Handzuginstrument

Handzuginstrument
Deutsche Knopfziehharmonika aus dem frühen 20. Jahrhundert.

Ein Handzuginstrument (Ziehharmonika) ist ein Musikinstrument mit einem Balg, der durch das Zudrücken und Aufziehen einen Luftstrom erzeugt, um durchschlagende Zungen in Schwingung zu bringen und somit Töne zu erzeugen. Handzuginstrumente gehören daher zu den Aerophonen, im speziellen den Harmonikainstrumenten.

Inhaltsverzeichnis

Zur Benennung der Gruppe

Heute wird in der Regel die Bezeichnung Akkordeon für die moderneren Formen verwendet. Die Konzertina und das Bandoneon sind Spielarten des Akkordeons.

Der Ausdruck ‚Handzuginstrument‘ ist eine neue deutsche Bezeichnung für diese Instrumentengruppe. Der älteste Name dieser Instrumentengruppe ist eigentlich ‚Harmonika‘, diese Bezeichnung geht auf die Entwicklung der Handzuginstrumente aus der Physharmonika (Vorläufer des Harmoniums) hervor.

Vor allem spricht man aber von Ziehharmonika, wodurch der Unterschied dieser Instrumente zu Instrumenten mit Blasebalg klar wird, der seine erwünschte Wirkung nur beim Zusammendrücken erzeugt, während Handzuginstrumente auch beim Auseinanderziehen des Balges weitergespielt werden können, denn die Luft strömt durch die Tonkanzellen sowohl ein als aus. Auch zu den anderen Harmonikainstrumenten (Mund-, Blasharmonikas und Mundorgeln ohne Balg, und den klavier- bzw. orgelartigen Konzertinstumenten im Stile des Harmonium, und zahlreichen anderen Formen) differenziert der Ausdruck.

Umgangs- und volkssprachliche Begriffe für solche Instrumente sind Zugharmonie, Maurerklavier oder Schifferklavier, Ziehamriemen, mundartlich bairisch Raunl, despektierlich auch Quetschkommode, Wanzenquetsche und anderes.[1][2] In der Volksmusik waren die Ziehharmonikas beliebt, weil sie den ersten brauchbaren Ersatz für den Dudelsack darstellten, auch die Zither, die sehr schwer zu spielen und empfindlich ist und nur im Sitzen gespielt werden kann, hat sie weitgehend verdrängt.[3]

Historischer Überblick 1800 bis 1830

HauptbetragGeschichte der Stimmzunge

Einen Überblick über die Erfindungen zwischen 1800 und 1830 findet sich in einem Buch, das 1869 herausgegeben wurde. Es finden sich darin noch viele weitere exotische Namen von Harmonikainstumenten, die es nur noch in Museen zu bewundern gibt. [4]

Funktionsweise

Die Tonerzeugung mittels Durchschlagzungen sowohl im Zudrücken wie auch im Aufziehen des Balges ist eines der wichtigsten Merkmale der Handzuginstrumente. Verwandte Balginstrumente wie das Harmonium und der Vorläufer Physharmonika weichen diesbezüglich ab. Ursprünglich wurden die Tonzungen als Federn bezeichnet.

Literatur

  • Thomas Eickhoff: Kultur-Geschichte der Harmonika. Schmülling, Kamen, 1991, ISBN 3-925572-05-8.
  • Josef Focht, Herbert Grünwald (Hrsg.): Konzertina, Bandonion, Akkordeon. Die Entwicklung der Harmonika-Instrumente und ihr Spiel in Bayern. Mit Beiträgen von Dieter Krickeberg und Kari Oriwohl. Bayerischer Landesverein für Heimatpflege e.V. (Volksmusiksammlung und -Dokumentation in Bayern Nr. E 12), München 1999.
  • Karl M. Klier: Volkstümliche Musikinstrumente in den Alpen. (Kommentar: Hans Commenda. In: Institut für Landeskunde von Oberösterreich: Österreichische Heimatblätter Jg. 12 Heft 1/2, Jänner–Juni 1958, S. 74–79; pdf).

