Alkohol im Islam

Alkohol im Islam

Der Konsum von Alkohol gilt sowohl im sunnitischen als auch im schi'itischen Islam und in allen Rechtsschulen als haram (verboten). Diese Haltung ist auf die folgenden koranischen Bestimmungen zurückzuführen.

Inhaltsverzeichnis

Alkoholkonsum und -verbot im Koran

Vier Koranverse (aya) befassen sich mit dem Alkoholkonsum bzw. -verbot:

„Und (wir geben euch) von den Früchten der Palmen und Weinstöcke (zu trinken), woraus ihr euch einen Rauschtrank macht, und (außerdem) schönen Unterhalt. Darin liegt ein Zeichen für Leute, die Verstand haben.“

16:67

„Man fragt dich nach dem Wein und dem Losspiel. Sag: In ihnen liegt eine schwere Sünde. Und dabei sind sie für die Menschen (auch manchmal) von Nutzen. Die Sünde, die in ihnen liegt, ist aber größer als ihr Nutzen. Und man fragt dich, was man spenden soll. Sag: Den Überschuss (von dem, was ihr besitzt)! So macht Gott euch die Verse klar. Vielleicht würdet ihr nachdenken.“

2:219

„ Ihr Gläubigen! Kommt nicht betrunken zum Gebet, ohne vorher (wieder zu euch gekommen zu sein und) zu wissen, was ihr sagt!“

4:43

„Ihr Gläubigen! Wein, das Losspiel, Opfersteine und Lospfeile sind (ein wahrer) Greuel und Teufelswerk. Meidet es! Vielleicht wird es euch (dann) wohl ergeben.“

5:90

Entsprechend dem jüngsten dieser Verse (Sure 5:90) gilt es, den Alkoholkonsum als verboten abzulehnen. Die koranische Ausdrucksweise ridschs / ‏رجس ‎ / riǧs /„Greuel;Schmutz; unrein“ bzw. amal asch-schaitan / ‏عمل الشيطان ‎ / ʿamal aš-šaiṭān /„Teufelswerk“ unterstreicht den Verbotscharakter dieses Verses. Die älteren, oben genannten Offenbarungen sind durch diesen Vers (nāsich) abrogiert (mansūch).

Die Koranverse bestätigen, dass man zur Zeit Mohammeds mit Wein chamr / ‏ خمر‎ / ḫamr Handel getrieben hat und ihn seine muslimischen Zeitgenossen (sahaba) als berauschendes Getränk genossen haben. Das Verbot, in der Trunkenheit zu beten (Sure 4:43), ist wahrscheinlich erst im vierten Jahr nach der Auswanderung in Medina entstanden. [1] Das stufenweise erfolgte Verbot des Alkoholkonsums, vom mekkanischen Vers 16:67 bis zum spätmedinensischen Vers 5:90 stellt die Koranexegese in der oben geschilderten Chronologie der Offenbarung dar. [2]

Im Paradies werden den Gläubigen u.a. auch „Bäche mit Wein“ (Sure 47:15) versprochen, der laut Korankommentatoren allerdings keine berauschende Wirkung haben soll.

Alkoholverbot in der Traditionsliteratur

Der koranische Begriff „chamr“ bezieht sich zunächst auf die in der Gegend von Mekka, Medina und Taif bekannten alkoholischen Getränke aus Weintrauben, den dort angebauten Dattelsorten und Feigen. In der frühen Traditionsliteratur bezeichnet man alle berauschenden Getränke („muskir“) als „chamr“ und folgt dem Mohammed beigelegten Spruch „jedes Getränk, das berauscht, ist verboten“ und „alles, was berauscht, ist 'chamr' (Wein)“. [3] Das Alkoholverbot wird sowohl in den kanonischen Hadithsammlungen, in den Kapiteln über Getränke, als auch in eigens für das Alkoholverbot gewidmeten monographischen Abhandlungen, überwiegend unter dem Titel Kitāb al-aschriba / ‏ كتاب الأشربة‎ / Kitāb al-ašriba /„Buch über Getränke“ eingehend dargestellt. Die bekannteste Sammlung zu diesem Thema geht auf den irakischen Gelehrten Ahmad ibn Hanbal zurück [4]. Grundsätzlich gilt in allen Rechtsschulen die auf Mohammed zurückgeführte und sowohl in den Hadith- als auch in den Rechtsbüchern zitierte Norm: „das, was in großen Mengen berauscht, davon ist auch eine kleine Menge verboten.“ Somit ist nicht erst die Trunkenheit, sondern schon der Konsum der kleinsten Menge von berauschenden Getränken verboten und somit strafbar.[5]

Es sind mehrere Traditionen aus den kanonischen Hadithsammlungen überliefert, die für wiederholtes Trinken die Todesstrafe vorsehen. Im kitāb al-hudūd von Abu Dawud as-Sidschistani heißt es:

Wenn sie Wein trinken, peitscht sie. Wenn sie nochmal trinken, peitscht sie. Wenn sie nochmal trinken, tötet sie![6]

Alkoholgenuss in Notsituationen

Die für die islamische Jurisprudenz spezifische Rechtskategorie der Darura/Idtirar ‏ ضرورة , اضطرار‎ / ḍarūra , iḍṭirār, d.h. die Beachtung der Zwangslange, in der Verbotenes für erlaubt erklärt werden kann, [7] ist im Zusammenhang mit dem koranisch verbotenen Alkoholgenuß schon sehr früh diskutiert worden. Wann jedoch die Überschreitung einer Rechtsnorm und die Ignorierung des Verbotes möglich ist, wird in den islamischen Rechtsschulen unterschiedlich beurteilt.[8]

Diese Rechtskategorie ist schon im Frühislam im Zusammenhang mit der Heilung von Krankheiten angewendet worden; ihre Gegner griffen dabei auf die angebliche Aussage des Gefährten Mohammeds Abd Allah ibn Mas'ud zurück, der gesagt haben soll:

Gott hat eure Genesung nicht in einem (Mittel) bestimmt, was er euch verboten hat. [9]

Den Spruch hat man in seinen Varianten auch auf den Propheten Mohammed zurückgeführt, wie dies z.B. im oben genannten „Buch über Getränke“ von Ahmad ibn Hanbal (Nr. 159) dokumentiert ist.

