- Allgemein anerkannte Regeln der Technik
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Die (allgemein) anerkannten Regeln der Technik sind technische Regeln bzw. Technikklauseln für den Entwurf und die Ausführung von baulichen Anlagen oder technischen Objekten.
Es sind Regeln, die in der Wissenschaft als theoretisch richtig erkannt sind und feststehen, in der Praxis bei dem nach neuestem Erkenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg bekannt sind und sich aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung bewährt haben. Sie stellen nach Werkvertragsrecht für den Sollzustand eine Minimalforderung dar und bei Nichteinhaltung liegt ein Mangel vor, soweit die Abweichung nicht zuvor mit dem Auftraggeber vereinbart worden ist. In diesem Zusammenhang ist der Auftraggeber vollumfänglich über die geplante Abweichung zu informieren und auf die daraus resultierenden Folgen hinzuweisen.
Die allgemein anerkannten Regeln der Technik sind nicht identisch mit den DIN und anderen Normen. Vielmehr gehen sie über die allgemeinen technischen Vorschriften, wozu auch die DIN-Normen gehören, hinaus. Für gültige DIN-Normen besteht nur die Vermutung, dass sie den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Diese Vermutung ist widerlegbar, denn in den Normenausschüssen werden auch Interessenstandpunkte vertreten. Außerdem entsprechen Normen nicht immer dem aktuellen technischen Kenntnisstand und beinhalten nicht immer Regeln, die sich langfristig bewähren oder bewährt haben.
Inhaltsverzeichnis
Beispiele zur Definition des Begriffes
In EN 45020 werden die anerkannten Regeln der Technik wie folgt definiert:
„
- 1.5
- anerkannte Regel der Technik
- technische Festlegung, die von einer Mehrheit repräsentativer Fachleute als Wiedergabe des Standes der Technik angesehen wird.
- ANMERKUNG Ein normatives Dokument zu einem technischen Gegenstand wird zum Zeitpunkt seiner Annahme als der Ausdruck einer anerkannten Regel der Technik anzusehen sein, wenn es in Zusammenarbeit der betroffenen Interessen durch Umfrage- und Konsensverfahren erzielt wurde.
- ...
- 3.2.1 Für die Öffentlichkeit zugängliche Normen
- ANMERKUNG Dank ihres Status als Normen, ihrer öffentlichen Zugänglichkeit und ihrer Änderung oder Überarbeitung, soweit dies nötig ist, um mit dem Stand der Technik Schritt zu halten, besteht die Vermutung, dass internationale, regionale, nationale oder Provinznormen (3.2.1.1, 3.2.1.2, 3.2.1.3 und 3.2.1.4) anerkannte Regeln der Technik sind.
- ...
– CEN: Zitat aus DIN EN 45020:2006 - Normung und damit zusammenhängende Tätigkeiten - Allgemeine Begriffe (ISO/IEC Guide 2:2004); Dreisprachige Fassung EN 45020:2006
Abgrenzung innerhalb der Technikklauseln
Die anerkannten Regeln der Technik unterscheiden sich vom Stand der Technik dadurch, dass letzterer eine höhere Stufe der technischen Entwicklung darstellt, sich aber in der Praxis noch nicht langfristig bewährt haben muss. Für Bauleistungen wird aufgrund der Dauerhaftigkeit des Werkes sowie des Kenntnisstandes der Ausführenden in der Regel die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik gefordert.
Bedeutung in verschiedenen Gebieten
Bedeutung im Strafrecht
Große Bedeutung im gesamten Strafrecht haben die Anerkannten Regeln der Technik als Maßstab für die Bestimmung der Pflichtwidrigkeit eines Handelns, insbesondere bei der Prüfung der Fahrlässigkeit. Die Anerkannten Regeln der Technik werden außerdem erwähnt in § 319 des deutschen Strafgesetzbuches (Baugefährdung).
Bedeutung im Bürgerlichen Recht
Im bürgerlichen Recht, insbesondere bei Werk- und Kaufverträgen, vereinbaren die Vertragsparteien häufig, dass die Sachleistung den Anerkannten Regeln der Technik entsprechen müsse. Dies regelt beispielsweise auch Teil B der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB), der von den Vertragsparteien in ihren Vertrag einbezogen werden kann:
Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen, Teil B (VOB/B)
- § 4 Ausführung
- 2. (1) Der Auftragnehmer hat die Leistung unter eigener Verantwortung nach dem Vertrag auszuführen. Dabei hat er die anerkannten Regeln der Technik und die gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen zu beachten. Es ist seine Sache, die Ausführung seiner vertraglichen Leistung zu leiten und für Ordnung auf seiner Arbeitsstelle zu sorgen.
Außerdem werden die Anerkannten Regeln der Technik auch im Bürgerlichen Recht als Maßstab für die Bestimmung der Pflichtwidrigkeit eines Handelns, insbesondere bei der Prüfung der Fahrlässigkeit, verwendet.
Bedeutung im Verwaltungsrecht
In zahlreichen Normen des Verwaltungsrechts wird auf die Anerkannten Regeln der Technik verwiesen. Beispiele:
Im Bundesberggesetz (BBergG)
- § 55 BBergG: Zulassung des Betriebsplanes
- (1) Die Zulassung eines Betriebsplanes im Sinne des § 52 ist zu erteilen, wenn (...)
- 3. die erforderliche Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern, Beschäftigter und Dritter im Betrieb, insbesondere durch die den allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik entsprechenden Maßnahmen, sowie dafür getroffen ist, dass die für die Errichtung und Durchführung eines Betriebes auf Grund dieses Gesetzes erlassenen oder geltenden Vorschriften und die sonstigen Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden
- § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Bundesberggesetz
- Stellt ein Spezialgesetz hörere Anforderungen (z. B. Immissionsschutzrecht bzw. Störfallrecht versus Baurecht), so sind in der Regel die höheren Anforderungen zu beachten.
In der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung- § 2 Allgemeine Anforderungen
- (1) Bahnanlagen und Fahrzeuge müssen so beschaffen sein, daß sie den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen. Diese Anforderungen gelten als erfüllt, wenn die Bahnanlagen und Fahrzeuge den Vorschriften dieser Verordnung und, soweit diese keine ausdrücklichen Vorschriften enthält, anerkannten Regeln der Technik entsprechen.
- (2) Von den anerkannten Regeln der Technik darf abgewichen werden, wenn mindestens die gleiche Sicherheit wie bei Beachtung dieser Regeln nachgewiesen ist.
Im Rettungsgesetz NRW: Gesetz über den Rettungsdienst sowie die Notfallrettung und den Krankentransport durch Unternehmer- § 3 Krankenkraftwagen, Notarzt-Einsatzfahrzeuge, Luftfahrzeuge
- (1) Krankenkraftwagen sind Fahrzeuge, die für die Notfallrettung oder den Krankentransport besonders eingerichtet und nach dem Fahrzeugschein als Krankenkraftwagen anerkannt sind Notarztwagen, Rettungswagen, Krankentransportwagen). Sie müssen in ihrer Ausstattung, Ausrüstung und Wartung den allgemein anerkannten Regeln von Medizin und Technik entsprechen.
Literatur
- Bundesverfassungsgericht (Verfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland), Beschluß des Zweiten Senats vom 8. August 1978, Geschäftszeichen 2 BvL 8/77, amtliche Sammlung BVerfGE 49, 89; sogenannte "Kalkar I"-Entscheidung
- Karl-Wilhelm Schäfer: Das Recht der Regeln der Technik. Köln 1965.
- Peter Marburger: Die Regeln der Technik im Recht. Trier 1979.
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