Einzelnachweise

  1. Josef Focht: Fotzhobel, Maultrommel und Harmonika in frühen volksmusikalischen Quellen. In Lit. Focht, Grünwald: Konzertina, Bandonion, Akkordeon. 1999, S. 5-10.
  2. Edgar Niemeczek: Musik aus der Rocktasche. In: Schaufenster Volkskultur Nr. 3/2007, Atzenbrugg; In aller Munde. Ausstellungskatalog Technisches Museum Wien, 2002, zit n. Tascheninstrumente. In: ABC zur Volkskunde Österreichs. Austria-Lexikon
  3. Hans Commenda: Volkstümliche Musikinstrumente in den Alpen. Zu dem gleichnamigen Buch von Karl M. Klier. In: Institut für Landeskunde von Oberösterreich: Österreichische Heimatblätter Jg. 12 Heft 1/2, Jänner–Juni 1958, S. 74–79 (pdf)
  4. Geschichte des Concertwesens in Wien, Band 1 Von Eduard Hanslick, Herausgegeben 1869, Seite 258, 259 Die Zeit der wunderlichen neuartigen Iustrumente, welche zu Ende des 18. Jahrhunderts so zahlreich anftauchten, war keineswegs zu Ende. In den ersten 2l Jahren finden wir noch einen starken Nachschub, meist in Abarten des Claviers und der Glasharmouika und Eombinationen derselben bestehend. Zuerst war es die gefeierte Muse der Glasharmouika, die blinde Marianne Kirchgaßner, welche im J. 1800 neuerdings nach Wien kam und 2 Concerte gab. Ihr Instrument stand damals noch ziemlich in Gunst. (In Prag begleitete 1808 in einem Wohlthätigleits - Koncert Herr Maschek den Traum des Franz Moor, aus den „Räubern", ans der Harmonika!) Im J. 1805 producirte der Wiener Instrumentenmacher Müller die von ihm verbesserte (Röllig'sche) „Xänorphita", welche, wie ein Clavier gespielt, die Harmouie eines Violinquartetts nachahmte. Auch Herr Posch spielte im selben Jahre auf demselben Instrument. Eine neue Harmonika - Combination war das Panmelodion, welches der Erfinder Leppich, gemeinschaftlich mit Conradin Kreutzer im Augarten producirte (1810). Die Hauptuummer war ein von Kreutzer componirtes Gedicht „die Entstehung der Harmonie", gesungen von Herrn und Madame Ehlers, mit Begleitung des Panmelodions. Im folgenden Jahr erschien ein Hr. Schnell mit seinem Instrumeut „Ameuocorde" und 1815 der Mechaniker und Pianist Leonh. Mälzel (Bruder des berühmteren Ioh. Nepomuk Mälzel) mit seiner „Orpheus-Harmonie", einer Zusammensetzung von Stahlstäben und Geigenbogen mit Tastatur, verwandt der Stahlharmonika und Xänorphila. Was noch in dem Jahrzehent 1820 bis 1830 von derlei Phantasieinstrumenten erscheint, sind bloße letzte Nachklänge einer absterbenden Richtung. Außer Leppich's, im J. 1822, neuerdings in Erinneruug gebrachtem „Panmelodion", tauchte 1825 eine Clavierabart, Nameus „Sirenion" auf, von dem Erfinder Promberger und seinem l3 jährigen Sohne gespielt, endlich im selben Jahr die „Claveoline" (eine von Eschenbach erfundene Art Physharmonika mit Pfeifen, Tasten und Pedal) vou Lauge aus Cassel gespielt. Franz Xaver Gebauer, der Gründer der „Spirituel-Coucerte", machte Anfangs sein Glück in Wien durch seine Fertigkeit auf der Mundharmonika. Im Fache der musikalischen Automaten stand der Mechaniker Joh. Nepomuk Mälzel 1), der berühmte Erfinder des Metronoms, obenan. Er producirte in Wien im Jahre 1809 seinen „mechanischen Trompeter" (welcher den Anstoß zu dem vollkommenen