- Halbstarke
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Als Halbstarke wurden in den 1950er Jahren in der Öffentlichkeit allein oder in Gruppen aggressiv auftretende - zumeist männliche und aus der Arbeiterklasse stammende - Jugendliche bezeichnet. Später bezeichnete der Begriff auch Jugendliche generell.
Inhaltsverzeichnis
Halbstarke in den 1950ern
Die Halbstarken der 1950er-Jahre orientierten sich modisch und in ihrem Habitus an Vorbildern aus amerikanischen Filmen wie etwa James Dean in …denn sie wissen nicht, was sie tun und Marlon Brando in Der Wilde – The Wild One sowie den Stars des gerade an Popularität gewinnenden Rock ’n’ Rolls. In Deutschland wurden Karin Baal und Horst Buchholz mit dem Film Die Halbstarken zu Idolen der Nachkriegsjugend. Spätestens der erfolgreiche deutschsprachige Song Halbstark der Gruppe The Yankees von 1965 verankerte die Jugendbewegung im öffentlichen Bewusstsein, nicht zuletzt auch, weil die Band den Song bei ihrem seit damals oft im Fernsehen wiederholten Auftritt in der ersten Sendung des damaligen Beat-Clubs spielte.
Die Halbstarken trugen häufig eine Haartolle, Jeans, karierte Hemden und Lederjacken. Mit ihrem Erscheinungsbild grenzten sie sich bewusst von der damals vorherrschenden deutschen Jugendkultur ab. Beliebt waren Mopeds und Motorräder, mit denen sie – ähnlich wie ihre Vorbilder in amerikanischen Filmen – als „Banden“ durch die Gegend fuhren. Halbstarke verbrachten angesichts fehlender Alternativen ihre Freizeit häufig im Freien. Sie trafen sich in Gruppen etwa an Straßenecken, in Parks oder auf öffentlichen Plätzen. Dieses Verhalten wurde von vielen ihrer erwachsenen Zeitgenossen nicht gerne gesehen und in der Presse, insbesondere der Springer-Erzeugnisse, verteufelt.
Der Rock 'n' Roll bot im Gegensatz zu der zur gleichen Zeit populären Schlagermusik mit seinen revolutionären Klängen und Rhythmen ein Ventil für die Ängste und Emotionen der Jugendlichen. Die Ablehnung des Rock ’n’ Roll und seiner Interpreten durch breite Bevölkerungsschichten verstärkte diesen Effekt wahrscheinlich. "Die Halbstarken waren (...) die erste Generation, die sich weltweit identisch unter den Zeichen einer neuen Zeit formierte. Ihre an technischen Innovationen orientierte Kultur erhob den Rhythmus und die Geschwindigkeit zum Paradigma. Nachfolgende Generationen praktizieren unter Namen wie Mods, Rocker oder Punks nur Variationen dieses erstmals in den fünfziger Jahren verbreiteten, transnationalen Identitätskonzeptes im Namen des Pop. Es spricht somit einiges für die These, dass die Popkultur mit den Halbstarken erst richtig begann", schrieb Bodo Mrozek im Merkur (Zeitschrift) (62. Jg. 2008, S. 635).
Etwa 5% der Jugendlichen der 1950er bis in die 1960er ließen sich zu den Halbstarken zählen.
Halbstarkenkrawalle
Erste Halbstarkenkrawalle entluden sich nach Konzerten oder Filmvorführungen, die auch später noch oft der „Anlass“ waren. So zogen am 30. Dezember 1956 im Anschluss an eine Vorführung des Films Außer Rand und Band mit Bill Haley rund 4000 Jugendliche randalierend durch die Innenstadt von Dortmund, belästigten Passanten und lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei. Großkrawalle fanden besonders von 1956 bis 1958 statt. Häufig wurde das Mobiliar der Kino- und Konzertsäle dabei vollständig zerstört. Die Halbstarkenkrawalle führten zu scharfen Diskussionen in den Medien und der Politik. Auf besonderes Unverständnis stieß dabei die anscheinende Sinn- und Ziellosigkeit der Randale. Als Hauptschuldige für diese Entwicklung wurde häufig die amerikanische Populärkultur genannt.
Heute werden die Krawalle, aber auch allgemein das Phänomen Halbstarke, häufig als Protest an der damaligen, von den Jugendlichen selber als streng und trostlos empfundenen Gesellschaft und ihren Autoritäten verstanden, auch wenn dieser Protest auf keinen Fall politisch motiviert und organisiert war. Der Begriff "Halbstarker" ist heute allerdings unüblich beziehungsweise unmodern.
Dokumentation
Das Leben der Halbstarken in der Schweiz wurde seit 1958 namentlich vom Zürcher Fotografen Karlheinz Weinberger dokumentiert. Seine Fotos werden heute von Museen gesammelt, da Weinberger einer der wenigen Fotografen war, die damals Zugang zu dieser Jugendbewegung erhielten.
Siehe auch
Literatur
- Ulrich Binder; Pietro Mattioli (Hrsg.): Karlheinz Weinberger: Photos, 1954–1995. Zürich: Museum für Gestaltung und Andreas-Züst-Verlag, 2000. ISBN 3-905328-21-6
- Thomas Grotum: Die Halbstarken: zur Geschichte einer Jugendkultur der 50er Jahre. Frankfurt am Main: Campus, 1994. ISBN 3-593-35175-7.
- Günther Kaiser: Randalierende Jugend. Eine soziologische und kriminologische Studie über die sogenannten “Halbstarken”. Heidelberg, 1959.
- Jakob Kandlbinder: Halbstark & Cool. Ausgewählte Jugendkulturen seit den 1950er Jahren, Telos Verlag, Münster 2005 ISBN 3-933060-18-4
- Sebastian Kurme: Halbstarke. Jugendprotest in den 1950er Jahren in Deutschland und den USA, Campus Forschung, Frankfurt / New York 2006 ISBN 978-3-593-38175-6
- Kaspar Maase: Bravo Amerika: Erkundungen zur Jugendkultur der Bundesrepublik in den fünfziger Jahren. Hamburg: Junius, 1992. ISBN 3-88506-181-3
- Bodo Mrozek: Halbstark! Zur Urgeschichte der Popkultur, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für Europäisches Denken. 62. Jahrgang 2008, S. 630-635.
- Uta G. Poiger: Jazz, rock, and rebels: cold war politics and American culture in a divided Germany. Berkeley: University of California Press, 2000. (Studies on the history of society and culture, 35). ISBN 0-520-21138-3 [Englisch]
- Axel Schildt: Modernisierung im Wiederaufbau: die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre. Bonn: Dietz, 1993. (Reihe: Politik- und Gesellschaftsgeschichte, 33). ISBN 3-8012-4042-8
Weblinks
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