Das kompromisslose Verbot von Alkoholika und Narkotika mit berauschendem Charakter ist in allen Rechtsschulen von der frühesten Zeit an zu beobachten. Dennoch gab es auch Ausnahmen: der Schafiitische Fachr ad-Din ar-Razi (†1209) legalisiert die Behandlung mit Alkoholika, weil dabei nur eine kleine Menge konsumiert wird, die an sich nicht berauscht.[10] „Der Verkauf und die Einnahme von Haschisch sind rechtlich nicht zulässig“ - heißt es in einer Fatwa aus der Türkei - „außer zur Behandlung eines Kranken“ und „der Verkauf von esrār (indischem Hanf?) zur Anwendung als Medikament bei einigen Krankheiten ist rechtlich zulässig.“ [11]

Die Vermischung des Weines (chamr) mit Medikamenten hat schon der hanafitische Gelehrte as-Sarachsi (†1090) in seinem Rechtskompendium „al-Mabsut“ legalisiert, wenn die alkoholischen Bestandteile in der Mischung nicht überwiegen.

Alkoholkonsum in der islamischen Welt

Ein strenges Alkoholverbot hat sich in der islamischen Welt niemals wirklich durchsetzen lassen. Das koranische Verbot wurde mit dem Hinweis umgangen, dass Alkoholika aus Stutenmilch, Datteln und Korn damit nicht erfasst seien. Insbesondere im Osmanischen Reich wechselten sich Phasen strikter Prohibition mit solchen einer mehr pragmatischen Sichtweise ab. Süleyman der Prächtige etwa ließ 1560 auf dem Goldenen Horn mit Wein beladene Schiffe versenken; 1613 erließ Sultan Ahmed I. ein umfassendesn Weinverbot. Der Schriftsteller Ahmed Rasim (1826-1897) schreibt hingegen in seinen Erinnerungen, dass sich die städtische Jugend Istanbuls nur in den Monaten Ramadan und Muharrem an das Alkoholverbot hielt, und auch dann oft nur, wenn man anderntags Friedhöfe oder Mausoleen zu besichtigen gedachte. Im Übrigen unterschied man schon früh zwischen dem - bisweilen mit Nachsicht bedachten Genusstrinker (akşamçi) und dem Gewohnheitstrinker (gündüzcü), befasst sich auch eingehend mit dem "rechten Maß", also der akzeptablen Tagesmenge an Raki (gıda).

Heute ist in wenigen islamischen Ländern die Prohibition so streng, dass alkoholische Getränke nur illegal erworben werden können. Weintrinken (schurb al-chamr) gehört im islamischen Strafrecht zu den Hadd-Strafen. Es unterliegt je nach Rechtsschule einer Strafe von 40 bis 80 Peitschenhieben.[12][13]

Einzelnachweise

  1. Theodor Nöldeke: Geschichte des Qorāns. 2. Auflage, bearbeitet von Friedrich Schwally. Leipzig 1909. Bd. 1, S. 199 und dort Anm. 1 über die chronologische Ordnung der obigen Verse.
  2. I. Goldziher: Vorlesungen, S. 62-63.
  3. al-mausu'a al-fiqhiyya5. Kuwait 2005. Bd. 5, S. 15-16.
  4. Gedruckt in Bagdad 1976
  5. A.J. Wensinck et alii: Concordance et indices de la tradition musulmane. Brill, Leiden 1943. Bd. 2, S. 491, Zeile 21-33.
  6. Nr. 4467 Weitere Hadithe bei Ibn Madscha und Ahmad ibn Hanbal, Belegstellen siehe A. J. Wensinck: „s.v. al-khamr“ in: A. J. Wensinck, J. H. Kramers (Hrsg.): Handwörterbuch des Islam. Brill, Leiden 1941
  7. The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 2, S. 163
  8. Miklos Muranyi:Untersuchungen zu Šarīʿa-rechtlichen Entwicklungen der Gegenwart. I. In: Arabica 27 (1980), S. 242; vgl. Joseph Schacht: An Introduction to Islamic Law. (Oxford 1965), S. 84-85
  9. Miklos Muranyi (1980), S. 227 nach dem Sahih von al-Buchari
  10. Miklos Muranyi (1980), S. 248
  11. Johannes Benzing: Islamische Rechtsgutachten als volkskundliche Quelle. Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse / Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Jahrgang 197, Nr. 3. S. 23
  12. Konrad Dilger: in Werner Ende und Udo Steinbach (Hrsg.): Der Islam in der Gegenwart. München 1989, S. 188
  13. Hadith in Originalsprache von Sahih Muslim

Literatur

  • Ignaz Goldziher: Vorlesungen über den Islam. Heidelberg 1910. S. 62-66
  • P. Heine: s.v. Wein in: Khoury/Hagemann/ Heine: Islam-Lexikon. Freiburg 2006
  • A.J. Wensinck: Khamr. In: A.J. Wensinck und J.H. Kramers (Hrsg.): Handwörterbuch des Islam. Brill, Leiden 1941. S. 298-301
  • The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd, 4, S. 994

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