Trompeter-Automaten Kanfmann's in Dresden gab), dann wiederholt in späteren Jahren (zuletzt 1828 im Augarten) seine aus sechsunddreißig Trompeten zusammengesetzte „Trompetenmaschine". Ein ander Mechaniker, Bauer, besuchte Wien im Jahre 1829 mit seinein „Orchestrion". Mit ähnlichen Instrumenten und Spielwerken hat späterhin nur noch Fr. Kaufmann Erfolg gehabt, namentlich mit seinem ausgezeichneten „Harmouichord" (einem clavirartigen Tasteninstrument) und dem „Chordaulodion" (Flötensaitengesaug). Im Allgemeinen ist die Aufmerksamkeit dafür rasch geschwunden, und die oben angeführten zahlreichen Fantasie-Instrumente waren im Jahre 1830 bis auf den Namen verschollen. Ein neues Instrument tritt dafür zu Anfang der zwanziger Jahre auf den musikalischen Schauplatz: die Physharmonita. Die Nr. 30 der Wiener Mnsikzeituug vom Jahre 1821 meldet zuerst die Erfindung dieses Iustrumcnts durch den Wiener Instrumentenmacher Anton Hackel. Hieronhmus Paier, Compouist und Clavierlehrer in Wien, producirte die Physharmonita zuerst öffentlich, und zwar mit eigens dafür von ihm componirten Stücken (Phantasie und Variationen) in der Wohlthäigkeitsakademie im Kärntnerthor-Theater am l5. November 1824. Paycr's Spiel gefiel sehr, er wurde gerufen und führte den Erfinder A. Hackel mit heraus. Bald darauf verlegte sich Lidl anf die Physharmonika und lies, sich mit, ener selbst componirten „Serenade" am Pfingstsonntag 1823 im Kärntner Theater zum ersten Male öffentlich hören. Seitdem ist in Wien die Physyarmonika durch dreißig Jahre Lidl's künstlerisches Monopol geblieben; trefflicher Virtnose auf diefrm Instrument, hat er zugleich eine förmliche Literatur für dasselbe, um nicht schlechtweg zu sagen „die Literatur desselben" geschaffen. Fußnote: 1) Johann Nep. Mälzel, geb. 1772 in Regensburg, in seiner Jugend ein tüchtiger Pianist, widmete sich gänzlich dem studium der Mechanik, für die er eine geniale Begabung hatte. Die erste Frucht dieser Studien war das Panharmonium, ein mechanisches Orchesterm das er zuerst in wien (1805), dann in paries producirte, wo Cherubini ein schönes musikstück, "Echo", für das Instrument schrieb. Nachdem Mälzel das Panharmonium für 60.000 Fancs verkauft hatte, führte er 1808 in Wien eine neue Erfindung aus, den „mechanischen Trompeter", der für ein Meisterstück galt und dem Erfinder den Titel eines k. k. Hofmechaniker verschaffte. Seine berühmteste und einflußreichste Schöpfung war der Metronom. Die Priorität der Erfindung wurde jedoch mit Erfolg von dem Mechaniker Winkel in Anisterdam in Anspruch genommen. Im Jahre 1826 ging Mälzel mit seinen Automaten und dem Pauharmonikon nach Nordamerika, wo er im Jahre 1838 starb. 1) Friedrich Kaufmann, geb. 1785 in Dresden, reiste anfangs mit seinem Vater, dem Mechaniker K., nach dessen Tod (1818) allein, endlich 1842-44 mit seinem Sohn Theodor K. (geb. 1823). Friedrich K. starb in Dresden 1865. 2) Carl Georg Lickl, geb. 1801 in Wien, ist der Sohn des fruchtbaren Komponisten Joh. G. Lidl (geb. 1769), der unter Schikaueder's Direktion das Theater an der Wien mit zahlreichen Singspielen, komischen Zauberopern u. dgl. versah. [1]

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