Belegschaften? Datenschutz in Betrieb und Dienststelle. 4. Auflage. Bund-Verlag, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-7663-3387-9.
  • Hans Gliss, Philipp Kramer: Arbeitnehmerdatenschutz – Aktionsfelder für Betriebsräte. Bund-Verlag, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-7663-3660-6.
  • Hans Gilss, Philipp Kramer: Arbeitsnehmerdatenschutz im öffentlichen Dienst. Bund-Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-7663-3640-1.
  • Peter Gola, Georg Wronka: Handbuch zum Arbeitnehmerdatenschutz – Rechtsfragen und Handlungshilfen für die betriebliche Praxis. 4. Auflage. Datakontext-Verlag, Frechen 2008, ISBN 978-3-89577-450-8.
  • Peter Gola: Datenschutz und Multimedia am Arbeitsplatz. Datakontext-Verlag, Frechen 2006, ISBN 3-89577-360-3.
  • Britta Mester: Arbeitnehmerdatenschutz. Notwendigkeit und Inhalt einer gesetzlichen Regelung. Oldenburger Verlag für Wirtschaft, Informatik und Recht, Oldenburg 2008, ISBN 978-3-939704-29-4.
  • Patrick Pfalzgraf: Arbeitnehmerüberwachung. 1. Auflage. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2003, ISBN 978-3830010999.
  • Elmar Weißnicht: IT-Risikomanagement und Online-Überwachung von Arbeitnehmern im Konzern. Telekommunikations- und datenschutzrechtliche Aspekte in Deutschland und im Vereinigten Königreich. 1. Auflage. Joseph Eul Verlag, Lohmar, Köln 2008, ISBN 978-3-89936-658-7.

Weblinks

Quellen

  1. Bundeskabinett beschließt Grundsatzregelung zum Datenschutz der Arbeitnehmer. Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums vom 18. Februar 2009.
  2. § 87 Abs. 1 Ziffer 6 BetrVG
  3. z.B. § 4e BDSG, siehe auch Arbeitnehmerdatenschutz
  4. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. März 2003, Aktenzeichen 2 AZR 51/02 [1]
  5. Der Lidl-Skandal. Berichterstattung bei www.stern.de
  6. http://www.lidl.de/cps/rde/xchg/lidl_de/hs.xsl/11530_39699.htm Lidl-Stellungnahme vom März 2008.]
  7. Meldung der „Heilbronner Stimme“ vom 2. April 2008
  8. StepStone Survey: "Are eMails and online activities being monitored in your company?" Survey amongst 19.087 European users. [2]
  9. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. September 2006, Az. 9 AZR 271/06. [3]
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